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Trumps Regimewechsel-Strategie in Venezuela

Artikel-Nr.: DE20190219-Art.03-2019

Trumps Regimewechsel-Strategie in Venezuela

Ein tief gespaltenes Land

Mindestens 17 Jahre lang hat Washington versucht, die Regierung Venezuelas zu stürzen, doch die Trump-Administration hat einen noch offeneren und aggressiveren Kurs als ihre Vorgängerinnen eingeschlagen. Kürzlich haben die Vertreter der Administration in einen höheren Gang geschaltet, indem sie den von ihnen auserwählten Nachfolger von Venezuelas Präsident Nicolás Maduro Moros schon vor einem Staatsstreich die Weihe gaben. Der 35 Jahre alte Juan Guaidó, Mitglied des Venezuelanischen Kongresses, verkündete, dass er nun Präsident sei, und die Trump-Administration erkannte ihn – zusammen mit verbündeten Regierungen und entsprechend einem vorab arrangierten Plan – unmittelbar an. Von Mark Weisbrot.

Es ist klar, dass Präsident Donald Trumps Ziel ein Regimewechsel ist; seine Administration versucht nicht einmal, das zu verbergen. Und seine Verbündeten, Vizepräsident Mike Pence und Senator Marco Rubio (R-Fla.), haben seit langem klar gemacht, worauf sie hinaus wollen.

● Provokation statt Kompromiss

Es wäre ein schrecklicher Fehler, diesen Weg weiter zu gehen. Trumps Politik hat die Leiden der Venezolaner nur verschlimmert und es dem Land unmöglich gemacht, sich aus der langen Depression und Hyperinflation zu befreien. Es braucht eine Verhandlungslösung, um den politischen Konflikt in Venezuela zu lösen, doch das Engagement der Trump-Administration für einen nicht legalen Regimewechsel verbaut diese Option schnell. Schlimmer noch, Trumps Strategie besteht offensichtlich darin, das Leiden durch Sanktionen zu verstärken (mehr davon wurden gerade angekündigt), bis eine Fraktion des Militärs einen Putsch veranstaltet, um eine neue, Pro-US-Regierung zu installieren.

Die Fairness der Präsidentschaftswahlen von 2018, die die Opposition boykottierte, lässt sich diskutieren, doch die Hauptprobleme der Regimewechsel-Strategie haben mit anderen Erwägungen zu tun. Venezuela ist ein polarisierten Land und der Stürz der Regierung würde – selbst wenn Washington in diesen Kampf nicht involviert wäre – diese Polarisierung und die Aussichten auf noch mehr Gewalt oder sogar einen Bürgerkrieg nur anheizen.

Nehmen wir das Beispiel Nikaragua, wo 1990 die linken Sandinistas und ihre US-unterstützten Gegner übereinkamen, ihre Differenzen durch eine Wahl zu lösen. Die beiden Seiten mussten bestimmten Bedingungen zustimmen, etwa dass die Verlierer nicht verfolgt werden würden: Die Sandinistas behielten die Kontrolle über die Armee, nachdem sie die Wahlen verloren, und der Frieden wurde gewahrt. Diese Art notwendiger Kompromisse wären unmöglich unter der Regimewechsel-Strategie, wie sie die Trump-Administration verfolgt.

● Linien der Polarisierung

Venezuela ist entlang politischer Linien polarisiert, spätestens seit Hugo Chávez 1998 zum Präsidenten gewählt wurde und seine Bolivarische Revolution startete. Der Versuch der Opposition, Chávez 2002 durch einen Militärputsch zu stürzen, unterstützt und angetrieben durch Vertreter der Administration von Geoge W. Bush, wie auch der Unwille der Oppositionsführer, die Ergebnisse der demokratischen Wahlen in den Folgejahren anzuerkennen, legten die Grundlage für viele Jahre des Misstrauens.

Venezuelas politische Polarisierung ist indessen auch verbunden mit einer großen Spaltung, die die meisten lateinamerikanischen Gesellschaften durchdringt: eine Teilung infolge von Klasse und Rasse. Wie fast überall in Lateinamerika hängen beide eng miteinander zusammen. In den Protesten der Opposition während der letzten Dekade konnte man diese Unterschiede an der Kleidung, die Anhänger und Gegner der Regierung trugen, aber auch an ihrer Hautfärbung.

Die Oppositionsanhänger waren erheblich weißer und aus höheren Einkommensgruppen als Venezolaner, die die Regierung unterstützten. In den jüngsten Protesten war ein Anstieg von regierungsfeindlichen Aktionen seitens der Arbeiterklasse und ärmeren Regionen von Caracas zu verzeichnen, doch die Klassen- und Rassenspaltung zwischen den Chavistas und der Opposition ist nicht verschwunden.

Eine andere Linie der Polarisation in Venezuela ist der Glaube an Souveränität und Selbstbestimmung. Die Chavistas haben die Unabhängigkeit von den USA zu einem Kernpunkt ihrer Agenda gemacht, und ihre Regierung, sofern sie Geld hatte, verfolgte eine Politik in der Hemisphäre, die auch für die Region nach mehr Unabhängigkeit strebte.

Die Opposition und die Feinde der Chavista-Regierungen arbeiteten in den beiden letzten Dekaden im Gegensatz dazu eng mit der US-Regierung zusammen – was sich bei der Koordination ihres letzten Putschversuches zeigte. Washingtons Intervention verschärft die Polarisierung entlang der Linie der Souveränität und gibt die Opposition der Anklage des Bündnisses mit einer ausländischen Macht preis – einer Macht, die historisch eine schreckliche Rolle in der Region gespielt hat. Um die damit geschaffene Animosität einzuschätzen, bedenke man, wie viel Verärgerung die russische Einmischung in die Präsidentschaftswahlen 2016 geschaffen hat und multipliziere dies um ein vielfaches.

Es sind die polarisierenden Konsequenzen der Trump’schen Regimewechsel-Operationen, die sie so gefährlich machen. Die Inflation liegt wahrscheinlich bei über 1 Mio. % jährlich, und die Wirtschaft ist in den letzten fünf Jahren um schätzungsweise 50% geschrumpft – ein Rekordwert in Lateinamerika. Millionen haben das Land auf der Suche nach Arbeit verlassen. Die Opposition hätte die letzte Präsidentschaftswahl fast sicher gewonnen, wenn sie teilgenommen und sich um einen einzigen Kandidaten geschart hätte. (Nur zur Information: Berichten zufolge haben die USA einen Oppositionskandidaten, nämlich Henri Falcón, mit persönlichen finanziellen Sanktionen bedroht, wenn er als Präsidentschaftskandidat antreten würde.)

● Chancen für politische Lösung schwinden

Obwohl die Wirtschaftspolitik der Regierung eine Rolle bei den Problemen Venezuelas gespielt hat, haben die Sanktionen Trumps seit August 2017 die Situation beträchtlich verschlechtert, indem sie die Ölindustrie schädigten und die Medikamentenknappheit verschärften, was viele Venezolaner mit dem Tod bezahlten. Die Trump-Sanktionen machen es für die Regierung auch nahezu unmöglich, die notwendigen Maßnahmen gegen Hyperinflation und Depression zu treffen.

Obwohl die US-Medien hierzu schweigen, ist es wichtig festzuhalten, dass die Trump-Sanktionen sowohl völlig unmoralisch (nochmal: sie töten Menschen) als auch illegal sind. Sie sind unter der Charta der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der UN-Charta und anderen internationalen Konventionen, denen die USA angehören, verboten. Die Sanktionen verletzen auch US-Recht, da der Präsident absurderweise feststellen müsste, dass Venezuela „eine ungewöhnliche und außerordentliche Bedrohung der nationalen Sicherheit“ der Vereinigten Staaten darstellt, um diese Maßnahmen zu verhängen.

Venezuela kann dieser politischen Krise nicht entkommen, indem eine Seite die andere bezwingt, wie die Vertreter des Regimewechsels annehmen. Der Vatikan spielte 2016 eine Rolle als Vermittler, und Uruguay und Mexiko, die im politischen Konflikt neutral blieben, haben dies jüngst angeboten. Doch die Trump-Leute haben einen mächtigen Einfluss auf die Opposition, und sie haben bis heute kein Interesse an einer friedlichen Lösung gezeigt.

Mark Weisbrot ist Co-Direktor des Center for Economic and Policy Research in Washington, DC.

Posted: 19.2.2019

Empfohlene Zitierweise:
Mark Weisbrot: Trumps Regimewechsel-Strategie in Venezuela. Ein tief gespaltenes Land, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 19. Februar 2019 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

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