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Facebooks Zugriff auf Geld und Daten der Armen

Artikel-Nr.: DE20190726-Art.13-2019

Facebooks Zugriff auf Geld und Daten der Armen

Die Libra und der globale Süden

Es vergeht kaum ein Tag ohne eine Nachricht über den Umgang von Facebook mit vertraulichen Informationen. Die Ankündigung des Internetriesen, mit einer eigenen Währung grenzüberschreitende Geldtransaktionen zu ermöglichen, hat – zu Recht – weltweit die Alarmglocken von Regulierungsinstanzen läuten lassen. Bis spätestens 2020 möchte Facebook seine globale Währung – die Libra– mit Hilfe neuer digitaler Technologien einführen. Pedro Morazán beleuchtet die Relevanz des Projekts für den Süden.

Eine vermeintliche Motivation Facebooks für die Währung, so kann man dem begleitend veröffentlichten Konzeptpapier entnehmen, ist auch die Entlastung ärmerer Haushalte in Ländern des globalen Südens. Facebook verspricht, dass das Libra-System in der Lage sein wird, 1.000 Transaktionen pro Sekunde bei Transaktionskosten von nahezu Null zu verarbeiten.

● Das riesige Potential der Remittances

Unter den mehr als 2,38 Milliarden aktiven Facebook-NutzerInnen sind nicht wenige MigrantInnen, die regelmäßig Geld an ihre Verwandten in der Heimat überweisen. Sie alle könnten von der neuen Digitalwährung profitieren, und wenn auch nur ein Bruchteil von ihnen Libra für ihre Heimatüberweisungen und sonstige Finanztransaktionen nutzt, würde die neue Währung schnell eine breite Akzeptanz finden. Kein Wunder also, dass namhafte Unternehmen wie eBay, PayPal, Visa oder Mastercard hier großes Potential sehen und zu den Mitbegründern der Libra Association gehören.

Nach den neusten Zahlen der Weltbank lagen die Heimatüberweisungen, auch Remittances genannt, in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen im Jahr 2018 bei über 529 Mrd. US-Dollar. Damit haben sie zum ersten Mal die Ausländischen Direktinvestitionen (FDI) als Finanzierungsquelle übertroffen und sind mehr als drei Mal so hoch wie die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit.

Mit extrem hohen Überweisungsgebühren und wenig transparenten Wechselkursen machen Money Transfer Operators (MTOs) wie Western Union, PayPal oder Money Gramm saftige Geschäfte. Auf mehr als 18 Mrd. US-Dollar hat die Weltbank das Geschäft mit Remittances beziffert.

Mit Hilfe von Mobil Money oder Blockchain-Technologien, die die technologische Grundlage für Kryptowährungen bieten, machen digitale Start-ups nun den traditionellen MTOs das Leben schwer. Libra wäre nicht die erste digitale Währung, die als Alternative zu den überteuerten Überweisungsverfahren von Banken und MTOs angeboten wird. Blockchain-Zahlungssysteme scheinen derzeit wie Pilze aus dem Boden zu schießen – nicht nur in den reichen Industrieländern. Dabei ist die Rolle der Blockchain-Firma Ripple hervorzuheben. Ripple hat mit der Digitalwährung XRP Profite in Milliardenhöhe gemacht. Die Firma arbeitet bereits mit der FATF (der „Financial Action Task-Force“ der G7/G20 – ein multilaterales Gremium, das zur Förderung und Aufrechterhaltung rechtlicher, regulatorischer und operativer Standards zur Bekämpfung der Geldwäsche eingerichtet wurde) zur Erfüllung der Regulierungsanforderungen zusammen.

● Offene Fragen und Risiken

Doch sowohl für Mobil-Anbieter als auch von Blockchain-Währungen wie Libra oder XRP bleiben Fragen offen. Diese Ansätze setzen einen Internetzugang und ein Smartphone voraus. Weltweit sind jedoch 3,9 Milliarden Menschen noch nicht mit dem Internet verbunden. Der Anteil der Menschen mit Internetzugang wird im globalen Süden auf 41,3% geschätzt. In den wirtschaftlich schwächsten Ländern sind es sogar nur 17,5%.

Dabei ist es besonders dieser Anteil der Weltbevölkerung, der Zugang zu kostengünstigen Heimatüberweisungen am dringendsten benötigt. Mehr als 1,7 Mrd. Menschen weltweit, insbesondere die ärmsten Haushalte, haben auch kein Bankkonto. In Subsahara-Afrika, wo Heimatüberweisungen einen besonders wichtigen Beitrag zum Einkommen leisten, haben gerade einmal 20% der Erwachsenen ein Bankkonto. Kann die Libra diese bisher vom Finanzsystem ausgeschlossenen Menschen erreichen?

Libra soll sowohl Digitalwährung als auch Zahlungsplattform sein. Anders als andere Digitalwährungen wie Bitcoin, soll Libra auf einer sicheren, erweiterbaren und zuverlässigen Blockchain basieren. Die Erfahrungen von Bitcoin zeigen, dass eine offene Blockchain-Konstruktion aber erhebliche Risiken aufweist. Weiterhin soll Libra durch die Bildung einer Devisenreserve von mindestens einer Milliarde US-Dollar, bestehend aus einem Währungskorb von Dollar, Euro, Yen und Pfund, einen stabilen inneren Wert erhalten. Vorgesehen ist zudem eine Verwaltungs- und Führungsstruktur, die Libra Association, die sich damit zu einer Art Zentralbank entwickeln könnte. Das ruft nationale Zentralbanken und internationale Finanzinstitutionen auf dem Plan.

● Glänzende Geschäfte mit Transaktionsgebühren und Daten

Eine Digitalwährung wie Libra verspricht Facebook ein glänzendes Geschäft, nicht nur wegen der Transaktionsgebühren, sondern vor allem auch wegen der umfassenden Zahlungs- und Transaktionsdaten. Die Schaffung einer universellen Währung, die über mehrere Mobilfunknetze und Grenzen hinweg übertragen werden kann, ist ein immenser Vorteil – auch für die NutzerInnen. Doch neben den bereits bekannten Risiken bei der Nutzung von Facebook rund um den Datenschutz könnten weitere Gefahren wie Verschuldung hinzukommen.

Es ist noch offen, wie das Libra-Projekt von Facebook & Co sich entwickeln wird. Klar ist, dass die neuen Digitalwährungen erneut die Notwendigkeit für bessere Regulierungen von internationalen Finanzmärkten zeigen. Darüber hinaus sollten die Auswirkungen auf Länder des globalen Südens von der Politik stärker als bisher in Betracht bezogen werden. Auch wenn sie das Gegenteil versprechen, können digitale Währungen dazu beitragen, Länder mit schwachen Währungen und Finanzsystemen weiter von wichtigen Finanzierungskanälen auszuschließen, indem sie die souveräne Kontrolle über die eigene, einheimische Währung verlieren.

● Neuer Regulierungsbedarf

Für eine Senkung der Kosten von Heimatüberweisungen und für die finanzielle Inklusion armer Haushalte im globalen Süden sind zwar neue Technologien hilfreich, aber viel wichtiger ist die Anpassung bestehender Regulierungen an die Bedürfnissen armer Menschen. Der Currency Exchange Fund ("TCX"), der von einer Gruppe von Institutionen der Entwicklungsfinanzierung 2007 eingerichtet wurde, sollte ausgeweitet werden, um Lösungen für das Management von Währungsrisiken in Entwicklungs- und Schwellenländern anzubieten.

Es ist damit zu rechnen, dass die Libra und sonstige auf Blockchain basierende Digitalwährungen als Disruptoren in den internationalen Zahlungssystemen auftreten werden. Der Fall Ripple zeigt allerdings, dass sowohl Banken als auch MTOs sich dieser neuen Technologien bedienen werden, um ihre Profite zu steigern. Bezeichnenderweise führt der Ripple-Gründer Chris Larsen mit einem Kryptowährungs-Vermögen von fast 8 Mrd. Dollar die Forbes-Liste der reichsten Krypto-Millionäre an. Kryptowährungen werden die Konzentration des Finanzkapitals nicht beseitigen, sondern auf eine neue Stufe heben.

Milliarden von Menschen könnten durch digitale Lösungen einen besseren Zugang zu Finanzdienstleistungen erhalten. Mit Hilfe von Blockchain könnten die Transaktionskosten von Heimatüberweisungen weiter gesenkt werden. Währungs- und Finanzmärkte sind allerdings ein globales Gemeingut und sollten nicht von einer Handvoll Global Player wie Facebook oder PayPal kontrolliert werden. In einer globalisierten Welt kann ein Land, das Libra ablehnt, allmählich von Libra-nutzenden Ländern isoliert werden. Aufgabe der Politik ist also, sowohl das Potenzial als auch die Gefahren von privaten Digitalwährungen ernst zu nehmen. Wir brauchen neue Gesetze und Regulierungen für globale Verträge, um potentielle negative Auswirkungen abzumildern und die Macht der Organisationen, die diese neuen Währungen betreiben, einzuschränken, ohne die Menschen mit niedrigem Einkommen zu bestrafen. Öffentliche internationale Einrichtungen mit ausreichender Legitimation sollten dabei die führende Rolle spielen.

Dr. Pedro Morazán ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am SÜDWIND-Institut für Ökonomie und Ökumene, Bonn.

Posted: 26.7.2019

Empfohlene Zitierweise:
Pedro Moranzán: Faceboos Zugriff auf Geld und Daten der Armen, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 17. Juli 2019 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

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