Der Fachinformationsdienst für Globalisierung, Nord-Süd-Politik und internationale Ökologie
en

Was suchen Sie?

Von MDGs zu SDGs - Von ODA zu TOSSD?

Artikel-Nr.: DE20170206-Art.03-2017

Von MDGs zu SDGs - Von ODA zu TOSSD?

Schönheitswettbewerb der Geber

Vorletztes Jahr verabschiedete die Weltgemeinschaft die Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs). Parallel dazu hat der Geberklub der OECD eine neue Statistik entwickelt, die die Beiträge zu diesen SDGs messen soll. Das Problem mit dem neuen Messinstrument ist wieder einmal, dass es ohne Konsultation der Hauptbegünstigten geschaffen wurde. Tatsächlich haben die Entwicklungsländer nicht einmal nach dieser neuen Statistik gefragt, schreibt Neissan Besharati in einem Paper, das W&E auszugsweise dokumentiert.

TOSSD, so die Abkürzung des neuen Messinstruments (“Total Official Support for Sustainable Development”, etwa: Öffentliche Gesamtunterstützung für Nachhaltige Entwicklung) ist noch in Arbeit, soll aber alle Finanzflüsse (öffentliche und private, konzessionäre und nicht-konzessionäre) von traditionellen und aufstrebenden Gebern erfassen, die die Unterstützung globaler öffentlicher Güter und nachhaltiger Entwicklung zum Ziel haben. TOSSD geht über den Rahmen seines Vorgängers, die Öffentliche Entwicklungshilfe (ODA), der langjährige statistische Terminus für Auslandshilfe, hinaus.

Die neue DAC-Statistik

Das TOSSD-Konzept hat seinen Ursprung im Entwicklungshilfe-Ausschuss (DAC) der OECD und wurde durch die dortige Diskussionen vorangetrieben. Doch im Juni 2015 schaffte es auf der UN-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung in Äthiopien den Sprung in die Addis Abeba Action Agenda (AAAA), in der die Länder beschlossen, „offene, inklusive und transparente Diskussionen über die Modernisierung der ODA-Messung und die vorgeschlagene Messung der öffentlichen Gesamtunterstützung für nachhaltige Entwicklung abzuhalten“.

Leider war der Prozess jedoch nicht offen, inklusiv oder transparent. Die Einzelheiten von TOSSD wurden von OECD-Technokraten formuliert, während die meisten Konsultationen zwischen 2015 und 2016 in einem kleinen Kreis von Industrieländern abgehalten wurden, mit handverlesenen Vertretern aus dem Rest der (Entwicklungs-)Welt, wo gegenwärtig 80% der Bevölkerung des Planeten leben.

Abnehmende Verantwortlichkeit der Geber

Es scheint, dass die nördlichen Geber nicht aus den Fehlern der Vergangenheit hinsichtlich ODA gelernt haben. Die alten Messungen enthalten viele Mängel, etwa die Einrechnung von Geberkosten für Verwaltung und Marketingausgaben, der Unterstützung von Flüchtlingen und Studienkosten und die Bindung der Hilfe an die Lieferung von Produkten, Dienstleistungen und Institutionen aus dem Geberland. Nichtsdestotrotz bleibt ODA ein nützlicher Indikator für die Großzügigkeit reicher Länder gegenüber armen Ländern.

Der stärkste Aspekt der ODA besteht darin, dass mit ihr seit 1970 die Verpflichtung der Industrieländer verknüpft war, 0,7% ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) für ODA - als Beitrag zum Kampf gegen Armut und zur Überwindung globaler sozio-ökonomischer Ungleichheiten - zur Verfügung zu stellen.

TOSSD ist ein neues sexy Messinstrument, doch gehen mit ihm keine Verpflichtungen, keine Verantwortlichkeit und keine Erwartungen einher. Dies erregt im globalen Süden großes Misstrauen. Durch die Lenkung der Aufmerksamkeit auf die Schaffung, die Kalkulation und das Reporting von TOSSD könnte leicht von den existierenden ODA-Verpflichtungen der Geber und ihrer historischen Verantwortung abgelenkt werden.

● Was im Einzelnen ist problematisch an TOSSD?

(Im Einzelnen kritisiert das Papier an TOSSED, dass nach wie vor Kosten und Ausgaben, die im Geberland anfallen, eingerechnet werden und dass nicht genau zwischen privater und öffentlicher Finanzierung unterschieden wird. Ebenso würde die Finanzierung öffentlicher Güter, die mit Entwicklungspolitik nichts zu tun haben, mitgezählt. Dominant sei immer noch die Eigenberichterstattung der Geber, während viele Detailprobleme der finanziellen Quantifizierung ungelöst seien. Als besonders ärgerlich angesehen wird schließlich, dass Konzepte der Süd-Süd-Kooperation wie „gegenseitiger Vorteil“ unbesehen auf die Nord-Süd-Beziehungen übertragen werden. Dabei hätten bislang weder die BRICS noch andere Schwellenländer irgendein Interesse an der neuen Statistik gezeigt und deutlich gemacht, dass sie nicht Teil einer weiteren DAC-geführten Initiative sein wollen. D. Red.)

Sinn und Transparenz

Insgesamt ist es immer noch unklar, worin der Unterschied zwischen TOSSD, ODA und Sonstigen Offiziellen Flüssen („Other Official Flows“) besteht oder ob es überhaupt eine Notwendigkeit für eine neue entwicklungspolitische Finanzstatistik gibt. Ohne ein klares (quantitatives) Ziel ist schwer zu sehen, wie das neue Messinstrument TOSSD die Mobilisierung von mehr Ressourcen zur Unterstützung den nachhaltigen Entwicklungsagenda anregen kann, wie behauptet wird.

Der erklärte Sinn von TOSSD besteht darin, „mehr Transparenz in der ganzen Bandbreite externer öffentlich unterstützter Ressourcen für Entwicklungsländer zu fördern“. Sicherlich sollten bessere Informationen über die verschiedenen entwicklungsrelevanten Finanzflüsse zur Verfügung stehen. Doch wird eine neue „kombinierte Messerung“ gebraucht, damit die reichen Länder ihre Zahlen aufblähen und einen scheinheiligen Schönheitswettbewerb veranstalten können, wer von ihnen mehr zu den SDGs beiträgt?

Es gibt bereits viele Statistiken, die von verschiedenen Organisationen entwickelt wurden, um Entwicklungshilfe, Handel, Investitionen, Rücküberweisungen, philanthropische Spenden, Klimafinanzierung und andere Finanzflüsse im Dienste der Entwicklungswelt und globaler öffentlicher Güter zu messen. Doch wenn das Ziel wirklich in der Förderung der Transparenz besteht, ist es am besten, solche Daten nicht zu aggregieren, damit sie kontrolliert und besser analysiert werden können.

Schlussfolgerungen und der Weg nach vorne

Wenn die Diskussionen auf legitime Weise weitergeführt werden sollen, müssen sie in einem Forum stattfinden, das stärker Sichtweisen der Entwicklungswelt einbezieht, doch auch die privater Finanziers, von denen die Teilnahme an dem neuen Berichtssystem erwartet wird. Für die technische Arbeit, die für eine adäquate neue Entwicklungsstatistik notwendig ist, gibt es viele Experten und Akademiker im globalen Süden, etwa im Netzwerk der Südlichen Think Tanks (NeST). Das muss man nicht Bürokraten in Paris überlassen, die weit von der Realität der Entwicklungsländer weg sind.

Ein chinesischer Wissenschaftler kommentierte auf einem Workshop im November letzten Jahres in Peking, TOSSD sei „eine Überlebensstrategie des DAC“, um in der Post-2015 Entwicklungsära relevant zu bleiben. Bevor mehr Energie in TOSSD zu investieren, sollte die OECD das CPA-Konzept (länderprogrammierbare Hilfe) verbessern und sicherstellen, dass alle DAC-Länder ihre historische 0,7%-Verpflichtung erfüllen. Eine weit effektivere Nutzung der Zeit und Ressourcen von OECD-Experten könnte die Verbesserung nationaler statistischer Systeme und Kapazitäten in den Entwicklungsländern selbst darstellen. Diese beiden Handlungsansätze wären sicher ein besserer Beitrag der OECD zur globalen 2030-Entwicklungskampagne.

Dr. Neissan Besharati ist der afrikanische Koordinator des Netzwerks Südlicher Think Tanks. Er forscht am South African Institute of International Affairs (SAIIA) und an der Witwatersrand School of Governance.

Hinweis:
* Neissan Besharati, New Development Finance Measure Should Be TOSSD Out the Window!, Working Paper, NeST Africa, Cape Town, 15.12.2016. Bezug: über www.saiia.org.za.

Empfohlene Zitierweise:
Neissan Besharati, Von MDGs zu SDGs - Von ODA zu TOSSD?, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 6. Februar 2017 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

© Dieser Beitrag ist urheberrechtlich geschützt. Die Vervielfältigung von Informationen oder Daten, insbesondere die Verwendung von Texten, Textteilen oder Bildmaterial bedarf der vorherigen Zustimmung der W&E-Redaktion.