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Die Neuerfindung des Kapitalismus

Artikel-Nr.: DE20150304-Art.07-2015

Die Neuerfindung des Kapitalismus

Vorabdruck: Die Emanzipation des Südens (II)

Die Unterschiede zwischen den Wirtschaftssystemen der aufsteigenden Ökonomien des Südens und dem europäisch/nordamerikanischen ‚Modell‘ sind nicht bloß Relikte der ‚traditionellen‘, vorkapitalistischen Gesellschaftsformationen, die früher oder später europäischen Verhältnissen (der ‚Moderne‘) Platz machen werden, sondern eigenständige Formen eines Kapitalismus, der sich von der europäischen Form emanzipiert hat und jeweils neu ‚erfunden‘ wird. Von Jörg Goldberg.*)

Die ‚traditionellen‘ gesellschaftlichen Formen werden dabei verändert und den kapitalistischen Produktionsverhältnissen subsumiert, aber eben innerhalb ihrer eigenen Logik, ohne das europäischen Vorbild zu kopieren. Dies schließt das ‚Lernen‘ der ‚Nachzügler‘ von den ‚Fortgeschrittenen‘ nicht aus. Die Durchsetzung der zentralen regulierenden Prinzipien des Kapitalismus prägt die unterschiedlichen Gesellschaften in jeweils unterschiedlicher Weise und bringt Gesellschaftsformationen hervor, die trotz ihres kapitalistischen Charakters jeweils eigene Züge aufweisen, in Abhängigkeit vom jeweiligen historischen/lokalen Milieu, in dem sich die kapitalistische Produktionsweise durchsetzt, aber auch in Abhängigkeit von der unterschiedlichen Intensität der europäischen (kolonialen und neokolonialen) Einflüsse.

Für die Analyse der drei gewählten Länder/Großregionen (China, Afrika, Lateinamerika; d.Red.) sollen vier unterschiedliche Komplexe von Einflussfaktoren betrachtet werden, die jeweils unterschiedliche Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung in den betrachteten Beispielen besitzen. Zwar wurde die kapitalistische Entwicklung im Süden in unterschiedlicher Weise von ‚außen‘, d.h. durch den Expansionsdrang des europäischen Kapitalismus, beeinflusst, prägender aber sind die endogenen Faktoren. Diese haben sich aber teilweise auch erst aus der spezifischen Verbindung zwischen äußeren Einflüssen (kapitalistisch, proto-kapitalistisch oder spätfeudal) und den endogenen Institutionen neu formiert.

● Die (relative) Bedeutung der europäischen Expansion

Erstens – In den meisten Fällen traf der expandierende europäische Kapitalismus auf historisch gewachsene, eigenständige Gesellschaften, die zudem oft schon in einem mehr oder weniger intensiven Austausch untereinander und/oder mit Ländern des Westens gestanden hatten. Die europäisch-kapitalistische Expansion berührte diese Gesellschaften in der Regel (mit Ausnahme der ‚Neuen Welt‘) zunächst nur partiell, sie funktionierten meist weiter im Rahmen ihrer eigenen Produktionsweisen und gesellschaftlichen Verhältnisse.

Teilweise waren die jeweils herrschenden Gruppen bemüht, die sich aus dem intensivierten Kontakt mit den kapitalistischen oder proto-kapitalistischen Ländern ergebenden wirtschaftlichen und politischen Möglichkeiten aktiv zu nutzen, was teilweise eine Anpassung der endogenen Institutionen erforderlich machte. Dieser Mechanismus wirkte auch dort, wo der eindringende Westen bemüht war, lokale Strukturen zu zerschlagen.

In den meisten Fällen aber war das expandierende westliche Kapital daran interessiert, die Funktionsfähigkeit der angetroffenen Gesellschaften aufrecht zu erhalten. Auch war die Überlegenheit der europäischen Eroberer keinesfalls überall eine von Anfang an ausgemachte Sache. Es wird in den folgenden Kapiteln zu zeigen sein, dass die endogenen Institutionen der kolonial oder halbkolonial durchdrungenen Länder in den meisten Fällen stabil und anpassungsfähig blieben, dass die heutigen Gesellschaften oft (nicht immer) stärker von den historisch geprägten Institutionen beeinflusst sind als von der europäischen Expansion.

Die Länder des Südens waren niemals – wie sowohl Modernisierungs- wie Dependenztheorien unterstellen – lediglich passive, abhängige Empfänger westlicher Einflüsse (ob man diese nun als modernisierungspolitisch-segensreich oder als dependenztheoretisch-zerstörerisch beschreibt). Prägender als die Übernahme bzw. Nachahmung europäischer Institutionen einerseits und der antikoloniale Widerstand andererseits waren die Versuche, die Weltmarkteinflüsse in die lokalen Produktionsverhältnisse zu integrieren und im eigenen Interesse zu nutzen. Dazu wurden die endogenen Institutionen und Organisationen meist flexibel angepasst, aber selten ganz aufgegeben. Es geht also in diesem Punkt vor allem darum, die Wechselwirkung zwischen kapitalistischer Dynamik und den historisch gewachsenen gesellschaftlichen Institutionen zu untersuchen.

● Die Artikulation der Produktionsweisen

Zweitens – Das durch den spezifisch kapitalistischen Akkumulations- und
Expansionszwang, dem ersten regulierenden Prinzip der kapitalistischen Produktionsweise, angetriebene Eindringen in die Länder des Südens hatte zunächst drei relativ begrenzte ökonomische Ziele, bei jeweils unterschiedlicher Priorität: Erschließung neuer Absatzmärkte, Beschaffung von Rohstoffen und Finanzierung der Expansion selbst, d. h. die Gewährleistung von Sicherheit. Die völlige Unterwerfung und Umgestaltung bzw. Vernichtung der betreffenden Gesellschaften war zunächst selten beabsichtigt. Es ist daher kein Zufall, dass die europäische Expansion anfangs fast überall eine Angelegenheit von privaten Unternehmen oder Einzelpersonen war – die Figur der privaten „Chartered Company“ oder auch des auf eigene Rechnung arbeitenden Abenteurers stand fast überall am Beginn.

Diese Rechnung ging aber selten auf, vor allem musste die ausländische Konkurrenz ausgeschaltet werden (sowohl die einheimischer Geschäftsleute wie die anderer Europäer), lokale Herrscher, die die europäischen Geschäftsleute behinderten, mussten gekauft oder beseitigt werden, unliebsame lokale Gesetze, Zölle und Abgaben usw. mussten durch militärische Gewalt beseitigt werden. Dies kostete Geld, das durch die Besteuerung der ‚erschlossenen‘ Länder erwirtschaftet werden sollte. Die Eintreibung von Steuern erforderte den Aufbau von rudimentären Verwaltungen, die ihrerseits finanziert werden mussten. Nach dem Motto „Die Flagge folgt dem Handel“ war die Errichtung von politischen Herrschaftsstrukturen ein anfangs oft nicht beabsichtigtes Ziel – und es war auch nicht überall möglich.

Später zeigte sich in vielen Fällen, dass die neu erschlossenen Länder nicht ausreichend liefer- bzw. aufnahmefähig waren, dass ihre Verkehrsinfrastruktur nicht ausreichte, dass ihre Zahlungsfähigkeit zu wünschen übrig ließ. So strömte Kapital ein, welches über den Handel hinaus begann, die benötigten Rohstoffe zu produzieren oder zu fördern (oft im Rahmen von Sklaven- und Zwangsarbeit), zu transportieren und für den Export zu verarbeiten; dabei erwiesen sich die vorgefundenen Produktionsverhältnisse (einschließlich des Eigentums an Grund und Boden) nicht selten insofern als Hemmnis, als sie die
Mobilisierung der benötigten Arbeitskräfte verteuerten. Also mussten Zwangsapparate installiert werden, die ebenfalls nicht zum Nulltarif zu haben waren. Allerdings ging es selten darum, die vorgefundenen Produktionsweisen völlig zu beseitigen. Diese wurden vielmehr aktiv genutzt, um die Produktionskosten niedrig zu halten bzw. die Aufnahmefähigkeit für europäische Waren zu steigern. In den sich unter dem Einfluss der (direkten oder indirekten) europäischen Invasion herausbildenden Gesellschaften gab es zunächst immer ein Miteinander unterschiedlicher Produktionsweisen, die oft in einem produktiven Verhältnis zueinander standen. Die meisten kolonialen und nachkolonialen Gesellschaften waren (und sind) durch eine solche „Artikulation der Produktionsweisen“ gekennzeichnet. Der Begriff der „Artikulation“ impliziert die Tatsache, dass sich sowohl die integrierte ‚traditionelle‘ als auch die importierte ‚moderne‘ (kapitalistische) Produktionsweise veränderten.

● „Landnahme“ und „kapitalistische Verselbständigung“

Drittens – Der begrenzte Zweck der kapitalistischen Expansion in den Süden war die Aufrechterhaltung bzw. die Steigerung der Verwertung des Kapitals. Dieser Aspekt stand – wie oben gezeigt – im Mittelpunkt der Analyse von Rosa Luxemburg, die das Wesen der kapitalistischen Akkumulation als Eindringen in nicht-kapitalistische Milieus, als ‚Landnahme‘ beschreibt, wobei es um die Verbesserung der Verwertungsbedingungen des westlichen Kapitals ging. Dieser Prozess ist allerdings widersprüchlich, worauf, wie oben gezeigt, Luxemburg ebenfalls aufmerksam gemacht hatte: Denn es kann den ‚jungen‘ Staaten gelingen, sowohl durch Übernahme europäischer Verfahren und Technologien als auch durch die Anpassung ihrer Institutionen und Organisationen an die Bedingungen des Weltmarkts, sich vom europäischen Kapital teilweise oder ganz zu emanzipieren und als neue Konkurrenten aufzutreten.

Dieser Prozess der „kapitalistischen Verselbständigung“ (Luxemburg 1913/1975) wurde durch Ausübung ökonomischer und politischer Macht seitens der europäischen Mächte behindert, aber nicht verhindert. Die Entkolonialisierung und die Erringung der staatlichen Unabhängigkeit schufen hierfür wichtige Voraussetzungen. Die „kapitalistisch emanzipierten“ Staaten treten als neue Konkurrenten auf den Weltmärkten auf und bedrohen die Dominanz der alten Wirtschaftsmächte des Westens.

In dieser Phase befinden sich heute viele Länder des Südens. In dem Maße, wie es ihnen gelungen ist, „einen für die Zwecke der kapitalistischen Produktion zugeschnittenen modernen Staatsapparat zu schaffen“ (ebd.), profitiert vor allem das lokale Kapital vom Effekt der kapitalistischen ‚Landnahme‘, d.h. der raschen Aufsaugung und Umformung innerer und äußerer nicht-kapitalistischer Milieus. Die Erschließung von neuen Rohstoffquellen und Absatzmärkten im Süden, die Nutzung von bislang relativ unproduktiven Arbeitskräften, die infrastrukturelle Durchdringung von ehemals marginalen Räumen kann heute in zunehmendem Maße von den Ländern des Südens selbst genutzt werden und erklärt zu einem erheblichen Maße den aktuellen Aufstieg des Südens. Es sind heute vorwiegend die „kapitalistisch emanzipierten früheren Hinterländer des Kapitals« (Luxemburg) und nicht die Länder des Westens, die von den Wachstumseffekten der kapitalistischen ‚Landnahme‘ profitieren.

● Weltmarkt-Einflüsse und endogene Faktoren

Viertens – Die sich in den neuen Wirtschaftsmächten des Südens herausbildenden Gesellschaftsformationen wurden und werden – in unterschiedlichem Ausmaß – beeinflusst vom Weltmarkt, d. h. von der Expansion des europäischen Kapitalismus. Auch der aktuelle wirtschaftliche Aufstieg des Südens erhielt und erhält mächtige Anstöße vom Weltmarkt, der allerdings heute keine ausschließlich europäische Angelegenheit mehr ist. Regionalisierungsprozesse (vor allem in Asien) und regionale Kräfteverhältnisse spielen eine zunehmende Rolle. Die Länder des Westens sind weiter bemüht, ihre Institutionen und Organisationen im Rahmen des Globalisierungsprozesses in die Länder des Südens zu übertragen, jedenfalls in dem Maße, wie dies ihren ökonomischen Zwecken dienlich ist.

Da die treibende Kraft der aktuellen Veränderungen unzweifelhaft der europäische Kapitalismus war und teilweise noch ist, wird die ‚Geschichte‘ der ökonomischen Entwicklung des Südens vielfach als Geschichte der Eroberung und der Umstrukturierung der betroffenen Gesellschaften durch Europa beschrieben. Diese Geschichte kann man – je nach Standpunkt – auf zwei Arten erzählen. Die erste ist die klassische koloniale Erzählung, nämlich wie der aufgeklärte, liberale, d.h. ‚moderne‘ Westen den Völkern des Südens Bildung, Frieden und Fortschritt brachte, produktivere Wirtschaftsformen einführte, abergläubische Praktiken beseitigte, Stammeskriege beendete und die Sklaverei ausrottete. Diese Erzählung hat zahlreiche Varianten, Fehler und Irrtümer des Westens werden für die Vergangenheit durchaus eingeräumt. Heute stehen ‚humanitäre Interventionen‘ und der Export von ‚good governance‘ im Mittelpunkt dieser Erzählung. Kernpunkt ist die Ansicht, dass erst die Übernahme der westlichen Moderne (‚Zivilisation‘) und die Beseitigung traditioneller, Entwicklung blockierender Institutionen den Weg frei machen würde für wirtschaftlichen Fortschritt. Die verschiedenen Fassungen der entwicklungspolitischen Modernisierungstheorien gehen im Kern auf diesen Blickwinkel zurück.

Aber auch die zweite große entwicklungspolitische Theoriefamilie, die Dependenztheorien, hält die europäische Expansion für das entscheidende Element: Hier steht aber die Zerstörung existierender Verhältnisse und Wirtschaftsformen und der Widerstand dagegen im Vordergrund, an deren Stelle das europäische Kapital Wirtschaftsformen setzte, die allein an den Interessen der Mutterländer orientiert waren (und sind). Ergebnis sind ökonomische Strukturen, die von sich aus nicht lebensfähig seien (André Gunder Frank: „Entwicklung der Unterentwicklung“) und die die betroffenen Länder in dauerhafter Abhängigkeit von den Mutterländern hielten. Obwohl beide ›Erzählungen‹ sich insgesamt als unzutreffend erwiesen haben, verweisen sie auf den mehr oder weniger prägenden Einfluss der europäischen Expansion, der allerdings nur in Wechselwirkung mit endogenen Kräften richtig bewertet werden kann.

Einflussfaktoren im Überblick


Entsprechend dieser vier Gruppen von Einflussfaktoren, die in der Realität eng miteinander verflochten sind, sind vier Untersuchungsebenen zu unterscheiden. Zu analysieren ist erstens die Wechselwirkung zwischen den regulierenden Prinzipien der kapitalistischen Produktionsweise (Akkumulation und Klassenkampf) einerseits und dem jeweiligen historischen/lokalen gesellschaftlichen Milieu andererseits. Es muss untersucht werden, welche Funktionen die historisch gewachsenen Institutionen und Organisationen im Prozess der Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise haben, wie sie sich dabei verändern und wie sie ihrerseits die kapitalistischen Produktionsverhältnisse prägen. Diese Frage dürfte vor allem dort von zentraler Bedeutung sein, wo sich der ökonomische Wandel besonders rasch, teilweise innerhalb von ein oder zwei Generationen, vollzieht. Bezogen auf China formulieren Aglietta/Bai: „Institutionen, verwurzelt in der Vergangenheit und verankert in der Kultur des Volkes, werden über die Generationen hinweg überliefert.“ Wie insbesondere das afrikanische Beispiel zeigen wird, können ‚traditionelle‘ Institutionen und Organisationen zudem in dem Maße an Bedeutung gewinnen, sich ‚modernisieren‘, wie der ‚Einbruch der Moderne‘ dauerhaft mit Krisen und Unsicherheiten verbunden ist: In einem durch rasche Veränderungen und entsprechende Unsicherheiten geprägten Milieu vermitteln die ‚traditionellen‘ Regeln und Organisationen Sicherheit. „Da aber gerade die primitiven sozialen Verhältnisse der Eingeborenen der stärkste Schutzwall der Gesellschaft wie ihrer materiellen Existenzbasis sind …“ (Luxemburg 1913/1975), müssen sie heute nicht mehr, wie Luxemburg annahm, vom Kapital zerstört werden. In einer Entwicklungsphase, in der kapitalintensive Formen der kapitalistischen Akkumulation überwiegen, liegt die Erhaltung der „nichtkapitalistischen sozialen Verbände“ (ebd.) oft auch im Interesse des Kapitals: Sie können politische Stabilität fördern und als soziale Sicherungsnetze fungieren.

Zweitens wäre zu untersuchen, wie sich die rasch expandierende kapitalistische Produktionsweise mit den ‚traditionellen‘ vorkapitalistischen Produktionsweisen verbindet, diese verändert und dabei selbst beeinflusst wird. Es wird zu zeigen sein, dass die nicht-kapitalistischen Produktionsweisen oft überraschend widerstandsfähig sind, wichtige wirtschaftliche und politische Funktionen haben, deren ‚Artikulation‘ also ein relativ stabiler Zug der neuen Wirtschaftsmächte sein kann. Dabei spielt deren erwähnte Funktion als soziales Rückzugsgebiet in Zeiten der Krisen ebenfalls eine Rolle.

Drittens geht es um die Frage, welche ökonomischen Wirkungen die kapitalistische Durchdringung der nicht-kapitalistischen Räume hat, wer genau davon profitiert und wo die Grenzen dieses Prozesses liegen. Schließlich sind viertens jene Einflüsse zu untersuchen, die direkt mit der Integration in den globalisierten Weltmarkt verbunden sind. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass der Internationalisierungsprozess heute nicht mehr nur das Verhältnis zwischen ‚Zentrum‘ und ‚Peripherie‘ betrifft, sondern auch ein regionaler Prozess ist – die viel diskutierte Globalisierung ist mindestens ebenso eine Regionalisierung, wie das europäische Beispiel schon lange zeigt.

Nach Europa ist diese Form der Globalisierung am weitesten in Asien fortgeschritten. Es überwiegt zwar nach wie vor der europäisch/nordamerikanische Einfluss, zunehmendes Gewicht gewinnen aber auch die Beziehungen zwischen den neuen Wirtschaftsmächten des Südens, wie die Debatte über das Verhältnis China/Afrika deutlich macht. Dies bringt qualitativ neue Momente in den Internationalisierungsprozess und damit auch in den Charakter der ‚äußeren‘ Faktoren, die sich mit endogenen Prozessen in den Schwellen- und Entwicklungsländern verbinden. Bei der Untersuchung der Wirkungen der europäisch geprägten Internationalisierung ist gleichzeitig der vor allem von Gerschenkron diskutierte Vorteil von entwicklungspolitischen Nachzüglern einzubeziehen, der darin besteht, dass diese ganze Entwicklungsetappen überspringen und die am weitesten entwickelten Technologien und institutionell/organisatorischen Strukturen übernehmen können.

Es ist im Kontext dieser Darstellung nicht möglich, diese vier Prozesse in ihrer Wirkung in allen relevanten Schwellen- und Entwicklungsländern umfassend zu analysieren, sie können nur punktuell und exemplarisch dargestellt werden. Es ist ja gerade eine der zentralen Thesen dieses Buches, dass summarische entwicklungspolitische Aussagen, die mehr oder weniger Allgemeingültigkeit besitzen, wegen der Unterschiedlichkeit der erfassten Länder und Kontinente nicht möglich sind. Notwendig sind historisch vorgehende Einzelanalysen, die die Besonderheiten der Länder bzw. Regionen in Rechnung stellen. Das obige Schema versucht, die wichtigsten Einflussfaktoren, deren Gewicht jeweils sehr unterschiedlich sein kann, in einem schematischen Überblick zusammenzufassen.

Posted: 4.3.2015

Empfohlene Zitierweise:
Jorg Goldberg, Die Neuerfindung des Kapitalismus. Vorabdruck: Die Emanzipation des Südens (II), in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 4. März 2015 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org). Es handelt sich um einen Vorabdruck aus dem neuen Buch von Jörg Goldberg: Die Emanzipation des Südens. Die Neuerfindung des Kapitalismus aus Tradition und Weltmarkt. Bezug: >>> hier.

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