Der Fachinformationsdienst für Globalisierung, Nord-Süd-Politik und internationale Ökologie
en

Was suchen Sie?

Weltreservewährung US-Dollar: Wie lange noch?

Artikel-Nr.: DE20140830-Art.29-2014

Weltreservewährung US-Dollar: Wie lange noch?

Sanktionen als zweischneidiges Schwert

Nur im Web – Der Einsatz von Sanktionen als internationale Keule wird schon länger durch einige unangenehme und unbeabsichtigte Konsequenzen verkompliziert. Für die USA und die Weltwirtschaft könnte eine Konsequenz besonders gravierend werden: Die jüngsten Ukraine-Sanktionen gegen Moskau könnten für Washington nach hinten losgehen, indem sie die Bewegung weg vom Dollar als Weltreservewährung beschleunigen, schreibt Conn Hallinan.

Während die amerikanischen Aktionen gegen die russische Öl- und Gasindustrie Moskau kurzfristige ökonomisch schmerzen werden, könnte die US-Regierung langfristige etwas von ihrer Kontrolle über die internationalen Finanzen verlieren. Vorschläge zur Abkehr vom Dollar als der internationalen Währungsreserve sind alles andere als neu.

● Eine Welt jenseits von IWF und Weltbank

Schon 2009 schlug die Shanghai Cooperation Organization (SCO) genau das vor. Zu den SCO-Mitgliedern zählen Russland, China, Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan und Usbekistan. Afghanistan, der Iran, Indien, Pakistan und die Mongolei haben in der SCO Beobachterstatus, und die Organisation hat enge Beziehungen zur Türkei und zur Assoziation Südostasiatischer Nationen (ASEAN).

Seit der Bretton-Woods-Konferenz von 1944 (W&E-Hintergrund August 2014) wurden die Weltfinanzen durch den US-Dollar, den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Weltbank dominiert. Doch folgt man dem Ökonom Jeffrey Sachs, verliert diese Welt an Kraft. Der Dollar wird diese führende Rolle nicht aufrecht erhalten können, da „die Rolle der Vereinigten Staaten in der globalen Wirtschaft abnimmt“.

Doch trotz dieser Schwächung kontrollieren die USA und ihre europäischen Verbündeten immer noch das internationale Finanzsystem. Zum Beispiel beläuft sich die Anteil der USA am globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf 19,2%, ihr Stimmenanteil im IWF liegt bei 16,8%. Im Gegensatz dazu hat China mit einem Anteil von 16% am globalen BIP nur 3,8% der Stimmrechte im IWF. Die Führung der Organisation ist für einen Europäer reserviert.

2010 „reformierte“ die Weltbank ihr Stimmrechtssystem durch die Anhebung der Stimmrechte der Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen von 34,67 auf 38,38%, obwohl selbst diese mäßige Anpassung nicht in Kraft trat, weil der US-Senat nicht zustimmte. Die wohlhabenden Länder kontrollieren mehr als 60% der Stimmen, und Präsident der Weltbank ist normalerweise ein Amerikaner.

Anfang August diesen Jahres starteten die BRICS-Länder – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – eine Reihe von Initiativen, die die derzeitige Struktur des internationalen Finanzsystems ändern sollen. Neben dem Druck für die Entthronisierung des Dollars als Weltreservewährung schufen sie eine neue Entwicklungsbank und einen Währungsfonds, genannt „Contingent Reserve Arrangement“ (CRA). Die Entwicklungsbank könnte es Ländern ermöglichen, die Weltbank und den IWF mit ihrer strikten Austeritätsfixierung zu umgehen, während das CRA den Ländern im Notfall Zugang zu ausländischer Währung geben könnte.

Die Entwicklungsbank wird anfangs 50 Mrd. Dollar Startkapital haben, das dann schnell verdoppelt werden soll. Die BRICS werden darüber hinaus 100 Mrd. Dollar unter dem CRA borgen können. Während das nach internationalen Standards bescheidene Summen sind – allein der IWF hat fast 800 Mrd. Dollar in seiner Kasse – haben die BRICS-Bank und das CRA gerade mal fünf Mitglieder, während der IWF hunderte von Ländern bedient. Unter Umständen wird es BRICS-Länder mit Beobachterstatus geben, die dann ebenfalls auf diese Fonds zugreifen können.

● Sanktionen können enormen Schaden anrichten

Die Sanktionen vom letzten Juli zielten direkt auf eine Schlagader Russlands: die Entwicklung seiner massiven Öl- und Gasreserven und den Bau der sog. South Stream-Pipeline. Nach ihrer Fertigstellung wird South Stream Europa mit 15% seines Naturgas-Bedarfs beliefern und über 20 Mrd. Dollar Profite pro Jahr erwirtschaften. Tatsächlich hegen einige Europäer den Verdacht, dass das wirkliche Ziel der Sanktionen darin besteht, South Stream zu vernichten und es durch schieferbasiertes amerikanisches Öl und Gas zu ersetzen.

Sanktionen können enormen Schaden anrichten. Die Vereinten Nationen schätzten, dass die Sanktionen gegen den Irak zwischen 1991 und 1998 verantwortlich für den Tod von rund 500.000 irakischen Kindern waren. Die Sanktionen gegen die irakische Öl- und Gasindustrie haben die Regierungseinnahmen stark beeinträchtigt – 80% der ausländischen Deviseneinnahmen werden durch diese Sektoren generiert – und hatten weit verbreitete Inflation, Arbeitslosigkeit und eine ernste Krise des nationalen Gesundheitssystems zur Folge. Auch wenn humanitäre Güter nicht unter Embargo standen, haben ihre gestiegenen Kosten dazu geführt, dass viele Iraker nicht mehr ausreichend medizinisch versorgt werden konnten.

Der Ausschluss des Iran aus dem SWIFT-System (“Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication”) macht es unmöglich, Finanzmittel auf elektronischem Weg zu überweisen. Das wiederum verteuert den Kauf von Rohstoffen, die für die Produktion generischer Medikamente notwendig sind.

Der kürzliche Absturz einer iranischen Passagiermaschine, bei dem 39 Menschen den Tod fanden, war teilweise das Ergebnis der Sanktionen. Weil Iran keine Ersatzteile für seine Boeing- und Airbus-Flugzeuge kaufen kann, ist es gezwungen, auf Alternativen zurückzugreifen, wie etwa das problematische, in der Ukraine hergestellte Flugzeug A-140, das am 10. August abstürzte. Ein anderes A-140-Flugzeug stürzte schon 2002 ab, wobei 46 Passagiere ums Leben kamen.

● Währungskrieg

Kurzum, die Opposition gegen die USA und ihre Verbündeten kann für deine Gesundheit gefährlich werden. Es gibt daher eine wachsende Opposition gegen den verbreiteten Einsatz von Sanktionen, ebenso wie gegen den Versuch, Länder zu isolieren und sie über den Ausschluss von Instrumenten wie SWIFT aus dem internationalen Finanzsystem auszuschließen. Einher geht damit der Verdacht, die USA nutzten ihre Währung zur Unterstützung der eigenen Ökonomie auf Kosten anderer.

Nach der globalen Finanzkrise 2007/2008 beispielsweise senkte die US-Zentralbank ihre Zinssätze, erhöhte das Geldangebot und machte so die US-Exporte billiger und die Importe anderer Länder teurer. Entwicklungsländer haben diese Politik der künstlichen Währungsaufwertung und die damit einhergehende Schädigung ihrer exportorientierten Ökonomien beklagt. Der brasilianische Finanzminister sprach in diesem Zusammenhang von „Währungskrieg“.

Wenn die USA jetzt ihre Zinssätze wieder erhöhen und die Politik der Anleiheaufkäufe zurückfahren, befürchten viele Entwicklungsländer, dass das internationale Kapital wieder in die USA zurück fließt und Länder wie Brasilien im Regen stehen und allein gelassen werden.

● Handel ohne Washingtons Währung

Solange der Dollar die Weltreservewährung ist, werden die USA in der Lage sein, die globalen Finanzen zu manipulieren und Länder wie Iran aus Dollartransaktionen auszuschließen. Doch diese Situation könnte zu einem Ende kommen. Nachdem China inzwischen an die Stelle der USA als größte Ökonomie der Welt getreten ist, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Renminbi – oder eine andere international anerkannte Währungseinheit – den Dollar ersetzt.

China schickt sich bereits heute an, New York als das Finanzzentrum der Welt zu umgehen, und seine Finanzen stattdessen über Hongkong und London zu leiten. „Es kann angesichts dieser Aktionen kein Zweifel bestehen, dass sich China auf den Niedergang des Dollar vorbereitet, zumindest in seiner Rolle als Weltreservewährung“, sagt Alasdair Macleod von GoldMoney, einem führenden Händler von Edelmetallen.

Eine Reihe von Ländern handelt bereits in anderen Währungen. Australische Bergbaukonzerne beispielsweise sind kürzlich zur Nutzung des chinesischen Renminbi übergegangen. Wie der Verzicht auf den Dollar die Vereinigten Staaten betreffen wird, ist nicht klar, und Vorhersagen der Konsequenzen reichen von gering bis katastrophal. Was aber fast sicher ist: Die USA werden einiges an Gewicht im internationalen Finanzsystem verlieren, und für Entwicklungsländer wird es einfacher werden, vom amerikanischen Wirtschaftsmodell der weit offenen Märkte, der fiskalischen Austerität und der Feindschaft gegenüber jeglicher Rolle des Staates in der Wirtschaft abzugehen.

Eine schwächere Rolle des Dollar wird auch die Anwendung von Sanktionen erschweren, vor allem in den Bereichen, in denen sich die Politik Washingtons zunehmend von der Weltmeinung entfremdet hat, etwa im Iran, Kuba und Russland. Die Europäische Union hat wegen der Ukraine ebenfalls Sanktionen gegen Russland verhängt, aber nicht so weitreichende wie die USA. Der EU-Handel mit Russland spielt für Europas Wirtschaft eine entscheidende Rolle, während der Russland-Handel für die USA von geringer Bedeutung ist. Und die BRICS, die fast ein Viertel des Welt-BIPs und 40% der Weltbevölkerung repräsentieren, haben sich den Sanktionen erst gar nicht angeschlossen.

In seiner Rede an die BRICS-Vertreter in Fortaleza/Brasilien sagte der russische Präsident Wladimir Putin, das „wir gemeinsam über ein System von Maßnahmen nachdenken sollten, das die Schickanierung von Ländern verhindern würde, die mit einigen außenpolitischen Entscheidungen der USA und ihrer Verbündeten nicht übereinstimmen“.

Langfristig dürfte es die EU bedauern, in dieser Frage mit Washington gegangen zu sein. Die deutsche Industrie treffen die Sanktionen heute schon hart – der Handel mit Russland fiel zwischen Januar und Mai um 20%. Und Russlands Einfuhrverbot für EU-Agrarprodukte schmerzt Polen, Litauen, Deutschland, Lettland, Finnland und die Niederlande. In der Tat hat EZB-Präsident Mario Draghi davor gewarnt, dass die derzeitige wirtschaftliche Erholung in der EU extrem zerbrechlich ist und dass die Sanktionen sie in die Rezession zurücktreiben könnten. Die Deutschen besorgt besonders, dass sich Russland Asien zuwenden wird und Berlin mehr und mehr aus dem wirtschaftlichen Aktionsradius Russlands ausgeschlossen werden könnte.

Conn Hallinan ist Kolumnist bei Foreign Policy In Focus, wo der Text zuerst erschien.

Posted: 31.8.2014

Empfohlene Zitierweise:
Conn Hallinan, Weltreservewährung US-Dollar: Wie lange noch? Sanktionen als zweischneidiges Schwert, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 31. August 2014 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

© Dieser Beitrag ist urheberrechtlich geschützt. Die Vervielfältigung von Informationen oder Daten, insbesondere die Verwendung von Texten, Textteilen oder Bildmaterial bedarf der vorherigen Zustimmung der W&E-Redaktion.