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Handelskriege und Entwicklungsländer

Artikel-Nr.: DE20190214-Art.02-2019

Handelskriege und Entwicklungsländer

Mehr Verlierer als Gewinner

Wie Du mir, so ich Dir: Handelskriege mit gegenseitigen Zollerhöhungen dominieren die aktuellen Wirtschaftsnachrichten. Sie verzerren den internationalen Handel und ermöglichen nur einer Handvoll Ländern, geringfügige Vorteile einzuheimsen. Wer sind die Verlierer, wer die Gewinner? Und was bedeutet das anhaltende Gerangel für die Entwicklungsländer? Eine neue UNCTAD-Studie untersucht die Rückwirkungen des von den USA entfesselten Handelskriegs. Von Rainer Falk.

Wegen der Größe ihrer Ökonomien werden die von den USA und China verhängten Zölle unvermeidlich signifikante Auswirkungen auf den internationalen Handel haben, so die Leiterin der internationalen Handelsabteilung der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD), Pamela Coke-Hamilton, bei der Vorstellung der Studie „Key Statistic and Trends in Trade Policy 2018“ (s. Hinweis).

● Verzerrung des internationalen Handels

Die Studie unterstreicht, dass bilaterale Zölle wenig dazu beitragen, die eigenen Firmen auf ihren jeweiligen Märkten zu unterstützen. Unterdessen stellen sie aber sehr wirksame Instrumente dar, um den Export aus dem ins Visier genommenen Land zu begrenzen. Der Effekt der US-China-Zölle wäre hauptsächlich handelsverzerrend, argumentiert UNCTAD: Der bilaterale Handel zwischen den USA und China wird abnehmen und durch Handel anderer Länder ersetzt werden.

Die Studie schätzt, dass von den chinesischen Exporten im Wert von 100 Mrd. Dollar, die von den US-Zöllen betroffen sind, rund 82% von Firmen in anderen Ländern übernommen werden, während rund 12% bei chinesischen Firmen bleiben und nur rund 6% von US-Firmen übernommen werden. Ähnlich dürften von den US-Exporten in Höhe von 85 Mrd. Dollar, die von chinesischen Zöllen betroffen sind, rund 85% von Firmen in anderen Ländern übernommen werden, während weniger als 10% bei US-Firmen bleiben und chinesische Firmen nur etwa 5% auf sich ziehen werden. Die Resultate sind durch verschiedene Sektoren hindurch vergleichbar, von Maschinen über Holzprodukte und Möbel, Kommunikationsausrüstungen und Chemikalien bis hin zu Präzisionsinstrumenten.

● Zölle und Wettbewerbsfähigkeit

Der Grund für diese Verschiebungen ist einfach: Bilaterale Zölle verändern die globale Wettbewerbsfähigkeit zugunsten von Firmen, die in Ländern operieren, die von den Zöllen nicht direkt betroffen sind. Das schlägt sich in den Import- und Exportmustern rund um den Globus nieder.

Erwartungsgemäß dürften Länder am meisten von den Spannungen zwischen den USA und China profitieren, die wettbewerbsfähiger sind und über die wirtschaftliche Kapazität verfügen, um US- und chinesische Firmen zu ersetzen. Die Studie zeigt, dass EU-Exporte am meisten steigen dürften, und zwar mit der Übernahme von bilateralem US-China-Handel in Höhe von 70 Mrd. Dollar (chinesische Exporte in die USA in Höhe von 50 Mrd. und US-Exporte nach China in Höhe von 20 Mrd. Dollar). Japan, Mexiko und Kanada dürften jeweils über 20 Mrd. Dollar übernehmen.

Obwohl diese Zahlen keinen großen Anteil am Welthandel ausmachen – jener wurde 2017 auf 17 Billionen Dollar beziffert – stellen sie für viele Länder einen substantiellen Anteil ihrer Exporte dar. Beispielsweise würden die nahezu 27 Mrd. Dollar des US-China-Handels, die an Mexiko gehen würden, einen nicht zu vernachlässigenden Anteil der Gesamtexporte Mexikos ausmachen, nämlich rund 6%. Substantielle Effekte, gemessen am Umfang ihrer Exporte, werden auch für Australien, Brasilien, Indien, die Philippinen, Pakistan und Vietnam erwartet, wie die Grafik 1 zeigt.


Gleichwohl unterstreicht die Studie auch, dass selbst für Länder, deren Exporte aufgrund der Handelskonfrontation steigen könnten, nicht alle Resultate positiv sein werden. Der Markt für Sojabohnen ist ein bezeichnendes Beispiel. Die chinesischen Zölle auf US-Sojabohnen hatten handelsverzerrende Effekte zugunsten mehrerer Exportländer, insbesondere Basilien, das plötzlich zum Hauptlieferanten von Sojabohnen für China wurde. Doch da das Ausmaß und die Dauer der Zölle unklar sind, zögerten die brasilianischen Produzenten mit den notwendigen Investitionen, die sich als unprofitabel erweisen könnten, wenn die Zölle wieder aufgehoben werden. Darüber hinaus könnten die brasilianischen Firmen, die in Sektoren operieren, in denen Sojabohnen als Inputs genutzt werden (z.B. als Viehfutter), an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, wenn die chinesische Nachfrage nach brasilianischen Sojabohnen zu Preissteigerungen führt.

● Risiken für die Weltwirtschaft

Die Studie unterstreicht ebenso, dass die globalen negativen Effekte wahrscheinlich dominieren, selbst wenn einige Länder Exportzuwächse erfahren. Eine gemeinsame Sorge ist die unvermeidliche Konsequenz von Handelsstreitereien auf die immer noch fragile Weltwirtschaft. Ein wirtschaftlicher Abschwung wird oft von Unruhen bei den Rohstoffpreisen, auf den Finanzmärkten und bei Währungen begleitet, die alle wichtige Rückwirkungen auf die Entwicklungsländer haben. Eine Hauptsorge ist das Risiko, dass handelspolitische Spannungen in Währungskriege eskalieren könnten, die wiederum den Schuldendienst erschweren würden.
Eine weitere Befürchtung ist, dass mehr Länder in die Auseinandersetzungen hineingezogen würden und protektionistischen Politiken auf globaler Ebene eskalieren würden. Da protektionistische Politiken im allgemeinen schwächere Länder am meisten treffen, ist eine gut funktionierendes multilaterales Handelssystem, das in der Lage ist, protektionistische Impulse zurückzudrängen und die Märkte für ärmere Länder offen zu halten, von grundlegender Bedeutung.


Schließlich hat in einer verflochtenen globalen Ökonomie das Wie-Du-mir/So-ich-Dir-Gebahren der Handelsgiganten sehr schnell Dominoeffekte über die Länder und Sektoren, die im Fokus stehen, hinaus. Zollsteigerungen bestrafen nicht nur die Endproduzenten eines Produkts, sondern auch die Zulieferer entlang der Kette. Beispielsweise wird das hohe Volumen chinesischer Exporte, die von US-Zöllen betroffen sind, wahrscheinlich die ost-asiatischen Wertschöpfungsketten härtesten treffen, wobei die UNCTAD schätzt, dass diese um rund 160 Mrd. Dollar schrumpfen könnten.

Die anhaltenden Handelsspannungen begannen Anfang 2018, als die USA und China Zölle auf jeweils rund 50 Mrd. Dollar einführten. Die Konfrontation eskalierte schnell, und im September 2018 erhoben die USA schon Zölle von 10% auf chinesische Importe im Wert von 200 Mrd. Dollar. Darauf reagierte China mit der Einführung von Vergeltungszöllen auf Importe aus den Vereinigten Staaten im Wert von zusätzlichen 60 Mrd. Dollar. Die 10%-Zölle sollten ursprünglich im Januar 2019 auf 25% steigern. Doch Anfang Dezember am Rande des G20-Gipfels in Argentinien kamen die Kontrahenten überein, die Zollsteigerungen bis zum 1. März 2019 einzufrieren.- Es bleibt abzuwarten, ob bis dahin ein deeskalierender Kompromiss gefunden werden kann.

Hinweis:
* UNCTAD: Key Statistics and Trends in Trade Policy 2018: Trade Tensions, Implications for Developing Countries, 35 pp, United Nations: New York-Geneva 2019. Bezug: über unctad.org

Posted: 14.2.2019

Empfohlene Zitierweise:
Rainer Falk: Handelskriege und Entwicklungsländer. Mehr Verlierer als Gewinner, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 14. Februar 2019 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

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