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Jim Kim ist ein sehr schwacher Präsident

Artikel-Nr.: DE20131212-Art.46-2013

Jim Kim ist ein sehr schwacher Präsident

Der Weltbank-Kritiker Bruce Rich im Gespräch

Vorab im Web – Vor über einem Jahr trat mit Jim Kim erstmals ein Nicht-Ökonom an die Spitze der Weltbank. Reformhoffnungen weckte dies vor allem auf Seiten von Nichtregierungsorganisationen, die den Arzt und Anthropologen Kim anfangs sogar als einen der Ihren ansahen. Doch inzwischen hat sich Ernüchterung breit gemacht. Das neue Buch des Weltbank-Kritikers Bruce Rich ist auch eine (vorläufige) Abrechnung mit Jim Kim. Rainer Falk traf Bruce Rich in Berlin.

Basierend auf seiner langjährigen Kenntnis der Weltbank und in Auswertung von hunderten von Fallstudien, internen und externen Reports und Evaluierungen entwirft Bruce Rich das Bild einer Bank, unter deren Projektpolitik immer noch Millionen von Menschen leiden. Die Hauptursache dafür sieht Rich in einer „dysfunktionalen institutionellen Kultur“ der Bank, die einen „Druck zum Geldverleihen“ erzeugt. Der Titel des Buches „Foreclosing the Future“ ist Programm: Mit Milliarden von US-Dollars trägt die Weltbank dazu bei, eine ökologisch und sozial gerechte Zukunft zu verbauen.

Sterben für Wachstum?

* Kim war ja in gewisser Weise ein Überraschungskandidat. Was hat sich geändert bei der Bank, seit Jim Kim ihr Präsident ist?
Sie haben Recht, dass das ein unerwarteter Kandidat war. Man sagt, dass es Hilary Clinton war, die ihn ausfindig gemacht hat. Seine Nominierung war etwas kontrovers, denn es gab einige Kandidaten aus Entwicklungsländern, z.B. eine Vertreterin des nigerianischen Establishments, die ein paar Jahre geschäftsführende Direktorin der Weltbank war. Kim dagegen hatte als Arzt eine wunderbare Arbeit geleistet – zusammen mit Paul Farmer, der vielleicht bekannter war und mit dem er die NGO „Partners in Health“ gründete.
Kim war auch der Autor eines Buchs, das im Jahre 2000 erschien und das den Titel „Dying for Growth“ („Sterben für Wachstum“) trug. Es enthielt eine beißende Kritik an der Weltbank und dem IWF, insbesondere an der Strukturanpassungspolitik unter dem sog. Washington Consensus, die vielerorts eine Katastrophe für das Gesundheitsweisen bedeutete. Kim kritisierte auch die Konzeption der Private-Public-Partnership und das gesamte Wachstumsmodell zugunsten der Multinationalen Konzerne usw. Es gab darin auch ein Kapitel über Peru, in dem Kim die Förderung des Bergbausektors durch die Weltbank und ihre Tochter, die International Finance Corporation (IFC) kritisierte, weil diese die Schwächung von Umweltstandards zu verantworten hatten.

* Als er sein Amt antrat, war er also eine Zielscheibe für die Rechte in den USA…
Nicht nur für die Rechte, die ja überhaupt nichts versteht von Entwicklungspolitik, sondern für das gesamte Entwicklungsestablishment und auch für die Regierungen aus dem Süden, z.B. die BRICS, ja selbst für die like-minded people der Entwicklungsgemeinde – auch die sagten, ihm fehle die Expertise…

● Kohlekraft statt erneuerbare Energie

* Und was hat er nun verändert, seit er im Amt ist?
Ich würde sagen, es ist viel weniger als alles, was man sich hätte vorstellen können. Er ist eine außerordentliche Enttäuschung. Er kam und gab wohlklingende Erklärungen ab, z.B. zur Entschlossenheit der Weltbank, die Armut auszurotten oder den Kampf gegen den Klimawandel zur Priorität zu machen. Auf der anderen Seite sendet er unterschiedliche Botschaften an unterschiedliche Zielgruppen. So erschien er 2012 vor der Brookings Institutions und wurde zur Finanzierung eines 600-Megawatt-Braunkohle-Kraftwerks im Kosovo, die sehr kontrovers war, befragt. Dabei hatte die Weltbank 2010/11 sehr lautstark verkündet, sie würde jetzt vorrangig in erneuerbare Energien und Energieeffizienz investieren. Und Berkeley-Professor Daniel Kammen, ein Spezialist für erneuerbare Energien, hatte gerade erklärt, dass es viel billiger wäre, die Energieeffizienz der bestehenden Systeme zu verbessern als ein neues Kraftwerk zu finanzieren. Dazu warteten Firmen darauf, Windparks mit einer Kapazität von 200 Megawatt zu errichten. Doch Kim antwortete, es gäbe einen Zielkonflikt zwischen Wachstum, Armutsbekämpfung und Klimaschutz, und deswegen müsse dieses Braunkohle-Kraftwerk finanziert werden. Das ist jedoch reine Demagogie und zeigt außerdem, wie schlecht er informiert war.

* Das betritt die Umwelt; doch wie steht es um die soziale Gerechtigkeit bei der Bank?
Lassen Sie mich noch ein Beispiel geben, was für ein Desaster und wie uninformiert er ist. 2012 machte er seine erste Auslandsreise nach Südafrika. Drei Wochen zuvor gab es dieses Massaker in einer großen, von der Weltbank bzw. der IFC finanzierten Platin-Mine namens Markana. Die IFC gab 200 Mio. Dollar und behauptete auf ihrer Website, das sei ein Modell für Soziale Unternehmensverantwortlichkeit. Die Benchmark Foundation des Südafrikanischen Kirchenrats besuchte die Mine und schilderte die katastrophalen Bedingungen dort.

Die IFC als Modell für die gesamte Bank

Die Bergarbeiter begannen einen Streik, doch die südafrikanische Polizei griff ein und erschoss 34 Streikende. Das war das schrecklichste Massaker südafrikanischer Behörden seit dem berüchtigten Sharpeville-Massaker 1960! Erzbischof Tutu sprach von einem Albtraum.

Doch eine Woche danach kam Herr Kim nach Südafrika und lobte die Rolle, die die IFC dort gespielt hatte und erklärte sie, die IFC, obendrein zum Modell für die gesamte Weltbank-Gruppe.

* Das sind sehr starke Beispiele. Aber vielleicht sollte man in Rechnung stellen, dass Kim in der Weltbank mit sehr starken institutionellen und verfestigten Hindernissen zu kämpfen hat. Sie selbst sprechen gerne vom „pressure to lend“, vom Druck, möglichst schnell viel Geld auszuleihen…
Natürlich, doch das Problem besteht hier darin, dass Kim so schwach und leider so schlecht informiert ist, so dass er oft als eine Marionette des Apparats erscheint. Seine Statements hören sich an, als wären sie von der Abteilung für externe Beziehungen verfasst. Und wenn er sagt, wir finanzieren ein Kohlekraftwerk im Kosovo, damit die Leute nicht frieren, dann ist das reine Demagogie. Wenn wir auf die Ära von James Wolfensohn zurückblicken, dann war der viel dynamischer, viel aggressiver – aus einer Reihe von Gründen hat er seine Ankündigungen auch nicht alle realisiert, aber in Sachen Korruption innerhalb der Bank hat er einiges bewegt, auch gegen die Opposition von Geber- und Nehmerländern, auch gegen deutsche Konzerne wie Siemens, die ihre Geschäfte mit Schmiergeldern machten.

● Hehre Worte – Versagen vor Ort

* Aber was Grundsatzdokumente betrifft, ist Kim doch ganz gut – nehmen Sie die Klimastudie „Turning the Heat“ – oder?
Im Bereich der politischen Dokumente war die Bank schon immer progressiver als in der Praxis – seit 20 Jahren schon. Aber es gibt eine große Kluft zwischen dieser Art von Dokumenten und der operativen Realität vor Ort. Das wurde immer wieder festgestellt, nicht nur von Kritikern wie mir, sondern von der eigenen Evaluierungseinheit der Weltbank.

* Also ist die neue Weltbank die alte…
Es ist eine grobe Vereinfachung zu sagen, dass es überhaupt keinen Wandel gibt. In Bezug auf ökologische und soziale Standards hat sich schon was geändert; sie wurden verfeinert und teilweise auch umgesetzt. Aber das nur durch externen Druck, ironischerweise vor allem aus den Geberländern. Es gibt unabhängige Instrumente, mit denen Rechenschaft eingefordert werden kann, z.B. den Inspection Panel oder den Ombudman bei der IFC. Ich konzediere das schon. Doch was wir in den letzten Jahren sehen, und unter Kim verstärkt sich das noch, ist eine Gegenreaktion der Weltbank-Bürokratie und teilweise auch der Mitgliedsländer, deren Anliegen hauptsächlich darin besteht, einfach mehr Geld hinaus zu pumpen. Das ist das grundlegende Problem.

Was mich darüber hinaus sehr besorgt, ist die neue Unternehmensstrategie, die die Weltbank auf ihrer letzten Jahrestagung im Oktober angekündigt hat. Sie sieht vor, Kleinprojekte hinter sich zu lassen und nur noch große Projekte mit hohem Risiko und hohen Gewinnen zu finanzieren, die sie „transformativ“ nennen und womit Beiträge des Privatsektors „gehebelt“ werden sollen. Das Modell für diese Strategie, die Deutschland übrigens unterstützt, ist die IFC, der Privatsektor-Arm der Weltbank. Dabei hat die eigene Evaluierungsabteilung der Bank selbst festgestellt, wie armselig die IFC-Perfomance in puncto Armutsbekämpfung, das übergeordnete Ziel der Weltbank, ist. Doch das neue Motto lautet: „IFC über alles“.

Hinweis:
* Bruce Rich: Foreclosing the Future: The World Bank and the Politics of Environmental Destruction, 321 pp, Island Press: Washington DC 2013. Bezug: Buchhandel

Veröffentlicht: 12.12.2013

Empfohlene Zitierweise:
Rainer Falk, Jim Kim ist ein sehr schwacher Präsident. Der Weltbank-Kritiker Bruce Rich im Gespräch, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 12. Dezemberr 2013 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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