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Verhandeln gegen Klimaverantwortung und G77

Artikel-Nr.: DE20131118-Art.40-2013

Verhandeln gegen Klimaverantwortung und G77

Die US-Strategie auf dem Klimagipfel

Nur im Web – Die Verhandlungsdelegation der USA auf der UN-Klimakonferenz in Polen drängt auf eine Agenda, in der die Rolle von „Loss and Damage“ unter der Klimarahmenkonvention minimiert, der privaten Finanzierung im Rahmen des Grünen Klimafonds der Vorrang gegeben und die Frist für die Festlegung der Reduktionsverpflichtungen für die Zeit nach 2020 hinausgezögert wird. Dies geht aus einem Papier zur Verhandlungsstrategie des State Department hervor, das Claudia Ciobanu von der Nachrichtenagentur IPS gesehen hat.

Das Dokument, das auf COP 19 in Warschau durchgesickert ist, entwirft die US-Verhandlungsstrategie für die Diplomaten der diversen Botschaften und stellt „Sprechzettel“ bereit, mit Hilfe derer diese ihre jeweiligen Länder bereits vor Verhandlungsbeginn bearbeiten sollten. Das Papier macht klar, dass die USA trotz progressiver Stellungnahmen von Präsident Barack Obama zu Klimafragen im letzten Jahr dem Abschluss eines internationalen Klimadeals weiterhin Steine in den Weg legen, indem sie starken Widerstand gegen das Konzept der historischen Verantwortung für den Emissionsausstoß ausüben und sich in den Hauptfragen, um die es geht, gegen die Entwicklungsländer positionieren.

Streitfrage Loss and Damage

COP 19 begann im Schatten des Taifuns Haiyan auf den Philippinen, der auf tragische Weise unterstrich, was ohnehin als ein Hauptpunkt in Warschau debattiert werden sollte: das Problem von „Loss and Damage“ (Verluste und Schäden), d.h. Hilfe für Länder, die bereits von den verheerenden Auswirkungen des Klimawandels getroffen werden (was weit über die bloße Anpassung an den Klimawandel hinausgeht). Loss and Damage (LD) ist ein relativ neuer Punkt auf der Agenda, und letztes Jahr auf COP 18 in Doha beschlossen die Verhandler, künftig einen Mechanismus für den Umgang damit zu schaffen.

Am 12. November reichten die Gruppe der 77+China (Entwicklungsländer) eine Vorlage mit ihrem Vorschlag für einen internationalen LD-Mechanismus unter der Klimarahmenkonvention ein, der nun die Grundlage für die künftigen Verhandlungen bildet. Doch nach Auffassung des US State Department sollte jegliche Arbeit zu LD in dem bereits existierenden Rahmen zum Umgang mit der Anpassung an den Klimawandel erfolgen und nicht im Rahmen einer dritten Säule (zusätzlich zu den beiden existierenden zu Minderung und Anpassung), wie es die Vorlage der G77+China fordert.

„Eine dritte Säule“, heißt es in der US-Position, „würde die UNFCCC dazu führen, mehr und mehr Schuld und Haftbarkeit in den Fokus zu rücken, was aus der Sicht der öffentlichen Unterstützung für die Konferenz konterproduktiv sein könnte. Wir sind sehr für die Schaffung eines institutionellen Arrangements zu Verlusten und Schäden, das unter dem Anpassungsstrang der Konvention angesiedelt wäre, statt einen dritten Handlungsstrang zu schaffen, der von Minderung und Anpassung getrennt wäre,“ heißt es in dem Dokument.

● Historische Verantwortung als Schreckgespenst

Die USA befürchten einen wachsenden „Fokus auf Haftbarkeit“ in den internationalen Klimaverhandlungen, weil das de facto zur Zugabe eine historischen Verantwortung der Industrieländer für die Emissionen und den Klimawandel führen würde und in der Folge auch zur Verpflichtung, entsprechend dieser Verantwortung einen Preis zu bezahlen.

Die Frage der historischen Verantwortung für die Emissionen war einer der Haupt-, wenn nicht der Hauptzankapfel auf mehreren COPs. Doch für die meisten Entwicklungsländer, die nach Warschau kamen, vor allem für die Kleinen Inselstaaten und die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs), ist solider Fortschritt bei Loss and Damage ein Kernpunkt ihrer Agenda. „Und wenn wir dabei gescheitert sind, die Ziele der Konvention zu erreichen (d.h. die Verhinderung des anthropogenen Klimawandels), dann müssen wir die Frage von Loss and Damage angehen“, sagte der Leiter der philippinischen Delegation, Yeb Sano, in seiner bewegenden Eingangsrede.

„Verlust und Schaden durch Klimawandel ist eine Realität überall auf der Welt. Die Emissionsreduktionsziele der Industrieländer sind gefährlich niedrig und müssen unverzüglich angehoben werden, doch selbst wenn sie auf der Linie der Forderung nach Reduzierung um 40-50% gegenüber dem Niveau von 1990 lägen, wären wir immer noch dem Klimawandel ausgesetzt und müssten die Frage von Verlust und Schaden angehen“, sagte Yeb.

„Verlust und Schaden haben sehr intensive Diskussionen ausgelöst“, sagte der chinesische Unterhändler Su Wie auf einem Briefing am 14. November. „Es wird ganz vom politischen Willen der Industrieländer abhängen, ob sie handeln und die Verantwortung für die Emissionen übernehmen, die sie in der Geschichte produziert haben.“

● Privatisierung des Grünen Klimafonds?

Was den Grünen Klimafonds (GCF) angeht, der die Entwicklungsländer in Bezug auf Minderung und Anpassung unterstützen sollte und bei dessen Ausgestaltung und Finanzierung Fortschritt in Warschau erwartet wird, heißt es in der US-Position: „Wir arbeiten auch daran, unsere Koordination im Rahmen des GCF-Rats zu intensivieren, um eine Institution zu gestalten, die private Investitionen viel effektiver hebeln könnte, als jeder andere multilaterale Klimafonds.“

Doch einige Entwicklungsländer sind extrem misstrauisch, wenn aus den von den Industrieländern versprochenen Hilfen private Investitionen statt Kredite und Zuschüsse werden sollen. „Schon auf dem von Polen organisierten Vorabgipfel waren eineinhalb von drei Tagen Konzernen gewidmet, die den Entwicklungsländern Technologien vorstellten, die sie zur Unterstützung von Minderungsbestrebungen kaufen könnten“, sagte Rene Orellana, der Leiter der bolivianischen Delegation, am ersten Tag der COP. „Die Verknüpfung der Märkte und der finanziellen Vorkehrungen unter der UNFCCC bedeutet, die Verantwortung der Industrieländer zu verwässern.“

● Reduktionsverpflichtungen nach 2020

Schließlich könnte die US-Position auch für die Europäischen Union zum Problem werden, weil sie in Bezug auf die Emissionsreduktion nach 2020 sagt: „Es gibt eine Divergenz (zwischen den Verhandlungsparteien) darüber, wann die Parteien ihre Verpflichtungen vorbringen und dem zeitlichen Abschluss des künftigen Abkommen, wobei die USA auf Anfang 2015 drängen, während die EU die Verpflichtungen im September 2014 auf dem Tisch haben will.“

COP 19 in Warschau soll die Verhandlungen an beiden Fronten voranbringen, sowohl was die Errichtung eines Mechanismus für die Emissionsreduktionen nach 2020 durch Länder überall auf dem Globus betrifft, als auch für die Anhebung der aktuellen Emissionsreduktionsziele der Industrieländer (die derzeitigen Ziele bis 2020 scheinen unzureichend zu sein, um das 2°-Ziel als maximale Temperatursteigerung noch zu erreichen).

Was die Emissionen für die Zeit nach 2020 betrifft, so zeichnet sich ein Konsens ab, dass die Länder ihre Emissionsverpflichtungen vor der COP 21 in Paris 2015 abgeben (wo ein neues Klimaabkommen unterzeichnet werden soll). Deren Angemessenheit würde dann im Lichte dessen eingeschätzt, was zur Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 2° Celsius notwendig ist.

Die Abgabe der Emissionsverpflichtungen auf Anfang 2015 zu verschieben, wofür die USA sind, würde bedeuten, dass weniger Zeit für die internationale Überprüfung der Verpflichtungen zur Verfügung stünde und diese vor allem nicht mehr auf COP 20 in Peru erfolgen könnte – ein Gastgeberland, das möglicherweise den Interessen der Entwicklungsländer mehr Raum geben würde.

In Reaktion auf das Durchsickern des Dokuments erklärte die US-Delegation in Warschau gegenüber der indischen Zeitung „The Hindu“: „Die US-Delegation ist entschlossen, ein ambitioniertes, effektives und arbeitsfähiges Ergebnis unter der UNFCCC und in Warschau zu erreichen, und unsere Positionen sind so angelegt, dieses Ziel zu fördern. Wir arbeiten mit allen Ländern bei der Findung von Lösungen zusammen, die den Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel neuen Schwung geben werden.“

© IPS

Veröffentlicht: 18.11.2013

Empfohlene Zitierweise:
Claudia Ciobanu, Verhandeln gegen Klimaverantwortung und G77. Die US-Strategie auf dem Klimagipfel, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 18. November 2013 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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