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FAO auf dem Weg zu nachhaltiger Landwirtschaft?

Artikel-Nr.: DE20130310-Art.10-2013

FAO auf dem Weg zu nachhaltiger Landwirtschaft?

Der Wandel hat begonnen, aber…

Vorab im Web - Sollte die wichtigste Organisation für Ernährungssicherung der Vereinten Nationen, die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO), den Schwerpunkt darauf legen, Ländern dabei helfen, ihre landwirtschaftliche Produktion mit subventioniertem chemischen Dünger anzukurbeln, oder sollte sie eher die ökologische Landwirtschaft fördern? Eine Bestandsaufnahme der Politik der FAO von Olivier De Schutter.

Letztes Jahr gewährte mir die FAO Zugang zu ihren führenden Mitarbeitern in Rom und im Außendienst. Dadurch wurde es mir möglich, eine Bestandsaufnahme ihres Beitrags zur Ernährungssicherung als Menschenrecht für die ärmsten Menschen der Welt zu machen. Neben den eingangs erwähnten spielten dabei auch folgende Fragen eine Rolle: Sollte die FAO die Staaten dabei unterstützen, sich gegen Importwellen zu schützen, oder dabei, sich zum Weltmarkt zu öffnen? Sollte sie ausschließlich mit den nationalen Landwirtschaftsministerien zusammenarbeiten oder interministerielle und zivilgesellschaftliche Partizipation fordern?

* Über die bloße Produktionssteigerung hinaus

Staaten und Regionen dabei zu unterstützen, ihre Strategien der Ernährungssicherung zu entwickeln, ist das Kerngeschäft der FAO. Dabei hat sie viele beeindruckende Ergebnisse hervorgebracht. Erst 2011 hat die lateinamerikanische Regionalstelle der FAO, damals unter dem derzeitigen FAO-Generaldirektor José Graziano da Silva, einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, die Initiative „Lateinamerika und Karibik hungerfrei bis 2025“ voranzubringen. Sie hat eine regionale parlamentarische Front für das Recht auf Nahrung und ein Beobachtungssystem hervorgebracht, an dem 20 Universitäten beteiligt sind.

Hier und anderswo hat die FAO gezeigt, dass sie imstande ist, spezifische und stimmige Formen landwirtschaftlicher Entwicklung voranzutreiben und damit marginalisierte LebensmittelproduzentInnen – oft Kleinbetriebe, insbesondere Frauen – zu unterstützen, die am meisten von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen sind. Bei Gleichstellungsfragen wie Gender und Ernährung hat die FAO eine durchdachte Strategie zur Ernährungssicherung entwickelt, die über die Frage hinausgeht, wie viel produziert wird. Stattdessen fragt sie wie, für wen, zu welchem Preis und mit welchem Nährwertgehalt produziert wird.

Doch wie systematisch unterstützt die Agentur diese Art von Wandel? Und wie kompatibel sind ihre landwirtschaftlichen Paradigmen mit der finanziellen und logistischen Unterstützung, die die FAO bietet?

* Schärfung des eigenen Profils

Bezüglich der heiklen Frage stickstoffbasierter Dünger versus ökologische Produktionsmethoden hat sich herausgestellt, dass die FAO oftmals beides befürwortet. Infolgedessen haben sich viele die Frage gestellt, wofür die Organisation eigentlich steht und ob Institutionen wie die FAO überhaupt für etwas stehen sollten.

Gewiss ist es schwierig für eine Institution, sich eine schlüssige Identität zu schaffen, wenn sie immer auch die Summe ihrer Teile ist – nämlich der 192 Mitgliedsländer, deren Prioritäten als Geber und Ausführende nationaler Strategien immer die Arbeit mitgestalten werden, ganz zu schweigen von den privaten AkteurInnen, die bis zu 5% der FAO-Arbeit finanzieren und größeren Einfluss auf die Prioritätensetzung ausüben.

Trotzdem hat die FAO in den letzten Jahren begonnen, ihr eigenes Profil zu schärfen. Letztes Jahr hat die Agentur auf dem Erfolg ihrer Initiative für Lateinamerika und die Karibik aufgebaut und die Gemeinschaft der portugiesisch-sprachigen Länder unterstützt, einen Plan zu entwickeln, der das Recht auf Nahrung in die nationale Politik integriert. Außerdem hat sie einen Rat für regionale Nahrungssicherung und Ernährung geschaffen und die Initiative „Westafrika hungerfrei“ ins Leben gerufen – weitere Beispiele ihres Strebens nach progressiven regionalen Strategien.

Dies zeigt, dass die Institution voll und ganz in der Lage ist, mehr als ein bürokratisches Unterstützungsbüro zu sein, das A la carte-Maßnahmen zur Ernährungssicherung verwirklicht. Dennoch bleibt die FAO zögerlich dabei, ihr volles politisches Gewicht für spezifische Unterstützungsmodelle einzusetzen und über noch in den Kinderschuhen steckende rechtebasierte regionale Initiativen hinauszuwachsen, indem sie sich systematisch für Nahrung als das Menschenrecht einsetzt, das es ist.

In den letzten zehn Jahren hat die Agentur eine führende Rolle dabei gespielt, mit den Leitlinien zum Recht auf Nahrung einen Meilenstein zu schaffen und eine engagierte Arbeitsgruppe zu etablieren, die in diesem Bereich arbeitet. Jedoch hat dieses Unterstützungspersonal meistens in zeitgebundenen extern-finanzierten Projekten gearbeitet – die Pläne, das Recht auf Nahrung in Ernährungssicherungsstrukturen in Mosambik, Bolivien, Nepal und El Salvador zu integrieren, gehen weiter – anstatt allen Abteilungen zu helfen, einen „Recht auf Nahrung“-Ansatz zu verfolgen.

* Der Wandel ist im Gang…

Die Evaluierung der eigenen Arbeit hat die FAO in der Tat zu der Schlussfolgerung kommen lassen, dass sie sich wieder auf Maßnahmen konzentrieren muss, die den größten Einfluss auf die von Nahrungsunsicherheit betroffenen Menschen haben. Das Recht auf Nahrung beinhaltet diesen Ansatz und verbindet ihn eng mit allen politischen Entscheidungen.

Nahrung als ein Menschenrecht zu behandeln bedeutet, ein normatives und analytisches System zu entwickeln, das defekte Ernährungssysteme auf jeder Ebene diagnostizieren und reparieren kann. Das bedeutet, partizipatorische, inklusive, mehrjährige politische Prozesse einzuleiten (z.B. Rahmenrichtlinien zum Recht auf Nahrung und nationale Ernährungsstrategien), in denen die Stimmen der armen und marginalisierten Menschen gehört werden. Es bedarf Politiken, die darauf abzielen, die Defizite in der Fähigkeit Einzelner oder Gemeinschaften zu beheben, Nahrung bzw. adäquate Nahrung zu produzieren. Verantwortlichkeiten und Maßnahmen müssen definiert und Mechanismen entwickelt werden, mit denen Bürger Regierungen zur Verantwortung ziehen können.

Innerhalb der FAO ist der Wandel bereits im Gange. Der Ausschuss zur Welternährungssicherung, der im Zuge der Krise der Nahrungsmittelpreise 2007/08 eingesetzt wurde, bekräftigt den rechtebasierten Ansatz zur Ernährungssicherung. Durch die systematische Beteiligung der Zivilgesellschaft wurde es zum am besten funktionierenden Beispiel partizipatorischer Entscheidungsfindung – ein zentraler Aspekt der Menschenrechte – auf globalem Niveau.

* …aber nicht flächendeckend

Aber dieser Ansatz wurde nicht auf andere Bereiche übertragen. Zum Beispiel hat die Strategie, die von der FAO für Partnerschaften mit dem Privatsektor konzipiert wurde, bislang keinen Bezug zum Recht auf Nahrung.

Die Staaten sollten sicherstellen, dass die FAO als wichtigste institutionelle Akteurin bei der Ernährungssicherung sich darauf zu bewegt, die Kriterien für das Recht auf Nahrung in Genehmigungsverfahren von Programmen und Projekten einzubeziehen, damit entsprechende Anforderungen überall in die Arbeit der FAO integriert und Ergebnisse auf Länderebene mit rechtebasierten Indikatoren überwacht werden. Es muss gewährleistet sein, dass die Zivilgesellschaft als Partner in der Planung und Implementierung nationaler Strategien behandelt wird. Zudem sollte die FAO über den Stand der Realisierung des Rechts auf Nahrung in ihrem jährlichen Bericht zur Lage der Ernährung und Landwirtschaft berichten.

Statt die FAO zu politisieren, würde die Einbeziehung des Rechts auf Nahrung das Gegenteil bewirken. Der Agentur würde ein Mittel zur Verfügung gestellt, mit dem sie sich selbst auf die Sicherung eines übergreifenden Ansatzes im Sinne der Armen besinnen kann. Sie bekäme die Möglichkeit, ihren wichtigsten Auftrag zu erfüllen – den Hunger auszumerzen. Und sie erhielte einen Kompass, der die Politiken und Ansätze herausfiltert, die übermäßig durch Interessen an landwirtschaftliche Reinvestitionen beeinflusst sind und nicht einzig Hunger und Armut bewältigen wollen.

Olivier De Schutter ist UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung und hat am 4. März 2013 vor dem UN-Menschrechtsrat einen ausführlichen Bericht zur FAO vorgelegt. Der vorliegende Beitrag erschien zuerst auf guardian.co.uk.

Veröffentlicht: 10.3.2013

Empfohlene Zitierweise:
Olivier De Schutter, FAO auf dem Weg zu nachhaltiger Landwirtschaft?, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 10. März 2013 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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