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TPP: Nettogewinne für alle sind ein Mythos

Artikel-Nr.: DE20160421-Art.10-2016

TPP: Nettogewinne für alle sind ein Mythos

Die statistischen Tricks der Freihandelsfans

Vorab im Web - Während die Hauptmotivation der USA für die Transpazifische Partnerschaft (TPP) in der Zurückdrängung des chinesischen Einflusses in der Region liegt, wurde sie auch zur Unterminierung der Doha-„Entwicklungs“-Runde benutzt sowie zur besseren Förderung politisch einflussreicher US-Konzerninteressen. Umso notwendiger wurde es, TPP durch angebliche wirtschaftliche Vorteile zu legitimieren. Jomo Kwame Sundaram hält dagegen.

Wenn etwas als ‚Goldstandard‘ für Handelsverträge im 21. Jahrhundert angepriesen wird, sollte man einschätzen können, welche Vorteile dies wirklich bringt und ob diese seine Kosten übersteigen. Die einzige Studie der US-Regierung fand nur bescheidene voraussichtliche Wachstumsgewinne von TPP – 0,1% über ein Jahrzehnt aufgrund von Zollreduzierungen.

● Bescheidene Gewinne

In der Tat projizieren bislang alle Studien vernachlässigenswerte direkte Wachstumsgewinne aufgrund der Handelsliberalisierung unter TPP. Lediglich das Peterson Institute of International Economics (PIIE) stellte ein Feigenblatt für das neue imperialistische Projekt bereit mit weit höheren Projektionen der zu erwartenden Vorteile. 2012 projektierte es ein Wachstum von 0,4% nach zehn Jahren. Im Januar dieses Jahres kam das PIIE mit etwas höheren, wenn auch immer noch bescheidenen, handelsbedingten Wachstumsgewinnen von 0,5% heraus – nach 15 Jahren. Es ist kaum zu glauben, aber unter Verwendung der gleichen PIIE-Studie brachte es die Weltbank in ihrem Global Monitoring Report vom Januar 2016 fertig, die Wachstumsgewinne auf mehr als 1,1% zu verdoppeln!

Hätte man konventionellere Methoden zur Schätzung der Handelsgewinne genutzt, wären die Ergebnisse wie in der US-Regierungsstudie viel bescheidener ausgefallen. Doch die PIIE stützt die Behauptung höherer Wachstumsgewinne auf ‚Nicht-Handelsmaßnahmen‘ (sog. NTMs) und einen entsprechenden Aufschwung ausländischer Investitionen. Dies wird durch die Annahme gerechtfertigt, dass TPP alle teilnehmenden Länder unter die obersten 10% des Rankings im Doing-Business-Report der Weltbank katapultieren wird, obwohl allenfalls widersprüchliche Belege für einen derartigen Effekt gegeben werden.

● Kosten-Nutzen-Analyse?

Die PIIE-Studie von 2012 geht willkürlich davon aus, dass für jeden Dollar an ausländischen Direktinvestitionen (FDI) innerhalb des TPP-Blocks ein zusätzliches Einkommen von 33 Cents pro Jahr geschaffen würde, dass dann gleich zwischen Herkunfts- und Gastländern aufgeteilt würde – eine Behauptung ohne theoretische, modellierte oder empirische Basis. TPP-Bestimmungen, die ausländischen Investoren erlauben, Regierungen vor private Tribunale zu stellen, oder die nationalen Regeln für Banken unterlaufen, werden hier zu handelsfördernden Kostensenkungen erklärt, wobei die Kosten und Risiken der Umgehung nationaler Regulierungen und Besteuerung ignoriert werden.

Die hohen behaupteten Gewinne haben eine geringe, wenn überhaupt eine analytische Grundlage in wirtschaftswissenschaftlicher Hinsicht, Evidenz oder Erfahrung. Um TPP zu retten, unterschätzt das PIIE die Kosten und Risiken, während es die Gewinne aufbläht. Sehr verschiedene TPP-Bestimmungen wurden einfach als Reduzierung der Kosten in die Modellrechnungen eingespeist, ohne nach unten weisende Risiken und Kosten groß zu berücksichtigen. Obwohl solche Risiken nicht ernsthaft berücksichtigt werden, werden uns die Projektionen als Ergebnis von Kosten-Nutzen-Bewertungen präsentiert.

Durch die Unterbewertung entscheidender Kosten und die Übertreibung projektierter Vorteile werden die Nettogewinne überbewertet. Beispielsweise werden Bestimmungen zur Stärkung, Verbreiterung und Ausweitung intellektueller Eigentumsrechte (IPRs) einfach als Kostenreduktionen gedeutet, die den Dienstleistungshandel steigen lassen. Die Konsequenzen für KonsumentInnen oder für Regierungen, die die Medikamentenpreise für Patienten subventionieren, werden dabei ignoriert.

● Armselige Vorteile – für das Big Business

Die PIIE- und Weltbank-Studien überschätzen die TPP-Gewinne also grob. Zollbezogene Handelsvorteile sind die einzigen – im Rahmen ökonomischer Theorie oder Evidenz – quantifizierbaren Vorteile, machen jedoch nur einen sehr kleinen Anteil an den Projektionen aus. Viele Vorteile beinhalten Einmalgewinne und haben keine positiven Auswirkungen auf die jährlichen Wachstumsraten. Auch diesen Vorteile müssen Kosten gegenüber gestellt werden, die die Studie aber ebenso ignoriert wie die Details der letztendlichen Verhandlungsergebnisse.

Während die projektierten Handelsgewinne Zeit brauchen, um realisiert zu werden, nicht zuletzt aufgrund der TPP-Bestimmungen, werden die Hauptrisiken und –kosten unmittelbar anfallen. Auch werden jegliche Auswirkungen von TPP auf die Arbeitnehmer-Einkommen ausgeklammert, wenn angenommen wird, dass in allen Ökonomien konstant Vollbeschäftigung herrscht und auch die Einkommensverteilung, die Handels- und Haushaltsbilanz konstant gesetzt werden. Wenn die armseligen Gewinne aus dem TPP hauptsächlich an das Big Business fließen, während die anderen – Arbeiter, Konsumenten und Steuerzahler – die Verluste tragen, dürfte TPP die Ungleichheit weiter verschärfen.

Unsere eigene Studie für das Global Development and Environment Institute der Tufts University (s. www.ase.tufts.edu/gdae/) offenbarte – unter Verwendung eines keynesiansichen makroökonomischen Policy-Modells, realistischer Einzelannahmen und der Handelsprojektionen des PIIE von 2012 – wesentlich bescheidenere Wachstumsraten, Netto-Jobverluste, stärkeren Lohndruck, fallende Einkommensanteile der Arbeitnehmer und größere Ungleichheit.

● Nettogewinne oder –verluste?

TPP geht viel weiter in der Neudefinition der Rolle von Regierungen, als zur Erleichterung des Handels notwendig wäre. Die TPP-Bestimmungen werden den politischen Spielraum deutlich einschränken, den Regierungen brauchen, um wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und die öffentlichen Interessen zu schützen. Die zweifelhafte Aufblähung der Gewinne durch die TPP-Fürsprecher macht es umso notwendiger, die Natur und das Ausmaß der Kosten und Risiken zu bewerten, die die verfügbaren Modelle ignorieren.

Das TPP wird direkte Kosten mit sich bringen, z.B. durch die Ausweitung von Patenten und durch die Blockierung der Produktion und des Imports von Generika. Die Investor-Staat-Streitschlichtungsbestimmungen des TPP (ISDS) werden ausländische Investoren befähigen, eine Regierung vor exterritorialen Gerichten zu verfolgen, wenn sie glauben, dass neue Politiken oder Regulierungen ihre künftigen Profite verringern, selbst wenn solche Regierungen im öffentlichen Interesse sind. Da ausländische Investoren bereits heute durch andere Instrumente bestens geschützt sind, sind ISDS-Vorkehrungen völlig überflüssig.

Selbst Anhänger des Freihandels und der Handelsliberalisierung haben die Einbeziehung solcher handelsfremder Bestimmungen in Freihandelsabkommen kritisiert. Anstatt ein regionales Freihandelsabkommen zu sein, erscheint TPP eher als „ein Regime des Handelsmanagements, bei dem Konzerninteresen ganz oben stehen“. Somit ist TPP, das bestenfalls nur sehr bescheidene quantifizierbare Liberalisierungsgewinne bietet, in Wirklichkeit die scharfe Schneide eines Schwerts, das öffentliche Interessen zugunsten sehr mächtiger Konzerninteressen untergraben wird.

Nettogewinne für alle in den TPP-Ländern sind ein Mythos. Nur eine vollständige, sorgfältige und ordentliche Berechnung, die auf dem letztendlichen Text basiert, kann zeigen, wer gewinnt und wer verliert.

Jomo Kwame Sundaram war von 2005-2015 Assistant Secretary-General der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Entwicklung. 2007 erhielt er den Wassily Leontief Prize for Advancing the Frontiers of Economic Thought. Sein Kommentar erschien zuerst bei IPS (©).

Posted: 21.4.2016

Empfohlene Zitierweise:
Jomo Kwame Sundaram, TPP: Nettogewinne für alle sind ein Mythos. Die statistischen Tricks der Freihandelsfans, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 21. April (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

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