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Kritische Einsichten bei IWF und Weltbank

Artikel-Nr.: DE20160908-Art.19-2016

Kritische Einsichten bei IWF und Weltbank

Reform von innen heraus?

Was G7, G20 oder die BRICs und auch die internationale Zivilgesellschaft bis heute nicht vollbrachten – eine Reform der Bretton-Woods-Zwillinge IWF und Weltbank an Haupt und Gliedern, könnte das in Zukunft aus dem Inneren der beiden Finanzinstitutionen auf den Weg gebracht werden? Das jüngste Signal dafür ist ein Brief des Weltbank-Personals, der eine zweite Amtszeit für Bank-Präsident Jim Yong Kim offen in Frage stellt. Während das Amt von IWF-Chefin Cristine Lagarde recht geräuschlos verlängert wurde, erwies sich die Präsidentschaft Kims als Flop, schreibt Rainer Falk.

Der Brief der Mitarbeiter-Assoziation der Weltbank verbindet die Kritik an Kim mit dem Aufruf zu einer internationalen Suche nach einem neuen Kandidaten für Zeit nach dem Juni 2017, wenn dessen Amtszeit ausläuft. Die Mitarbeiter schreiben: „Die Welt hat sich verändert, und wir müssen uns mit ihr ändern. Ohne die Überarbeitung der Spielregeln wird die Bank auf der internationalen Bühne zum Anachronismus werden.“ Der Brief argumentiert, die Zeit sei gekommen, dass die Bank von einem anderen als einem Amerikaner geführt wird, wie es seit ihrer Gründung in Bretton Woods 1944 üblich war.

● Hinterzimmer-Deals statt Good Governance

Nach Auffassung der Leitung der Mitarbeiter-Assoziation soll die Führungsposition der Weltbank international öffentlich ausgeschrieben, von einem „glaubwürdigen Auswahlausschuss“ überwacht werden, und zwar in einem „transparenten Vorstellungsverfahren und Entscheidungsprozess“. „Wir predigen Prinzipien der Good Governance, der Transparenz, der Diversität, des internationalen Wettbewerbs und der qualifikationsbasierten Auswahl“, so der Brief. „Leider wurde keines dieser Prinzipien bei der Ernennung der bisherigen Präsidenten der Weltbank-Gruppe angewendet. Stattdessen haben wir jahrzehntelang Hinterzimmer-Deals akzeptiert, die 12-mal in Folge einen (US-)amerikanischen Mann hervorbrachten. Das muss sich ändern.“

Die ungewöhnlich scharfe Kritik an den Governance-Modalitäten bei der Präsidentenwahl ist auch zu sehen vor dem Hintergrund eines von Kim initiierten Umstrukturierungsprozess in der Bank, der die Institution auch angesichts der neuen Konkurrenz aus dem Süden (der BRICS-Bank und der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank) schlagkräftiger machen sollte. Dies begann mit dem Ziel Kims, die Verwaltungskosten der Bank um 400 Mio. Dollar zu drücken – was allerdings nicht einmal zur Hälfte erreicht werden dürfte, wie jetzt bekannt wurde.

● Neue Umwelt- und Sozialstandards

Eng damit zusammen hängt die kürzliche Verabschiedung neuer Umwelt- und Sozialstandards für die Kreditvergabe der Weltbank. Auch der Vergabeprozess soll damit flexibler gestaltet werden, damit die Bankkunden schneller an das Geld kommen. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass die neuen Standards die bisherigen Regeln eher aushöhlen als verbessern. In einer Zeit, in der die Bank zunehmend in Infrastruktur- und Hochrisikoprojekte in politisch instabilen Regionen investieren will, ist dies jedoch höchst problematisch.

So haben die Mitgliedsstaaten der Weltbank nun erstmals erlaubt, Projekte in Gebieten zu finanzieren, die für den Naturschutz und für indigene Völker besonders wichtig sind. Weniger Hürden gibt es außerdem für Zwangsumsiedlungen: Die Weltbank darf Projekte nun bewilligen, ohne dass die Anzahl der Betroffenen sowie Pläne für ihre Umsiedlung und die Wiederherstellung ihrer Lebensgrundlagen bekannt sind. Zudem sollen Nehmerländer die Möglichkeit haben, Weltbank-Standards durch ihre eigenen Standards zu ersetzen. Bisher ist unklar, wie die Weltbank sicherstellen will, dass die Standards der Kreditnehmer ihren eigenen entsprechen und dass diese sich den Standards verpflichtet fühlen.

Ein positiver Aspekt der neuen Standards ist allerdings: Die Weltbank führt einen Standard für den Schutz von Arbeitnehmern ein. Allerding fällt selbst dieser weit hinter die Empfehlungen von Gewerkschaften zurück. Er basiert nicht auf den Kernarbeitsnormen der Arbeitsorganisation ILO und das Recht auf Versammlungsfreiheit ist abhängig von den Gesetzen der Kreditnehmer.

Es ist deshalb ziemlich klar, dass die Präsidentschaft Kims wenig zur Verbesserung der Position der Weltbank in der sich wandelnden Szenerie der multilateralen Entwicklungsbanken beigetragen hat. Dennoch ist eine zweite Amtsperiode für Kim nicht unwahrscheinlich. Denn die Führungsfrage entscheiden nicht die Mitarbeiter, sondern die stärksten Anteilseigner der Bank. Und hier deutet bislang nichts darauf hin, dass die USA und China von Kim abrücken, während die Europäer wieder einmal klein beigeben könnten, um ihr Privileg bei der Bestimmung der IWF-Führung zu retten.

● Zu viel Neoliberalismus beim IWF

Tatsächlich ging die Verlängerung der Amtszeit der Geschäftsführenden Direktorin des Internationalen Währungsfonds recht reibungs- und gräuschlos über der Bühne – ein Indiz dafür, dass die tonangebenden Mitgliedsländer an den herrschenden Verhältnissen nichts ändern wollen. Mitgespielt haben mag auch, das Lagarde angesichts der schleppenden und unzureichenden Reform der Stimmrechtsverhältnisse die administrative Ebene des IWF stark für Vertreter aus Schwellenländern, vor allem aus China, geöffnet hat.

Gleichzeitig bröckelt der neoliberale Konsens innerhalb des Fonds, dem wir in den letzten drei Jahrzehnten die Durchsetzung harschester Strukturanpassungsprogramme in den Zielländern zu verdanken hatten. Das letzte Beispiel hierfür war ein Artikel in der IWF-Vierteljahreszeitschrift „Finance and Development“ mit dem für die Sprachregelungen beim IWF ungewöhnlichen Titel „Neoliberalism Oversold?“. Die Autoren räumen darin ein, dass die bisherigen Politiken des IWF, darunter die Spardiktate, zur Vertiefung der Ungleichheit und zur Behinderung des Wachstums beigetragen haben.

Es ist nicht das erste Mal, dass der IWF Forschungsergebnisse produziert, die das Scheitern wichtiger Versatzstücke der Fondsdoktrin belegen. So konzedierten Arbeiten aus der Forschungsabteilung beispielsweise die negativen Konsequenzen der Austerität in Europa oder kritisierten das bislang übliche Plädoyer für die Liberalisierung des Kapitalverkehrs. Am 28. Juli veröffentlichte nun das Interne Evaluierungsbüro (IEO) des IWF einen Report über Surveillance und Intervention des Fonds in der Eurokrise. Darin wird festgehalten, dass der IWF „das Ausmaß der Risiken nicht vorhersah“, die die Krise mit sich bringen würde, dass er überoptimistisch in seinen Wachstumsprognosen für Griechenland und Portugal war und auch keine realistische Sicht der Schuldentragfähigkeit Griechenlands zustande brachte.

● Hartnäckige Beharrungsstrukturen

So erfreulich derartige Einsichten der Forschungsabteilung und des Evaluierungsbüros auch sind: Sie sind das eine – die Umsetzung der IWF-Politik vor Ort ist das andere. Letztere weist offensichtlich ein hartnäckiges Überleben alter Ideologien und Leitlinien auf. So stellte das US-Centre for Economic and Policy Research in einer Untersuchung fest, dass von 41 Ländern mit IWF-Krediten 31 in der Großen Rezession haushalts- und geldpolitischen Konditionen folgten, die gemeinhin zur Verlangsamung der wirtschaftlichen Entwicklung oder direkt in die Rezession führen.

Warum aber sollte eine Institution, die von den Finanzministerien der reichen Länder gesteuert wird, wirklich eine Politik verfolgen, die zum Wohle der restlichen Welt ist? Eine grundlegende Veränderung der Politik des IWF kann von innen heraus letztlich nicht erwartet werden. Dazu bedarf es weiterer Veränderungen der Kräfteverhältnisse. In Zeiten, in denen die Krise erneut auf den Süden übergreift, stehen die Zeichen dafür leider nicht zum Besten.

Posted: 8.9.2016

Empfohlene Zitierweise:
Rainer Falk, Kritische Einsichten bei IWF und Weltbank. Reform von innen heraus?, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 8. September 2016 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

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