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Die Weltwirtschaft im ungleichen Rebound

Artikel-Nr.: DE20210704-Art.15.06-2021

Die Weltwirtschaft im ungleichen Rebound

Der Welthandel als Vorbote

Die Erholung des Welthandels von der Covid-19-Krise erreichte im ersten Quartal 2021 einen Rekordwert. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum (Jahresrate) stieg er um 10%, gegenüber dem letzten Quartal 2020 um 4%. Das geht aus dem Global Trade Update (s. Hinweis) hervor, das die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) im Mai 2021 veröffentlichte (s. Hinweise). Eine Zusammenfassung von Rainer Falk.

Dem Report zufolge wurde die beeindruckende Erholung im ersten Quartal 2021 von der starken Exportleistung der ostasiatischen Ökonomien angetrieben, deren früher Erfolg in der Pandemiebekämpfung ihnen eine schnellere Erholung und eine Nutzung der boomenden globalen Nachfrage nach Covid-19-relevanten Produkten gestattete.

● Schnellere Erholung als in früheren Rezessionen

Nach Auffassung der UNCTAD-Spezialisten von der Abteilung für Internationalen Handel und Rohstoffe verzeichnete der Welthandel eine schnellere Erholung von der durch die Pandemie verursachten Rezession als von den letzten beiden Handelsrezessionen. Es dauerte vier Quartale nach dem Beginn der pandemiebedingten Rezession, bis der Welthandel auf sein Vorkrisenniveau zurückkehrte. Im fünften Quartal (Jan.-März 2021) war der globale Handel dann höher als das Vorkrisenniveau – rund 3% höher als in vierten Quartal 2019.

Im Gegensatz dazu brauchte es 13 Quartale, bis sich der globale Handel von der Rezession 2015 erholte, die sich aus strukturellen Veränderungen in den ostasiatischen Ökonomien und einen Rückgang der Rohstoffpreise ergab. Und neun Quartale waren nötig, um sich von der durch die globale Finanzkrise verursachten Rezession 2009 zu erholen (s. Abbildung). Obwohl der Wert der Güterexporte im ersten Quartal über dem Vorkrisenniveau lag, blieb der Handel mit Dienstleistungen substantiell unter den Durchschnitt.

● Die Hauptökonomien erholen sich

Dem Report zufolge zeigen Import- und Exporttrends für einige Hauptexportökonomien der Welt, dass sich der Handel mit einigen Ausnahmen in den Hauptökonomien von dem Rückgang in 2020 erholte.

Gleichwohl sind die starken Zuwächse der niedrigen Ausgangsbasis im Jahr 2020 geschuldet, und in vielen Hauptökonomien lag der Handel immer unter dem Durchschnitt des Jahres 2019. Der Trend zu einer stärkeren Erholung bei Dienstleistungen ist allen Hauptökonomien gemeinsam.

Der Report zeigt auf, dass China, Indien und Südafrika während des ersten Quartals 2021 relativ besser fuhren als andere Hauptökonomien. Insbesondere die chinesischen Exporte verzeichneten einen starken Zuwachs nicht nur im Vergleich zu 2020, sondern im Vergleich zum Handelsniveau vor der Pandemie überhaupt. Im Gegensatz dazu bleiben die Exporte von Russland unter dem Niveau von 2019.

● Ungleiche Erholung des Handels

Die Handelserholung bleibt insbesondere zwischen Entwicklungsländern ungleich, stellt der UNCTAD-Bericht fest, wobei die Exporte Ostasiens sich substantiell schneller erholten. Die ostasiatischen Länder stehen auch hinter der Erholung des Handels zwischen Entwicklungsländern (Süd-Süd-Handel). Wenn die Handelszahlen der ostasiatischen Entwicklungsländer ausgeschlossen werden, bleibt der Süd-Süd-Handel jedoch unter dem Durchschnitt.

Der Report zeigt, dass der Wert der Exporte im ersten Quartal 2021 für Transitionsländer, den Nahen und Mittleren Osten, Südasien und Afrika unter dem Durchschnitt blieb. Obwohl die Exporte Südamerikas gegenüber dem ersten Quartal anstiegen, blieben sie unter dem Durchschnitt des Jahres 2019.

Die UNCTAD-Autoren stellen fest, dass der Wert der Güterimporte und –exporte der Entwicklungsländer im ersten Quartal 2021 substantiell höher war als in den ersten Quartalen 2020 und 2019 (um rund 16%). Auch im ersten Quartal 2021 setzte sich die Erholung des Handels nicht nur in Covid-10-revevanten Sektoren fort, wie Pharmazeutika, Kommunikation und Büroausrüstungen, sondern auch in andere wie bei Mineralien und bei agrarischen Nahrungsmitteln.

Im Gegensatz dazu hinkte der Energiesektor weiter hinterher und der internationale Handel von Transportausrüstungen blieb stark unter dem Durchschnitt.

● Mehr Wachstum des Handels im laufenden Jahr

Der Bericht sagt vorher, dass der Handel auch in 2021 wachsen wird, wobei ein besonders starkes Wachstum im zweiten Halbjahr erwartet wird. „Das Handelswachstum dürfte stärker in Ostasien und in Industrieländern ausfallen, während viele andere Länder hinterher hinken”, heißt es in dem Report.

Die Vorhersage insgesamt für 2021 verweist auf einen Zuwachs von rund 16% gegenüber dem Tiefpunkt von 2020 (19% für Güter und 8% für Dienstleistungen). Der Wert des globalen Handels von Gütern und Dienstleistungen dürfte im zweiten Quartal 2021 6,6 Billionen Dollar erreichen, was einem Jahreswachstum von 31% gegenüber dem niedrigsten Punkt von 2020 und von rund 3% gegenüber dem Stand vor der Pandemie 2019 entspricht.

* Unwägbarkeiten

Doch der positive Ausblick ist weitgehend abhängig von der Rücknahme der Pandemierestriktionen, einem anhaltenden positiven Trend bei Rohstoffpreisen, allgemeiner Zurückhaltung bei protektionistischen Politiken und günstigen makroökonomischen und fiskalischen Bedingungen, so die UNCTAD. Hinzu kommen zunehmende Rückverlagerungstrends. Die Covid-19-Pandemie hat eine substantielle Unsicherheit in die Operationen vieler globaler Wertschöpfungsketten gebracht – Anreize, die Segmentierung der Produktion zurückzufahren und näher zu den Konsument*innen zu verlegen. Die fortgesetzte Entwicklung und Umsetzung regionaler Handelsabkommen (z.B. die RCEP: Regionale Comprehensive Economic Partnership zwischen den ASEAN und fünf weiteren Staaten des Pazifik, und die AfCFTA: Afrikanische Continental Free Trade Area) und die anhaltenden Handelsspannungen zwischen den Hauptökonomien könnten ebenfalls zur Veränderung der Produktionsmuster globaler Wertschöpfungsketten beitragen. Auch die andauernde Knappheit bei Containern und steigende Frachtpreise könnten dem reshoring und nearshoring weiteren Auftrieb geben.

Dennoch wird erwartet, dass fiskalische Konjunkturpakete, vor allem in Industrieländern, und die positive Rohstoffpreisentwicklung die globale Erholung des Handels durch das Jahr 2021 hindurch stark vorantreiben.

● Das Schlimmste steht noch bevor

Unterdessen verweist die in Basel ansässige Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) vor allem auf drohende Zahlungsengpässe der Länder im Globalen Süden. Ihr Generalmanager Augustín Carstens sagt, die Entwicklungsländer seien nahe an der Erschöpfung ihrer Kreditaufnahmefähigkeit und bald nicht mehr in der Lage, Haushalts- und Währungspolitik zu machen. In der gegenwärtigen Situation arbeite alles gegen sie: reduzierter fiskalischer Spielraum; sie haben keinen monetären Spielraum; sie haben überhöhte private und öffentliche Schulden – zusammen genommen eine eingeschränkt-niedrige Kapazität für Wachstum.

Dies ist das erste Mal in der Welt, so die BIZ auch in ihrem neuen Jahresbericht (s. Hinweis), dass das Wachstum der Industrieländer über dem globalen Wachstum und das globale Wachstum über dem Wachstum der Emerging Markets liegt. Das Wachstum vieler aufstrebender Ökonomien verlangsamte sich in der Dekade vor der Pandemie und lag kaum noch über dem der Industrieländer. Während China, Indien und andere Teil des sich entwickelnden Asiens weiterhin schnell gewachsen sind, stagnierten große Teile der aufstrebenden Welt. Der hohe Stand der öffentlichen und privaten Verschuldung der Emerging Economies belastet die Investitionen schwer, und wenn die finanzielle Bedingungen anziehen, sind diese Länder der Krise besonders ausgesetzt. – So gesehen muss man zu Recht sagen, dass das Schlimmste für die Entwicklungsländer noch vor ihnen liegt.

Hinweise:
* Bank of International Settlements: Annual Report 2020/21, 223 pp, BIS: Basel, 29 June 2021. Bezug: über bis.org
* UNCTAD: Global Trade Update, 8 pp, Geneva, May 2021. Bezug: über uctad.org