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BRICS-Institute versus IWF und Weltbank

Artikel-Nr.: DE20140721-Art.25-2014

BRICS-Institute versus IWF und Weltbank

Segensreiche Konkurrenz

Nur im Web – Während der asiatischen Finanzkrise 1997/98, als Länder mit mittlerem Einkommen von umfangreichen Kapitalabflüssen hart getroffen wurden, unternahmen China, Japan, Taiwan und andere den Versuch, einen Asiatischen Währungsfonds zu schaffen, der Zahlungsbilanzhilfe anbieten sollte. Damals legte Washington sein Veto ein. Doch die Welt hat sich in den letzten 15 Jahren stark verändert. Von Mark Weisbrot.

Die USA bestanden darauf, dass jegliche Hilfe über den Internationalen Währungsfonds laufen sollte. Das Ergebnis war katastrophal und bestand u.a. in einer unnötig tiefen Rezession in der Region, da der IWF als „lender of last resort“ versagte und obendrein alle möglichen schädlichen und unnötigen Konditionen an seine Kredite knüpfte.

Wendepunkt im internationalen Finanzsystem

Mitte Juli 2014 beschlossen die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika), einen eigenen Währungsfonds (das „Contingent Reserve Arrangement“ – CRA) und die Neue Entwicklungsbank (NDB) zu schaffen, und diesmal können die Vereinigten Staaten kein Veto einlegen. Diese neuen Institutionen markieren einen Wendepunkt für das internationale Finanzsystem.

Die Reaktion der westlichen Medien auf diese Ereignisse war zumeist geringschätzig, doch darin spiegelt sich vorrangig die Sorge Washingtons und seiner Verbündeten wider. Sie hatten 70 Jahre lang die unumschränkte Herrschaft über die Entscheidungsprozesse der globalen finanziellen Governance, und das Letzte, was sie wollen, ist Konkurrenz. Doch Konkurrenz ist genau das, was die Welt hier braucht.

IMF und Weltbank wurden 1944 gegründet, als die Vereinigten Staaten so ziemlich die einzige intakte Industrienation der Welt waren. Die beiden Institutionen spiegelten diese unipolare Realität wider. Heute kontrolliert Washington die Institutionen noch immer – in untergeordneter Partnerschaft mit einer Handvoll reicher Verbündeter; gleiches gilt für die G7, die G8 und die G20. In den letzten Jahren wurde die Eurozone zum größten Empfänger von IWF-Krediten, die europäischen Direktoren hatten natürlich maßgeblichen Einfluss auf die Politik in dieser Region, doch immer noch hat die gleiche Gruppe von Ländern das Sagen. Und sogar in der Welthandelsorganisation, die 1995 gebildet wurde und in der es einen anderen, konsensualen Entscheidungsprozess gibt, wurden die maßgeblichen Regeln von den reichen Ländern – und in diesem Fall besonders von ihren Konzernen – geschrieben.

Jahrzehntelang wurde versucht, der Mehrheit der Nationen der Welt eine Stimme im IWF und der Weltbank zu verschaffen, doch der Fortschritt war bestenfalls rudimentär. Die BRICS-Länder vereinigen mehr als 40% der Weltbevölkerung auf sich, und China ist jetzt die größte Volkswirtschaft der Welt, aber sie haben in beiden Institutionen fast keine Stimme. Zu sagen dass eine Alternative lange überfällig ist, ist eine Untertreibung.

● Abstimmung mit den Füßen

Die BRICS-NDB hat die meiste Aufmerksamkeit erhalten, doch der 100 Mrd. Dollar schwere Währungsreservefonds könnte sich als der wichtigere Durchbruch erweisen. Für die meisten Länder gehören die Zahlungsbilanzprobleme zu den größten Zwängen und Quellen potentieller Instabilität. Sie brauchen genügend Dollar oder andere Hartwährungen, um Importe zu finanzieren und genug internationale Reserven, um sich gegen panische Kapitalflucht aus ihren Währungen zu versichern. Sonst können ihre Volkwirtschaften leicht in eine Krise, eine Rezession oder andere verheerende Ungleichgewichte geraten. Der größte Schaden im Gefolge der Asienkrise hätte durch rechtzeitige Zahlungsbilanzhilfe verhindert werden können.

Gleichwohl bestehen die schädlichen, an IWF-Kredite geknüpften makroökonomischen Bedingungen fort. Man betrachte nur den Fall Ukraine, wo die Wirtschaft in diesem Jahr um 5% schrumpft und der IWF eine Austerität vorschreibt, die die Rezession verlängern und möglicherweise noch vertiefen wird. Eine Untersuchung der IWF-Politik während der globalen Rezession von 2009 ergab, dass 31 von 41 Ländern mit IWF-Abkommen einer prozyklischen makroökonomischen Politik unterworfen waren, d.h. einer Politik, die erwartungsgemäß den wirtschaftlichen Abschwung verschärft und die Erholung behindert. Und obwohl der IWF nur der Juniorpartner in der Troika mit der Europäischen Zentralbank und der Europäischen Kommission ist, haben diese zusammen Europa jahrelang und unnötigerweise in der Rezessen gehalten, der kollektiven Strafe der Massenarbeitslosigkeit ausgesetzt und so auch einem großen Teil der Weltwirtschaft geschadet, einschließlich den BRICS und anderen Entwicklungsländern.

Das Abfallen der BRICS ist Teil eines Prozesses, der jetzt schon 15 Jahre lang stattfindet und in dem Länder mit mittlerem Einkommen genügend Reserven akkumuliert haben, um mit den Füßen abzustimmen und den Bannkreis des IWF zu verlassen. Obwohl die meisten Ökonomen und auch die wichtigsten Medien dies ignoriert haben, ist der Einflussverlust des IWF auf die Wirtschaftspolitik der meisten Länder mit mittlerem Einkommen eine der wichtigsten Entwicklungen im internationalen Finanzsystem der letzten 50 Jahre. Dies hat mit ziemlicher Sicherheit zur Wiederkehr wirtschaftlichen Wachstums in den meisten Entwicklungsländern während der letzten Dekade beigetragen. Dies geht nicht zufällig einher mit dem großen Einflussverlust der US-Regierung, die das IWF-Gläubigerkartell traditionellerweise für die eigenen imperialen Zwecke genutzt hat.

● Neuer Fonds mit positivem Potential

Das neue CRA der BRICS hat das Potential, nicht nur das Muster der US-EU-Dominanz in der Weltwirtschaft zu brechen, sondern auch der schädlichen Konditionen, die typischerweise an die Zahlungsbilanzhilfe geknüpft sind. Es könnte sich in den nächsten Jahren als sehr wichtig erweisen: Viel Kapital ist in Regierungsanleihen der Schwellenländer geflossen, da die kurzfristigen Zinssätze der FED über fünf Jahre lang bei fast Null lagen. Ein großer Teil davon könnte wieder abfließen, wenn sich die FED zur Anhebung der Zinssätze entschließt. Solche Zinssprünge waren ein Hauptgrund für die mexikanische Pesokrise in 1995 und trafen einige Jahre später auch andere Länder wie Brasilien und Argentinien.

Die BRICS-Staaten haben angekündigt, dass sie offen auch für die Mitgliedschaft anderer Länder sind. China verfügt über Reserven von rund 4 Billionen US-Dollar. Somit hat es das Potential, weit mehr beizutragen und wird dies wahrscheinlich auch tun, da die in US-Schatzbriefen angelegten Reserven wahrscheinlich an Wert verlieren werden. Es ist noch nicht klar, wie schnell dieser neue Fonds errichtet werden und funktionieren wird oder wie groß und inklusiv er sein wird. Aber das positive Potential für die Weltwirtschaft ist sehr groß.

Dr. Mark Weisbrot ist Ko-Direktor des Center for Economic and Policy Research (CEPR), Washington DC. Sein Kommentar erschien zuerst bei Al Jazeera.

Posted: 21.7.2014

Empfohlene Zitierweise:
Mark Weisbrot, BRICS-Institute versus IWF und Weltbank. Segensreiche Konkurrenz, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 21. Juli 2014 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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