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China im Welthandel: Der Aufstieg eines Titans

Artikel-Nr.: DE20210503-Art.08.04-2021

China im Welthandel: Der Aufstieg eines Titans

China ist vielleicht eines der außergewöhnlichsten Beispiele für ökonomische Entwicklung in der jüngsten Geschichte. In den letzten 25 ist die Wirtschaft des Landes schnell expandiert und hat mehr Menschen als irgendwo anders auf der Welt aus der Armut geholt. Doch all dies wäre nicht möglich gewesen ohne eine andere herausragende Story: den Aufstieg Chinas von der Peripherie des Welthandels zu einem globalen Handelstitan, schreiben Alessandro Nicita and Carlos Razo.

Während der Aufstieg Chinas zur Exportmacht zu Beginn dieses Jahrhunderts sichtbar wurde, begann die Geschichte bereits früher. Gegen Ende der 1970er Jahre begann China eine Reihe von Reformen zum Upgrading seiner Ökonomie und zur Öffnung gegenüber der Welt. Zu dieser Zeit belief sich sein Anteil am Welthandel auf weniger als 1%.

● Genese einer Handelstransformation

1986 stellte China den Antrag zur Aufnahme in das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT), um den Zugang für seine wachsenden Exporte auf ausländische Märkte voranzubringen und abzusichern. Jedoch scheiterte der Beitrittsprozess, und weitere 15 Jahre vergingen, bevor China eine formelle Verbindung mit dem multilateralen Handelssystem herstellen konnte. Während dieser Jahre wuchs sein Anteil am Welthandel allmählich an, aber Chinas Teilhabe an der Weltwirtschaft blieb stark unter seinem Potential.

Bis zur Jahrhundertwende brachten zwei zusammenhängende Ereignisse China auf den Weg zur heutigen Rolle als Machtzentrum der Verarbeitungsindustrie: das Aufkommen globaler Wertschöpfungsketten (GVCs) und Chinas Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO).

In der Mitte der 1990er Jahre machten Fortschritte in der Transportlogistik und der Informations- und Kommunikationstechnologien die weltweite Fragmentierung der Produktion möglich. Bald darauf durchkämmten GVCs den Globus nach verlässlichen Niedriglohnpartnern, um ihre Operationen auszuweiten, doch mit gemischten Konsequenzen für Arbeitsbedingungen und CO2-Emissionen.

Gleichzeitig stellte die neu gebildete WTO (gegründet 1995) ein strukturierteres regulatorisches Umfeld für den internationalen Handel bereit, einen internationalen Streitschlichtungsmechanismus sowie niedrigere grenzüberschreitenden Transaktionskosten im Ergebnis niedrigerer Zölle und der Unterbindung einiger nichttarifärer Handelshemmnisse. Chinas Beitritt zur WTO in 2001 erlaubte den GVCs den Zugriff auf das Verarbeitungspotential des Landes und setzte es in die Lage, seine Exporte in den Rest der Welt dramatisch zu steigern. Von da an ist die Geschichte schnell geschrieben. Bis 2020 war China bereits der unumstrittene Exportchampion der Welt.

● Kometenhafter Aufstieg bewundert und in Frage gestellt

Der Aufstieg dieses Handelstitans wurde sowohl bewundert als auch in Frage gestellt. Sorgen über den Einsatz staatlicher Subventionen, Quoten, Exportforderungsmaßnahmen, intellektuelle Eigentumsrechte und das Management des Wechselkurses standen im Zentrum der Auseinandersetzung. In der Tat standen viele dieser Sorgen im Mittelpunkt der Klagen vor der WTO und stehen hinter den anhaltenden Handelsstreitigkeiten zwischen den Vereinigten Staaten und China.

Nichtsdestotrotz erwiesen sich Chinas Exporte nicht nur gegen diesen konstanten Strom von Klagen resistent, sondern auch gegen die Handelsspannungen mit den Vereinigten Staaten und die sich verschlechternden Beziehungen mit der Europäischen Union – im März 2021 verhängte die EU ihre ersten Sanktionen gegen China seit 1989.

In der Tat ist Chinas Bedeutung für die globale Produktion in den meisten Sektoren – von Präzisionsinstrumenten und industriellen Maschinen bis zu Computern und Smartphones – während der letzten beiden Dekaden ständig gewachsen.

Die Covid-19-Pandemie hat die Schlüsselrolle, die China in der Weltwirtschaft spielt, weiter demonstriert. Anfang 2020, als sich die Covid-19-Infektionen im ganzen Land verbreiteten, kamen Produktionsprozesse überall auf dem Globus zum Stillstand oder verlangsamten sich wegen der Unterbrechung chinesischer Lieferungen.

Darüber hinaus konnte sich China wegen des hohen Niveaus seiner Exportresistenz nicht nur eine zügige Exporterholung von der Pandemie erlauben, sondern auch weitere Zugewinne in einer großen Bandbreite von Exportsektoren einheimsen, selbst wenn diese Sektoren insgesamt einen Niedergang erlebten. Im  Ergebnis stieg Chinas Anteil am globalen Handel 2020 weiter auf fast 15% an.

2021 war die Erholung des chinesischen Handels von der Krise beeindruckend. Im ersten Quartal dieses Jahres schnellte sein Export um fast 50% (gegenüber dem Vorjahreszeitraum) auf rund 710 Mrd. Dollar nach oben.

Obwohl dieser hohe Zuwachs teilweise der niedrigen Vergleichsbasis des letzten Jahres geschuldet ist, ist das Resultat des ersten Quartals immer noch 27% höher (rund 150 Mrd. Dollar) als im ersten Quartal 2019, bevor Covid-19 erst China traf und dann die Weltwirtschaft.

● Wie geht es weiter?

Insgesamt bleibt China in der nahen Zukunft wahrscheinlich der führende Exporteur der Welt. Dennoch dürfte seine Exportdominanz in der globalen Ökonomie wahrscheinlich seinen Höhepunkt erreichen. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen.

Erstens macht Chinas Ökonomie einen Reifungsprozess durch, in dessen Verlauf sie abhängiger von heimischer als von ausländischer Nachfrage wird; das Gewicht der Exporte an der chinesischen Ökonomie ist schon in den letzten Jahren schnell gefallen. Für den globalen Handel bedeutet dies, dass chinesische Importe wahrscheinlich schneller wachsen als die Exporte und so den Exportanteil Chinas an der Weltwirtschaft untergraben.

Zweitens höhlen die wachsenden Arbeitskosten in China seine Wettbewerbsfähigkeit aus, vor allem in arbeitsintensiven Produktionsprozessen. Dies wird eventuell die Verlagerung globaler Produktion in Länder mit niedrigeren Kosten zur Folge haben. Hoch kompetitive Länder wie Vietnam werden wahrscheinlich davon profitieren. Überdies verbessern Fortschritte in arbeitssparenden Technologien, etwa Automation und Robotik oder auch finanzielle Anreize für Firmen und Steuerersparnisse für lokale Beschäftigung, die finanzielle Attraktivität der Rückverlagerung einiger Verarbeitungsprozesse in die Nähe der Konsumenten in Industrieländern.

Schließlich werden die Gegenwinde gegen die globalisierte Ökonomie stärker. Derzeitige geopolitische Spannungen und nationale Politikwechsel, die in zunehmendem Maße auf soziale und ökologische Aspekte von Entwicklung reagieren, könnten den Prozess der Hyperglobalisierung der letzten mehr als 20 Jahre umkehren.

Eine weitere Eskalation der Spannungen und ein Mangel an globalem Handeln, um soziale und ökologische Belange zu bearbeiten, könnten zu einem Prozess der Deglobalisierung führen, der wahrscheinlich überdurchschnittliche Bedeutung für Hauptexporteure wie China haben wird.

Alessandro Nicita und Carlos Razo sind Mitarbeiter der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD).