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Kampf ums Klima und die Atmosphäre in Lima

Artikel-Nr.: DE20141208-Art.42-2014

Kampf ums Klima und die Atmosphäre in Lima

Die Sicht des Südens

Nur im Web - Da ist er wieder, der alljährliche Kampf ums Klima zum Jahresende. Der Schauplatz, auf dem alte Schlachten erneut geschlagen werden, ist diesmal in Peru. Immer noch geht es um die Frage, wie und zwischen wem die Lasten des Kampfes gegen den Klimawandel fair geteilt werden. Aus Lima berichtet Martin Khor.

Wie immer um diese Jahreszeit versammeln sich die 192 Mitgliedsländer der Vereinten Nationen und tausende von Menschen, um zu diskutieren, was gegen den Klimawandel getan werden kann. Die diesjährige Klimakonferenz tagt in Lima, der Hauptstadt Perus. Es ist ein passender Tagungsort: Das Land ist Heimstatt für 51 indigene Völker, die 45% der 30 Millionen starken Bevölkerung stellen.

● Ein passender Tagungsort

Zur Zeit der spanischen Invasion um das Jahr 1500 herum dominierten die Inkas in den Anden und unterhielten eine entwickelte Zivilisation mit Städten, Tempeln und Bauten in den Bergen, die heute noch ein Juwel darstellen, verkörpert in der berühmten antiken Stadt Machu Picchu, das Legionen von Besuchern bewundern. Unglücklicherweise starben viele einheimische Menschen nach der spanischen Eroberung an Krankheiten, die die Invasoren eingeschleppt hatten, in den Kämpfen oder an der schlechten Behandlung durch die Eroberer.

Peru ist auch als Ursprungsland der Kartoffel berühmt. Es war hier, wo lokale Gemeinschaften vor tausenden von Jahren diese Frucht züchteten, die heute Grundnahrungsmittel in weiten Teilen der Welt ist. Geografisch ist Peru also wirklich ein geeignetes Gastgeberland für die Konferenz.

Die erste Woche dieses zweiwöchigen Ereignisses ist bereits vorbei und demonstrierte die Schwierigkeiten bei der Suche nach Lösungen für die vielleicht größte Bedrohung des menschlichen Überlebens. Die Atmosphäre unseres Planeten kann nur noch weitere 1.000 Mrd. Tonnen CO2 absorbieren, wenn wir eine Erwärmung von mehr 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau vermeiden wollen. Doch die globalen Emissionen belaufen sich auf rund 50 Mrd. Tonnen pro Jahr, und in 20-25 Jahren wird der „Atmosphären-Raum“, der für die Absorption von Treibhausgasen zur Verfügung steht, erschöpft sein.

● Zankapfel Atmosphären-Raum

Wie dieser Atmosphären-Raum fair geteilt wird, vor allem zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, ist das Kernthema in Lima. Und das wird das Hauptthema bleiben, bis ein neues Klimaabkommen hoffentlich ein Jahr später in Paris geschlossen werden kann.

Die Delegierten aus den Entwicklungsländern befürchten zunehmend, dass die Industrieländer versuchen, sich aus ihrer vormals beschlossenen Rolle zu verabschieden, in der sie Emissionen schnell und deutlich zu kürzen und Finanzmittel und Technologie für die Entwicklungsländer zur Verfügung zu stellen hatten, um deren Handeln gegen den Klimawandel zu unterstützen.

Die Vereinigten Staaten haben zugesagt, ihre Emissionen gegenüber 1990 um 6% bis 2020 und rund 15% bis 2025 zu kürzen – bei weitem weniger als die 20-40% (bis 2020), die die Wissenschaftler des Internationalen Panels zum Klimawandel (IPCC) für Industrieländer für notwendig halten. Japan, Kanada, Russland und Australien haben mitgeteilt, dass Klimapolitik in ihrer nationalen Agenda keine vorrangige Rolle mehr spielt. Selbst die Europäische Union, der gewöhnlich eine führende Rolle im Klimaschutz zukam, hat nachgelassen und weniger ambitionierte Ziele präsentiert.

Die reichen Länder haben darüber hinaus 10 Mrd. US-Dollar für den Grünen Klimafonds zugesagt, der den Entwicklungsländern helfen soll. Dies bezieht sich indessen auf vier Jahre, so dass pro Jahr nur 2,5 Mrd. Dollar zur Verfügung stehen. Obwohl es noch andere Fonds und Kanäle gibt, bleibt alles dies weit unter den 100 Mrd. Dollar pro Jahr, die einmal für den Klimaschutz im Süden mobilisiert werden sollten.

● Nord contra Süd

Unterdessen machen die Industrieländer in Lima viele Vorschläge, um den Entwicklungsländern mit mittlerem Einkommen mehr Verpflichtungen aufzuerlegen, beispielsweise:
* Abkehr von differenzierten klimapolitischen Verpflichtungen von Industrie- und Entwicklungsländern;
* Beseitigung der Verknüpfung zwischen dem Handeln der Entwicklungsländer und der finanziellen und technologischen Unterstützung, die sie von den Industrieländern bekommen;
* Einführung des Konzepts, dass „major economies“ und „emerging economies“ gleichermaßen wie Industrieländer behandelt werden sollten, wenn es um Reduktionsverpflichtung und sogar um die Verfügungstellung von Finanzen für die armen Länder geht; und
* Beseitigung und Verwässerung der Bezugnahme auf die “gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten” und die Gerechtigkeit („equity“), was Kernprinzipien der Klimakonvention sind.

Wenn diese Versuche Erfolg hätten, würden sie die Hauptmerkmale der derzeit ausgewogenen Konvention unterminieren und den Weg für ein neues Abkommen in 2015 pflastern, das unfair gegenüber den Entwicklungsländern wäre.

Hartnäckige Entwicklungsländer

Die Entwicklungsländer verteidigen indessen beherzt ihre Interessen. Die meisten lehnen es ab, die Nord-Süd-Unterscheidung bei Verpflichtungen zu beseitigen, insistieren auf den Gerechtigkeitsprinzipien und kämpfen darum, dass finanzielle Mittel für Minderung, Anpassung und Loss and Damage (durch den Klimawandel verursachte Verluste und Schäden etwa durch Stürme und Starkregen) in die Entwicklungsländer fließen.

Ein Highlight der ersten Verhandlungswoche war der Kampf um die Modalitäten der Entscheidungsfindung. Die Ko-Vorsitzenden der wichtigsten Gruppe, der sog. Durban Platform, die das neue Abkommen für 2015 aushandelt, bestanden nun schon seit Monaten darauf, dass sie es sind, die die Texte der Entscheidungen zu Papier bringen, die die Konferenz annehmen soll. Viele Entwicklungsländer waren aufgebracht, weil ihre Standpunkte nur schwach oder überhaupt nicht in die Entwürfe der Ko-Vorsitzenden eingingen. Sie unterbrachen deshalb die Diskussion und bestanden darauf, dass die Vorschläge und Texte der Länder auf den Bildschirmen im Raum zur Verfügung gestellt und auch in ein Papier einfließen müssten, das die Grundlage für detaillierte Verhandlungen über die Endergebnisse bilden sollte.

Angesichts dieser „Rebellion“ mussten die Ko-Vorsitzenden zögerlich der Veränderung der Verhandlungsmethode zustimmen. Die neue Methode sieht vor, allen Ländern mehr Mitbestimmung bei den Entscheidungen einzuräumen, wie es normalerweise bei UN-Konferenzen der Fall ist. Doch es war ein Sieg in einem Kampf, den es hätte gar nicht geben dürfen. Wie mir ein Delegierter sagte: „Wir mussten so hart kämpfen, nur damit die Verhandlungen auf normale Weise stattfinden können!“

In der zweiten Lima-Woche werden sich die Verhandlungen stark intensivieren, da dann die Minister anreisen. Dies und die Notwendigkeit, Ergebnisse zu formulieren, werden die Diskussionen politisieren. Der Klimawandel bleibt eine harte Nuss, die nur schwer geknackt werden kann. Und was da in Lima stattfindet, bestätigt dies.

Martin Khor ist Direktor des South Centres in Genf. Sein Kolumne erscheint regelmäßig an dieser Stelle.

Posted: 8.12.2014

Empfohlene Zitierweise:
Martin Khor, Kampf ums Klima und die Atmosphäre in Lima, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 8. Dezember 2014 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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