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Ein SDG-gerechtes Finanzsystem

Artikel-Nr.: DE20150507-Art.11-2015

Ein SDG-gerechtes Finanzsystem

UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung (FfD)

Kurz vor der Konferenz zur Finanzierung der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs), die vom 13.-18. Juli 2015 in Addis Abeba stattfindet, versucht der Norden, die von ihm dominierten Entwicklungsbanken und den Privatsektor in Stellung zu bringen. Doch aus der Sicht der Entwicklungsländer ist die Reform des internationalen Finanzsystems ein essentielles Ziel des FfD-Prozesses. Ohne adäquate Ressourcen und ein günstiges institutionelles Finanzumfeld wird der Süden den neuen Entwicklungszielen nicht zustimmen können, schreibt Manuel F. Montes.

Wenn die FfD-Konferenz stattfindet, wird die Weltwirtschaft immer noch um die Überwindung des Beinahe-Zusammenbruchs des internationalen Finanzsystems kämpfen. Anders als frühere Finanzkrisen, nahm die aktuelle ihren Ausgang im Norden. Für die Länder des globalen Südens besteht die bittere Realität darin, dass sie Nettoinvestoren für den Norden sind. Das internationale Finanzsystem mobilisiert nicht genügend Ressourcen für ihre Entwicklung. Seit annähernd zwei Dekaden waren die Nettoinvestitionsströme zwischen Entwicklungs- und Industrieländern negativ.

Systemische Fehlleistungen

Die internationalen Reserven, die die Entwicklungsländer angehäuft haben, können bei einigen potentiellen finanziellen Problemen behilflich sein, aber sie reichen sicher nicht aus, um mit großen Finanzpaniken fertig zu werden. Industrieländer, Entwicklungsländer mit mittlerem Einkommen und sogar einige LDCs haben Kontrollen von Kapitalzuflüssen und -abflüssen bei Portfolioinvestitionen abgeschafft. Im Ergebnis verfügt die internationale Ökonomie jetzt über viele politische Instrumente nicht mehr, um volatile private Kapitalbewegungen zu überwachen und zu kontrollieren.

Die konventionelle Lehre predigte, dass freiere Kapitalbewegungen die Finanzierungsmöglichkeiten der Entwicklungsländer und so auch ihre Investitionsraten erhöhen würden. Leider bestand das tatsächliche Resultat – selbst in den Jahren explodierender privater Finanzflüsse – in einem nur geringen oder überhaupt keinem Zuwachs der Investitionsraten.

Wie viel Geld ist nötig?

Schätzungen des Ausmaßes der für die SDGs und die Post-2015-Entwicklungsagenda notwendigen Finanzen sind beträchtlich, liegen jedoch innerhalb der Kapazitäten des internationalen Systems. Der Bericht des Zwischenstaatlichen Expertenkomitees zur Finanzierung nachhaltiger Entwicklung (ICESDF) vom August 2014 geht davon aus, dass die globale Ökonomie jährlich 22 Billionen Dollar Ersparnisse hervorbringt. Die Experten schätzen, dass allein für die Infrastruktur jährlich 5-7 Billionen Dollar jährlich notwendig wären und für die Ausrottung extremer Armut 66 Mrd. Dollar pro Jahr.

Der FfD-Prozess hat das Ausmaß und die Richtung der Entwicklungsfinanzierung und das institutionelle Umfeld bislang immer als zwei Seiten einer Medaille angesehen. Hinzu kommt, dass interne und externe Faktoren untrennbar verknüpft sind. Entwicklungsländer können beispielsweise einheimische Finanzmittel aus nationalen Ersparnissen und Entwicklungssteuern mobilisieren, doch solche Anstrengungen können durch Kapital- und Steuerflucht zunichte gemacht werden, wenn die internationale Zusammenarbeit illegale Aktivitäten nicht adäquat bekämpft.

Sechs kritische Bereiche

Es ist deshalb wichtig, dass die Diskussionen in Addis in Ergebnisse münden, die Instrumente des Monitoring und der Rechenschaftslegung beinhalten und zu einem globalen System führen, dass der Entwicklungsfinanzierung gerecht wird. Es sind sechs kritische Bereiche, auf denen institutionelle Fortschritte für den globalen Süden wesentlich sind:

1. Mobilisierung heimischer Ressourcen für Entwicklung: In diesem Zusammenhang ist es wichtig zur Kenntnis zu nehmen, dass sich die öffentlichen heimischen Finanzmittel in den Entwicklungsländern zwischen 2002 und 2011 von 838 Mrd. auf 1,86 Billionen Dollar mehr als verdoppelt haben. Dieser positive Aspekt des FfD-Prozesses muss durch internationale Zusammenarbeit gestärkt werden, durch Aufwertung der internationalen Steuerzusammenarbeit und multilaterale Anstrengungen gegen Kapital- und Steuerflucht.

2. Die Weiterentwicklung der heimischen Finanzsektoren in Entwicklungsländern ist wesentlich, um mehr langfristige Finanzen zu mobilisieren, was nicht nur bessere heimische Finanzregulierung, -aufsicht und Kapitalverkehrsmanagement erfordert, sondern auch externe Unterstützung für die Effektivierung dieses Managements. Alles Investoren aus dem Ausland müssen die Rechte des Gastlandes zum Schutz öffentlicher Interessen anerkennen.

3. Internationaler Handel als Entwicklungsmotor: Hier sind vor allem die WTO und die Freihandelsabkommen (FTAs) relevant. Im Allgemeinen enthalten nicht-universelle Handelsabkommen mehr Restriktionen für nationale Politiken und untergraben einen robusten Multilateralismus.

4. Die Erhöhung internationaler finanzieller und technischer Entwicklungszusammenarbeit ist ein weiterer wichtiger Bereich. Seit 2002 sind die Netto-ODA-Leistungen der OECD/DAC-Länder deutlich gestiegen – von 84 Mrd. Dollar in 2000 auf 134,8 Mrd. Dollar in 2013 (135,2 in 2014; d.Red.). Der Monterrey-Konsens rief zu “effektiven Partnerschaften zwischen Gebern und Empfängern (auf), basierend auf der Anerkennung nationaler Führung und Ownership von Entwicklungsplänen” (Abs. 40).

5. Verringerung der externen Schuldenlast: Die Entwicklungsländer haben während der Schuldenkrise die größten Entwicklungsrückschritte erlebt, auch wegen ökonomischer Reformprogramme – unter der Ägide von IWF und Weltbank sowie der Koordination mit Geberländern.

6. Förderung der Kohärenz und Konsistenz des internationalen Währungs-, Finanz- und Handelssystems: Die Schwellen- und Entwicklungsländer sollten eine umfassende Governancereform der IWF anstreben, und ein Prozess zur Überprüfung der Governance- und Rechenschaftslegungsmechanismen bei anderen Entwicklungsagenturen sollte in Addis initiiert werden.

● Fazit

Was für die Entwicklungsländer auf der Konferenz auf dem Spiel steht, ist nicht so sehr, wie mehr Finanzmittel verfügbar gemacht werden können, sondern ob künftige Finanzflüsse den vereinbarten Zielen der nachhaltigen Entwicklung angemessen sind. Es geht um die Wiederbelebung der multilateralen Zusammenarbeit, um volatile Kapitalflüsse zu regulieren, lang- statt kurzfristige internationale Finanzierung, mehr politischen Spielraum für die Staaten zur Stimulierung von Investitionen und die Zurückdrängung der Geisel souveräner Schuldenkrisen.

Manuel F. Montes ist Berater für Finanzierung und Entwicklung beim South Centre in Genf. Sein Beitrag basiert auf dem Papier “Financing for Development Conference 2015: Views from the Global South”. Verfügbar unter: www.futureun.org.
Posted: 7.5.2015

Empfohlene Zitierweise:
Manuel F. Montes, Ein SDG-gerechtes Finanzsystem. UN-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung (FfD), in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 7. Mai 2015 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

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