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Trump: Die Weltmärkte schlagen Kapriolen

Artikel-Nr.: DE20190510-Art.07-2019

Trump: Die Weltmärkte schlagen Kapriolen

Die USA eskalieren den Handelskrieg

Manchmal sind die Bewegungen einer Woche aussagekräftiger als die eines ganzen Monats. So war es diesmal mit der ersten Mai-Woche. Noch am Montag sahen die Analysten die globale Ökonomie aus dem Dunkel des Winters in einen lichten Frühling hineinwachsen. Gesunde Wirtschaftsdaten aus der EU, den USA und China straften die These vom prekären Wachstum Lügen, die der IWF noch auf der Frühjahrstagung vor vier Wochen vertreten hatte. Doch dann nervten neue Tweets des US-Präsidenten die Weltmärkte. Eine Momentaufnahme von Rainer Falk.

Noch an jenem optimistischen Montag hatte Trump in zwei Tweets seinen chinesischen Verhandlungspartnern damit gedroht, die Zölle auf Jahresimporte im Wert von 200 Mrd. Dollar von 10 auf 25% zu erhöhen. „Die Märkte“ reagierten prompt – mit Kurseinbrüchen an den Börsen, einer unmittelbaren Eintrübung der Stimmung und der Befürchtung, die Abwärtskorrekturen an den wichtigsten globalen Wirtschaftsdaten von vor vier Wochen könnten doch nicht ganz aus der Luft gegriffen sein. Eine längere Periode der Ruhe, getragen von der Hoffnung auf einen handelspolitischen Deal zwischen den USA und China, könnte zu Ende kommen, so die allgemeine Auffassung.

● Wie die USA den Konflikt mit China eskalieren

In der Tat hat dann Trump am Ende der Woche die neuen Zölle verkündet und damit die Aussichten auf eine schnelle Einigung im Handelsstreit mit China zunichte gemacht. Es ist die drastischste Eskalation, seit der US-Führer seinen Handelskrieg mit Peking im Sommer 2018 begonnen hatte. Auf Strafzölle von 25% auf chinesische Industrieexporte im Wert von 50 Mrd. Dollar folgte im September die Verhängung eines Zollsatzes von 10% auf eine viel breitere Produktpalette im Wert von 200 Mrd. Dollar. Dieser Zoll wurde jetzt auf 25% erhöht. Und um die Drohung komplett zu machen verkündete Trump, man beginne jetzt mit den Planungen, den 25%-Satz auf alle verbleibenden chinesischen Import (ca. 325 Mrd. Dollar) auszuweiten.

Die systematische Eskalation des Handelskriegs durch Washington folgt einem klaren Ziel: den chinesischen Konkurrenten so weit zurückzuwerfen, dass er den USA auf absehbare Zeit wirtschaftlich nicht mehr gefährlich werden kann. Deshalb behaupteten Trumps Unterhändler jetzt, Peking sei von bereits gegebenen Zusagen in Sachen Patentschutz, Investitionsrecht und Finanzregulierung wieder abgerückt. Doch keiner hätte wohl im Ernst geglaubt, die Chinesen würden hinter die roten Linien zurückweichen, die so essentiell für das chinesische Entwicklungsmodell waren und sind.

● Jeder verliert

Es ist schon fast ein Allgemeinplatz zu sagen, dass keiner gewinnt, wenn die USA und China sich bekriegen. Oder anders, mit einem afrikanischen Sprichwort formuliert: „Wenn die Elefanten kämpfen, leidet das Gras.“ Auch wenn die Trump-Administration es bestreitet, werden bislang am meisten die US-Farmer getroffen, deren Importe von China mit Gegenzöllen belegt wurden. Umgekehrt ist klar, dass alle von den USA erhobenen Importabgaben von den Importeuren und Konsument*innen getragen werden müssen (auch wenn diese Effekte gesamtwirtschaftlich durch die Trump’schen Steuersenkungen etwas abgemildert werden). Deshalb befürchten Sprecher der US-Konzerne wie der Vorsitzende des US Council for International Business, Peter Robinson, auch, dass die jüngste Zolleskalation und die unvermeidliche chinesische Antwort darauf beträchtliche zusätzliche Auswirkungen auf Exporteure, Unternehmen, Arbeiter und Gemeinden haben werden.

Dabei ist das, was bislang an negativen Auswirkungen des neuen Handelskriegs sichtbar geworden ist, nur die Spitze des Eisbergs, dessen größerer Teil erst in Zukunft sichtbar werden dürfte. Aber das sprichwörtliche „Vertrauen“ in eine kooperative Entwicklung der Weltwirtschaft, so sagen viele, ist durch die Kriegsführung Trumps heute schon zerstört. Und so wäre es sinnvoller, die statistischen Abwärtskorrekturen der internationalen Institutionen als Vorboten künftiger Stürme zu interpretieren, die die derzeitigen Kapriolen des Weltmarkts noch weit übertreffen könnten.

● Vertrakt für den Süden

In der Tat hagelte es in diesem Frühjahr schlechte Nachrichten auf schlechte Nachrichten. Der IWF kürzte wiederholt seine Prognosen für das Wachstum im Jahr 2019. Zusammen mit der Weltbank enthüllte er eine sich fortwährend verschlechternde Akkumulation öffentlicher und privater Schulden. Die OECD berichtete von einem Rückgang der Öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA). Die WTO zeigte sich besorgt über eine Entschleunigung des internationalen Handels und ein Wachstum der internationalen Handelsspannungen. Und die UNCTAD berichtete einen Rückgang der Flüsse ausländischer Direktinvestitionen (FDI) mehrfach hintereinander.

Wenn sich so viele dunkle Wolken zur gleichen Zeit über der Weltwirtschaft zusammenziehen, dann lässt sich wahrlich nicht von rosigen Aussichten sprechen. Vor allem die Entwicklungs- und Schwellenländer werden durch die Akkumulation solcher bad news in eine vertrackte wirtschaftliche Lage getrieben. Während für die Industrieländer derzeit die größte Gefahr im eskalierenden Handelskrieg zu liegen scheint, ist eine wachsende Zahl von Entwicklungs- und Schwellenländern von neuen Schuldenkrisen bedroht. Über 40% der Länder mit niedrigem Einkommen sehen sich heute bereits unmittelbar vor einem Ausbruch einer Schuldenkrise oder mit einer gravierenden Verschlechterung ihrer Schuldennachhaltigkeit konfrontiert. Dabei verstärken sich beide Krisenfaktoren gegenseitig: Während der Handelskrieg auch Exportchancen des Südens (und damit die Schuldendienstfähigkeit) beschneidet, könnten Schuldenkrisen auch die Märkte für nördliche (und südliche) Exporteure einschränken.

Posted: 10.5.2019

Empfohlene Zitierweise:
Rainer Falk: Die Weltmärkte schlagen Kapriolen. Die USA eskalieren den Handelskrieg, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 10. Mai 2019 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

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