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Hungerbekämpfung: Ein Fall für das Agrobusiness?

Artikel-Nr.: DE20130318-Art.09-2013

Hungerbekämpfung: Ein Fall für das Agrobusiness?

NGO-Argumente auf dem Prüfstand

Vorab im Web - Konzerne des Agrobusiness und der Ernährungsindustrie positionieren sich zunehmend in der entwicklungspolitischen Debatte als ein Teil der Lösung der weltweiten Ernährungsprobleme. Sie streben die Zusammenarbeit mit der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) wie auch mit privaten Stiftungen an. Eine vom Forum Umwelt- und Entwicklung herausgegebene Studie (s. Hinweis) setzt sich mit der These auseinander, dass Privatunternehmen im Rahmen der EZ zur Sicherung der Nahrungsmittelversorgung beitragen können. Roger Peltzer fragt kritisch nach.

Die Debatte um die jeweilige Rolle von Staat und Privatsektor in einer Marktwirtschaft ist nicht neu. Nach Jahren der „Markteuphorie“ mehren sich kritische Stimmen, die sehr genau nachfragen, ob z.B. Steuerzahler und Autofahrer tatsächlich gewinnen, wenn Autobahnen nicht mehr durch den Bund, sondern im Rahmen von Public Private Partnerships von privaten Baukonzernen gebaut und betrieben werden. Die vorliegende Studie ist in diesem Kontext zu sehen, und alle Beteiligten tun gut daran, sich den „Business Case Hungerbekämpfung“ sehr genau anzusehen.

* Wie dominant ist das Agrobusiness?

Der Autor, Benjamin Luig, beschreibt die Produktions- und Vermarktungsstrukturen der fünf wesentlichen Glieder der Wertschöpfungskette, die vom Saatgut zum Nahrungsmittel führt. Die Bereitstellung landwirtschaftlicher Inputs wie Saatgut, Pflanzchemikalien und Düngemittel wird zwischenzeitlich weltweit von wenigen großen Konzernen, darunter Syngenta, Dupont, BASF, Bayer Crop Science und Yara, beherrscht. Dagegen ist die eigentliche landwirtschaftliche Produktion in den Entwicklungs- und Schwellenländern überwiegend kleinbäuerlich strukturiert, und wird dies auch noch länger bleiben. Im Agrarhandel wiederum dominieren große Handelsunternehmen, wie Louis Dreyfuss, ADM, Cargill. In der Nahrungsmittelindustrie gibt es zwar auch große Konzerne, wie Unilever und Nestle. Diese müssen sich die Märkte aber mit tausenden von anderen Anbietern teilen, während sich im Einzelhandel weltweit immer mehr große Supermarktketten (nicht nur aus Industrieländern) durchsetzen.

Diese Analyse ist zutreffend, klammert allerdings die wachsende Rolle insbesondere von China, aber auch von Indien im Bereich der Inputs und beim Rohstoffhandel aus. China ist vermutlich heute weltweit der einzige Akteur, der durch strategische Ein- und Verkäufe die Preise für am Weltmarkt gehandelte landwirtschaftlichen Produkte („soft commodities“) signifikant beeinflussen kann. Die privaten Händler können dies, anders als Benjamin Luig vermutet, nicht. Ihre im Rohstoffhandel erzielten Margen von 1–3% dürften sich im langjährigen Durchschnitt nicht sehr stark verändert haben, wobei die Kosten für den Transport und die Absicherung von Termingeschäften sicher gestiegen sind. Der Verweis auf die Gewinne einzelner Konzerne in einzelnen Jahren ist analytisch nicht aussagekräftig.

In der Studie wird zudem ein Trend verschiedener Akteure in der Wertschöpfungskette zur vor- und nachgelagerten Integration konstatiert. Dies trifft in Gänze allerdings nur auf die genannten großen Agrar-Handelsunternehmen zu, die versuchen (z.T. in Konkurrenz mit China), sich vorgelagert den Zugriff auf Rohstoffe zu sichern, nicht zuletzt um einen Teil ihrer Handelsgeschäfte „physisch“ abzusichern.

Nahrungsmittelkonzerne und Supermarktketten investieren dagegen bis heute nur sehr, sehr selten in die vorgelagerte Produktion. Unilever hat sich in großem Umfang von der Primärproduktion in Entwicklungsländern getrennt. Diese wird von Nahrungsmittelunternehmen und Supermärkten als viel zu risikoreich angesehen und könnte nur dann ggfs. zukünftig ein Thema werden, wenn die Nahrungsmittelpreise weiter deutlich steigern. Allerdings legen Nahrungsmittelunternehmen und Einzelhandel zunehmend Wert auf die Einhaltung von Standards in der vorgelagerten Produktion und investieren z.T. in die Qualifizierung von Lieferanten.

Die Konzerne, die im Bereich der Bereitstellung landwirtschaftliche Inputs tätig sind, gehen ebenfalls nicht direkt in die Produktion, haben aber ein gesteigertes Interesse an der Entwicklung und Implementierung von Systemen, die die Belieferung von Kleinbauern für sie zu einem profitablen Geschäftszweig macht.

* Umstrittener PPP-Ansatz

Nun muss sich eine Studie, die den durch ein umfangreiches Quellenverzeichnis untermauerten Anspruch hat, sich sozusagen wissenschaftlich mit den Befürwortern des „Business Cases Hungerbekämpfung“ auseinanderzusetzen, gefallen lassen, dass die Genauigkeit und Relevanz ihrer Argumentation ebenfalls auf dem Prüfstand steht.

Unter dem Stichwort „geteilte Kosten“ setzt sich der Autor kritisch mit PPP-Projekten der GIZ wie auch mit der Förderpraxis der von der Bill & Melinda Gates Stiftung finanzierten AGRA („Alliance for Green Revolution in Africa“) auseinander. Allerdings wird die Stoßrichtung wie auch die Relevanz der Kritik in diesem Punkt nicht deutlich. Der PPP-Titel „Zusammenarbeit mit der Wirtschaft“ im Entwicklungsetat des Bundes beläuft sich auf insgesamt ca. 60 Mio. €, weniger als 1% des Etats. Davon kommt auf ausdrücklichen Wunsch des BMZ ein großer Teil der Zusammenarbeit mit deutschen und europäischen mittelständischen Unternehmen zu Gute.

Aber auch mit Blick auf die Zusammenarbeit mit größeren Unternehmen, bleibt die Frage, was daran kritikwürdig ist, wenn sich BMZ/GIZ zu bis zu 50% an den Kosten eines Pilotprojektes von Mars zur Zertifizierung von Kakaobauern in Côte d’Ivoire oder an den Kosten eines Bayer-Pilot-Projektes zur Verbesserung des Pflanzenschutzes von Gemüsebauern in Guatemala beteiligen. Dabei geht es pro Projekt fast immer „nur“ um einige 100.000 € Zuschuss.

Die Bundesregierung vergibt andererseits in Deutschland Jahr für Jahr Milliarden für die Ko-Finanzierung von Forschungsprojekten privater Unternehmen aus. Da wird in jedem Einzelfall geprüft, ob es ein öffentliches Interesse an einem bestimmten Forschungsprojekt gibt. Genau nach diesen Kriterien prüft die GIZ die ihr vorgelegten PPP-Vorhaben. Da mag es den einen oder anderen Grenzfall geben. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass das Vorhaben ohne öffentliche Unterstützung nicht oder nicht in dem geplanten Maße stattfinden würde. Dabei muss die GIZ im Übrigen in der Prüfung ausschließen, dass sich ein Unternehmen mit Hilfe des Vorhabens wettbewerbliche Vorteile verschafft.

* Voreingenommenheit gegenüber AGRA

Noch unverständlicher, um nicht zu sagen ärgerlicher, ist die Kritik an AGRA. Der Autor unterstellt, dass die Gates-Stiftung einen großen Teile ihrer Mittel einsetzt, um große Agrobusiness-Unternehmen ins Geschäft zu bringen bzw. Regierungen so zu beeinflussen, dass sie in ihren Ländern jeweils Gesetze schaffen, die die Geschäfte dieser Unternehmen erleichtern. Eine Quelle für diese Behauptung wird nicht genannt. Dabei hätte dem Autor schon ein Blick auf die Webseite von AGRA geholfen. Dort hätte er zunächst festgestellt, dass AGRA – anders als von ihm geschrieben – überhaupt nicht in der Cote d’Ivoire tätig ist. Er hätte zudem festgestellt, dass die Beratung der Regierung von Mozambique durch AGRA darauf zielte, in der Brotherstellung einen Cassavamehl-Anteil von bis zu 25% gesetzlich zuzulassen. Cassava ist ein typisches Kleinbauernprodukt, Nahrungsmittelkonzerne haben da überhaupt keine Karten im Spiel. Der Webseite von AGRA ist auch zu entnehmen, dass ein großer Teil der Mittel von AGRA in staatliche Agrarforschungsinstitute und da insbesondere in die konventionelle Saatgutforschung für lokal konsumierte Grundnahrungsmittel fließt. Die Gates-Stiftung springt hier in die Lücke, die die internationale EZ durch ihren teilweisen Rückzug aus der Saatgutforschung hinterlassen hat.

Mit Blick auf die Gates Stiftung würde man sich wünschen, dass an die Qualität der Analyse eines Teils der deutschen NGO-Szene ähnliche Maßstäbe angelegt würden wie an die Zitierpraktiken in den Doktorarbeiten deutscher Politiker. Ein ernsthafter Peer Review von NGO-Veröffentlichungen ist auch deshalb wünschenswert, weil schon jetzt absehbar ist, dass die Studie „Business Case Hungerbekämpfung“ in dieser Hinsicht vielfach zitiert werden wird, ohne dass jemand den Tatsachengehalt der Ursprungsquelle überprüft.

* Vertragsanbau: Keine Kompromisse bei Standards

Unter der Überschrift „neue Zielmärkte und gesicherter Absatz“ setzt sich der Autor mit dem Thema Vertragsanbau und Standardsetzung auseinander. Bemerkenswert für eine NGO-Veröffentlichung ist, dass darauf hingewiesen wird, dass Vertragsanbau für Kleinbauern vorteilhaft sein kann, wenn die Studie auch weitaus überwiegend (und willkürlich) Quellen zitiert, die negative Aspekte des Vertragsanbaus aufzeigen. Nicht richtig ist die Feststellung des Autors, dass vom Vertragsanbau in Afrika nur 5% der Bauern und dann fast ausschließlich besser gestellte Bauern profitieren können. So sind z.B. in den Ländern, in den Baumwolle angebaut wird, im Durchschnitt 13 % aller Bauern im Vertragsanbau tätig, wobei die Prozentsätze in Benin, Burkina Faso und Mali noch deutlich höher sind. Der Baumwollsektor zeigt auch, dass es Regierungen über die Konzessionsvergabe in der Hand haben, die privaten Akteure zu zwingen, mit allen Bauern, unabhängig davon, wie klein ihre Flächen und wie niedrig ihre Erträge sind, vertraglich zusammenzuarbeiten. Und dies ist in vielen Ländern auch gängige Praxis.

Ausgesprochen anfechtbar ist die Argumentation des bei Misereor beschäftigten Autors, dass die Implementierung von sozialen-, ökologischen und Hygienestandards, die z.T. auch von Agrobusiness-Akteuren in der Wertschöpfungskette gefordert und betrieben würde, in Frage gestellt werden müsse, weil solche Standards Kleinbauern vom Markt verdrängen würden.
Mit dieser Argumentation setzt er sich nicht nur im Widerspruch zu großen Teilen der NGO-Community, die auf der Abnahme und Konsumentenseite durchgängig für „hohe Standards“ plädiert und Standards mit niedrigen Schwellen für Kleinbauern (4c, BCI) skeptisch beurteilt.

Wie problematisch diese Argumentation ist, wird bei einer sinngemäßen Übertragung auf deutsche Verhältnisse deutlich. Das Argument wäre dann, dass kleine Restaurants und Imbissbuden möglichst nicht mehr durch die Gewerbeaufsicht auf Einhaltung der Hygiene und der Arbeitszeitregelungen geprüft werden sollten, weil das Risiko hoch sei, dass dann viele dieser Betriebe geschlossen werden müssten, weil nur große Hotels die Standards einhalten könnten.

Die entwicklungspolitische sinnvolle Alternative mit Blick auf kleinbäuerliche Produktion in Afrika kann deshalb nur heißen, die Kosten der Standardisierung abzufedern (was EZ im großen Umfang tut) und die geforderten Standards so auszugestalten, dass der Einstieg auf einem niedrigen Niveau möglich, eine kontinuierliche Verbesserung der Standarderfüllung aber im System angelegt ist und die Standards sich zudem daran messen lassen müssen, ob sie über die Zeit den teilnehmenden Bauern eine Einkommensverbesserung ermöglichen. Das sind aber auch genau die Debatten, die aktuell im Rahmen der Internationalen Standardsetzungsorganisation ISEAL geführt werden. Und Standards wie Cotton Made in Africa, aber auch die Better Cotton Intiative oder 4c versuchen, genau diesen Ansprüchen gerecht zu werden.

* Auch Fairtrade ist nicht immer fair

Und etwas Selbstkritik stünde den NGOs auch gut zu Gesicht. Das Steering Comittee of the State-of-Knowledge Assessment of Standards and Certification in Washington DC (ein Panel international renommierter Wissenschaftler) hat 2012 eine erste umfassende Auswertung der vorhandenen empirischen Studien zur Wirkung von Umwelt- und Sozialstandards vorgelegt. Dabei wurden an alle Standards, so auch an Fairtrade (FLO), gleiche Maßstäbe angelegt. Dabei wird deutlich, dass auch Fairtrade in einer ganzen Reihe von Fällen (S. 66 ff.) nicht zu einer Besserstellung der FLO-Bauern gegenüber Bauern führt, die nicht an Fairtrade teilnehmen. Die Studie zeigt, dass sich für alle Umwelt und Sozial-Standards einschließlich Fairtrade die gleichen Herausforderungen stellen. Die wichtigste ist, systematisch sicherzustellen, dass auch marginalisierte Kleinbauern von solchen Standards profitieren. Gerade auch Faritrade zielt gerade im Kaffeebereich vielfach auf die besser gestellten und besser organisierten Bauern.

Gut geführte Vertragsbauernsysteme können eine wichtige Rolle dabei spielen, diese Herausforderung zu bewältigen. Es wäre ein großer Schritt, wenn sich in der NGO-Community die Einsicht durchsetzen würde, dass es unter dem Gesichtspunkt der Förderung von Millionen von Kleinbauern sehr viel Sinn macht, Standards mit relativ niedrigen Eingangsschwellen, die aber auf kontinuierliche Verbesserung angelegt sind, in der Öffentlichkeit und mit Blick auf die Konsumgewohnheiten im Massenmarkt mit Nachdruck zu unterstützen.

* Vordringen der Supermärkte

Der Abschnitt „Integrierte Wertschöpfungsketten“ behandelt das Vordringen von Supermarktketten im Einzelhandel von Entwicklungsländern. Für die Frage der Nahrungsmittelsicherung ist diese Entwicklung eigentlich nur unter zwei Gesichtspunkten relevant. Vermeidet der Supermarkt basierte Handel – im Vergleich zu traditionellen Vertriebskanälen mit einer Vielzahl von Zwischenhändlern – Nahrungsmittelverluste auf dem Vertriebsweg? Vieles spricht dafür, dass das so ist.

Und dann stellt sich die Frage, wie sich Supermärkte auf die kleinbäuerliche Produktion auswirken? Supermärkte – und das gilt für Handelsketten vor Ort ebenso wie für internationale Abnehmer – werden stärker auf die Einhaltung von bestimmten Standards achten. Das stellt für Kleinbauern eine Herausforderung, aber auch eine Chance dar. So ist der vernünftige Umgang mit Pflanzchemikalien nicht nur für den Verbraucher wichtig, er wirkt sich ja auch positiv auf die Gesundheit des Bauern aus.

Die zweite Frage ist, ob die Einkaufsmacht der Supermärkte sich negativ oder positiv auf die Einkommen der Bauern auswirkt. Die Antwort ist wesentlich weniger eindeutig als es gemeinhin erscheint. So sind die Differenzen zwischen den Einkaufspreisen, die Aldi oder REWE/EDEKA an Produzenten zahlen, entgegen landläufiger Vermutung nicht sehr groß. Im Gegenteil hat Aldi sogar meist bessere Zahlungskonditionen als fast die gesamte Konkurrenz: Aldi zahlt durchweg pünktlich nach 30 Tagen, ein Großteil der Mitbewerber mit Verzögerung nach drei Monaten. Aldi ist preis- und kostengünstiger, weil sie ihre Logistik besser im Griff haben und weil sie weniger Artikel durchsetzen.
Und das Gleiche gilt z.B. für die südafrikanische Kette shoprite, die sich im ganzen südlichen Afrika auch deshalb rasch verbreitet, weil sie ihren Kunden oft frischere und kostengünstigere Ware anbietet als der Einzelhändler um die Ecke.

In einem Umfeld tendenziell steigender Agrarpreise werden Bauern ihren Anteil am Endpreis eher erhöhen, egal ob der Einzelhandel über Supermärkte oder über eine Vielzahl von Zwischenhändlern läuft. Und deshalb konnten die deutschen Bauern auch – abgesehen vom Produkt Milch – in den letzten drei, vier Jahren trotz der Dominanz von Supermarktketten im deutschen Einzelhandel im Schnitt höhere Preise erzielen und ihre Einkommen stärker verbessern als Arbeitnehmer.

Die Frage, ob man einen Supermarkt lieber mag als den Tante Emma Laden um die Ecke, und welche Vertriebsstruktur mehr oder weniger, besser oder wenige gut bezahlte Arbeitsplätze hat, ist eine ganz andere. Sie hat aber nichts mit dem Thema Ernährungssicherung zu tun hat. Meine Vermutung ist, dass sich die Supermärkte auch in Entwicklungs- und Schwellenländern weitgehend durchsetzen werden. In einer Post-Supermarkt-Ära werden wohnortnahe Vertriebskanäle mit verstärktem regionalem Einkauf – ggfs. auch getrieben durch den Internethandel – wieder an Gewicht gewinnen. Und unter Service-Gesichtspunkten werden da auch Eigentümer geführte Vertriebsformen, ggfs. eingebettet in Franchise-Systeme, eine Rolle spielen.

* Kein One-fits-all bei Inputs

Zuletzt setzt sich der Autor mit dem Thema „Paketlösungen gegen den Hunger“ auseinander. Er weist zu Recht darauf hin, dass die Bereitstellung von mehr und besseren Inputs (Saatgut, Düngemittel, Pflanzenchemikalien) nicht automatisch und insbesondere nicht als „One-fits-for-all-Lösung“ das Hunger- und Einkommensproblem von Kleinbauern löst.

Der Einsatz solcher Inputs muss sorgfältig in eine Verbreiterung des Knowhows von Bauern und in funktionierende Vermarktungssysteme eingebunden sein, wenn er zu einer Lösung und nicht zu einer Verschärfung von Problemlagen beitragen soll. Deshalb ist es für Bauern wie auch für Unternehmen, die Vertragsanbau betreiben, grundsätzlich sinnvoll, sich sehr genau zu überlegen, wann und wo sie welche Inputs kaufen.

Der Einkauf sollte zudem über Ausschreibungen erfolgen. So sinnvoll es im Einzelfall ist, sich das Forschungs-Knowhow großer Konzerne auch für Fragen der kleinbäuerlichen Entwicklung zu Nutze zu machen, es sollte vermieden werden, auf diesem Wege die „Lieferbindung“ durch die Hintertür wieder einzuführen. EZ muss hier strikt wettbewerbsneutral agieren.

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Auch wenn die Studie in der Analyse deutliche Schwächen hat, ist den Schlussfolgerungen doch weitgehend zuzustimmen. So ist es insbesondere wichtig, dass die staatliche Regulierung der Agrarmärkte in Entwicklungsländern verbessert wird, wobei sich da vor Ort teilweise mehr tut, als in der deutschen Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

Richtig ist es auch, auf ein Empowerment von Kleinbauern zu setzen. Das muss auch überhaupt nicht im Gegensatz zu der Zusammenarbeit mit größeren Agrarunternehmen stehen. Strukturierte Vertragsbauernsysteme können die Organisation von Kleinbauern erleichtern. In der Sozialgeschichte der Industrieländer haben ja Gewerkschaften in größeren Unternehmen auch eine stärkere Rolle gespielt und dort i.d.R. Lohnniveaus durchgesetzt, die deutlich über dem von Kleinbetrieben liegen.

Für EZ und NGOs steht allerdings gleichermaßen noch die selbstkritische Befassung mit der Frage aus, warum so viele Millionen Fördergelder, die in das Empowerment kleinbäuerlicher Organisationen insbesondere in Afrika geflossen sind, in den Sand gesetzt wurden, und wie man das ändern kann. Das hat in dem meisten Fällen nichts mit Unterdrückung, sondern viel mit Missmanagement, Korruption, parteipolitischer Funktionalisierung etc. von Bauernorganisationen zu tun. Nicht wenige Agrarkonzerne wären gar nicht so unglücklich, gut organisierte, glaubwürdige und schlagkräftige Bauernorganisationen als stabile Verhandlungspartner zu haben.

Hinweis:
* Benjamin Luig, ‚Business Case‘ Hungerbekämpfung. Der fragwürdige Beitrag von Agribusiness und Nahrungsmittelindustrie zur Ernährungssicherung, 28 S., Forum Umwelt & Entwicklung: Berlin, Januar 2013. Bezug: als Printversion über www.forumue.de und als PDF-Download >>> hier.

Veröffentlicht: 1.3.2013

Empfohlene Zitierweise:
Roger Peltzer, Hungerbekämpfung: Ein Fall für das Agrobusiness, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 1. März 2013 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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