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Jenseits von Freihandel und Protektionismus

Artikel-Nr.: DE20170517-Art.12-2017

Jenseits von Freihandel und Protektionismus

Ethischer Welthandel

Vorab im Web - Die Auseinandersetzung um die Handelspolitik ist derzeit eine Abwehr von Verträgen, die alles schlimmer machen würden. Und es ist richtig, dass diejenigen, die für einen fairen Handel eintreten, darauf den politischen Schwerpunkt gesetzt haben. Christian Felber, der Kopf der Gemeinwohl-Bewegung, lenkt den Blick nach vorne: Was wäre eigentlich die richtige Handelspolitik? Eine sehr wichtige Frage – und Felbers Buch (s. Hinweis) ein wirklich empfehlenswerter Beitrag zu dieser Diskussion, schreibt Gerhard Schick.

Manches war mir aus seinen früheren Büchern bekannt. Anderes ist nicht neu, so wie das Aufgreifen von Keynes‘ Vorschlag zu einem automatischen Ausgleich der Handelsbilanzen von 1944. Seine Kritik an der gegenwärtigen Wirtschaftswissenschaft überzeugt mich nicht, sie ist zu einfach, weil sie sich an dem öffentlich kommunizierten Credo zum Freihandel abarbeitet, aber nicht an dem heutigen wissenschaftlichen Stand. Handelstheorie geht nämlich sehr wohl über Adam Smith und David Ricardo hinaus und nimmt die Mobilität von Kapital, Unvollkommenheiten der Märkte, Konzentrationseffekte, etc. in den Blick. Das Problem ist die handelspolitische Propaganda, die gerade nicht dem wissenschaftlichen Stand entspricht, sondern – wie Felber richtig herausarbeitet – letztlich eine breit geteilte Ideologie. Doch diese Kritikpunkte mindern den Wert dieses Buches nicht.

● Die Handelspolitik vom Kopf auf die Füße

Entscheidend ist nämlich der Kerngedanke des Buches, die Handelspolitik konzeptionell vom Kopf auf die Füße zu stellen. Was meine ich damit?
Da ist zum einen die sehr wichtige gedankliche Klarheit, dass Handel wie Wirtschaften insgesamt Mittel zum Zweck ist. Und dass eine höhere internationale Arbeitsteilung und zunehmender Handel ebenfalls kein Wert an sich sind, ja, es logisch gar nicht sein können. Das arbeitet Christian Felber sehr gut verständlich heraus. Was ist denn das Optimum, fragt er? 100% Außenhandel, so dass gar nichts Eigenes mehr im Land konsumiert wird?

Da ist zum zweiten ein völlig anderes Verständnis von Zollpolitik als heute. Heute ist es so, dass – ausgehend von der Freihandelslehre – alles, was nicht dem vereinfachten und auch wissenschaftlich überholten Modell freien Handels entspricht, als Handelshemmnis verstanden wird und entfernt werden soll. Das sind zunächst die Zölle, aber eben auch alles andere, was den Warenverkehr gegenüber einer künstlichen Modellwelt reduzieren könnte, also Umweltschutzmaßnahmen, Kontrollen aus gesundheitlichen Zwecken, regionale Kulturförderung etc.. Christian Felber denkt den Gedanken des CO2-Zolls konsequent weiter und setzt darauf, dass die Zollpolitik einen Anreiz schaffen kann, internationale Regeln einzuhalten. Zölle werden zum Mittel der Durchsetzung internationaler Regeln bei Menschenrechten, Arbeitnehmerrechten und Klimaschutz. Das ergibt Sinn.

● Zollpolitik und Subsidiarität

In dieser Vorstellung schützen sich diejenigen Staaten, die Regeln einhalten (zum Beispiel das Klimaabkommen), als Gruppe dadurch gegen die Trittbrettfahrer, dass sie diesen gegenüber die Zölle erhöhen, innerhalb der Gruppe derjenigen, die den globalen Standard einhalten, aber reduzieren. Das zeigt nicht nur einen Weg auf, internationale Normen durchzusetzen, die häufig genug bisher nur auf dem Papier stehen. Vielmehr wird damit auch endlich ein fairer Wettbewerb möglich: Externe Effekte werden eingepreist, Trittbrettfahren bei internationalen Aufgaben wird erschwert. Unsere Aufgabe ist es doch, schließlich dafür zu sorgen, dass niemand wirtschaftliche Vorteile daraus hat, dass er Arbeitnehmerrechte verletzt, die Umwelt zerstört und die Menschenrechte missachtet.

Und hier überzeugt auch der Rekurs auf Keynes: Wird über Keynes‘ Vorschlag ein Druck aufgebaut, die Handelsbilanzen auszugleichen, kann sich die Zollpolitik auf die Herstellung eines gleichen Spielfelds für alle konzentrieren, ohne dass die Gefahr besteht, dass Umweltnormen zu merkantilistischen Zwecken genutzt werden.

Christian Felber erteilt beiden Ideologien – dem Protektionismus und der Freihandelslehre – eine Absage und weist den Weg zu einer Handelspolitik, die wirtschaftlich und gesellschaftlich Sinn ergibt. Er greift dabei den Gedanken der „handelspolitischen Subsidiarität“ (Herman Daly) auf: Grundsätzlich sollte jedes Land so viel wie möglich und sinnvoll selbst erzeugen, nur darüber hinaus bei anderen einkaufen. Eine gewisse Abhängigkeit vom Weltmarkt ist, so schreibt er, nichts Schlechtes, solange sie nicht stabilitätsgefährdend ist.

Diese Ideen werden es nicht einfach haben in einem Diskurs, indem jeder, der nicht den Freihandel verabsolutiert, schon in eine Ecke mit Trump und AfD gesteckt wird. Umso wichtiger ist Felbers Buch.

Hinweis:
* Christian Ferber: Ethischer Welthandel. Alternativen zu TTIP, WTO & Co, 224 S., Deuticke im Paul Zsolnay Verlag: Wien 2017. Bezug: Buchhandel

Posted: 17.5.2017

Empfohlene Zitierweise:
Gerhard Schick, Jenseits von Freihandel und Protektionismus. Ethischer Welthandel, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 17. Mai 2017 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

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