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Eine Reichtumssteuer für Börsenkonzerne

Artikel-Nr.: DE20210423-Art.07.02-2021

Eine Reichtumssteuer für Börsenkonzerne

Vorschlag zur Lastenteilung in der Welt nach Covid

Ein neuer Forschungsbericht schlägt die Einführung einer neuen Steuer auf Aktien aller öffentlich gelisteten Unternehmen mit Hauptquartier in den G20-Ländern vor. Die Studie von Emmanuel Saez und Gabriel Zucman (beide von der Berkeley-Universität in Kalifornien) fordert, dass jedes Jahr jedes Unternehmen auf seinen Aktienwert 0,2% an Steuern zahlen sollte. Da sich die Aktienmarktkapitalisierung in der G20 auf rund 90 Billionen Dollar beläuft, würde die Steuer jährlich an die 180 Mrd. Dollar einbringen. Eine W&E-Zusammenfassung.

Weil der Aktienbesitz unter den Reichen hoch konzentriert ist, argumentieren die Autoren, hätte diese globale Steuer einen progressiven Charakter. Die Steuer könnte von den Konzernen auch in Sachmitteln bezahlt werden (indem sie neue Aktien ausgeben), so dass sich nicht die Liquiditätsfrage stellen würde oder Geschäftsoperationen betroffen wären.

● 0,2% pro Jahr auf den Aktienbesitz

Zucman, der den Bericht auf einem öffentlichen Panel von Economic Policy vorstellte, betonte: „Große Multinationale Konzerne waren die größten Gewinner der Globalisierung und können immer noch leicht die Zahlung von Steuern vermeiden, indem sie Profite in Steuerparadiese verlegen. Diese fiskalische Ungerechtigkeit untergräbt die Unterstützung für unsere moderne und offene globale Ökonomie. Während es Vorschläge gab, das System zur Unternehmensbesteuerung zu verbessern, sind diese sehr technisch und erfordern eine komplexe Durchsetzungsinfrastruktur. Auch sind sie für die Öffentlichkeit schwer zu verstehen. Unser Vorschlag ist weit einfacher und könnte der Herausforderung begegnen und gleichzeitig starke öffentliche Unterstützung mobilisieren.“

Weltweit haben Regierungen umgehend auf die Covid-Krise mit ehrgeizigen Hilfsmaßnahmen für Familien und Unternehmen reagiert. Über ein Jahr nach dem Beginn der Pandemie werden verschiedene Wege zur Teilung der ökonomischen Kosten dieser Krise diskutiert, etwa Umschuldungen, Einmalabgaben auf Top-Vermögen, eine höhere Besteuerung von Spitzeneinkommen oder breitere Steuererhöhungen.

Die neue Studie schlägt ein neues Instrument vor, das eine nützliche Ergänzung der bisher vorgeschlagenen Maßnahmen sein könnte. Die Autoren schlagen die Einführung einer neuen Steuer auf die Aktienanteile aller öffentlich gelisteten Unternehmen vor, die ihren Sitz in den G20-Ländern haben. Jedes Jahr würde jedes Unternehmen 0,2% seines Aktienwertes als Steuern zahlen. Die Aktienaufsicht in jedem G20-Land (die bereits die Ausgabe und Transaktionen von Wertpapieren überwachen) würden mit der Verwaltung der neuen Steuer beauftragt.

● Konzerngiganten als Hauptgewinner der Krise

Dieser Vorschlag ist besonders an die unmittelbare Welt nach Covid angepasst. Die Pandemie hat zwei entscheidende Trends der Vor-Corona-Weltwirtschaft verstärkt: die zunehmende ökonomische Konzentration und das Wachstum der Ungleichheit. Während traditionelle Geschäfte während des Lockdowns geschlossen wurden, wuchsen die Verkäufe von Amazon, explodierte das Cloud-Computing, und der Facebook-Verkehr stieg ins Uferlose.

Große Konzerngiganten gingen als die Hauptgewinner aus der Pandemie hervor. Trotz des Zusammenbruchs des Welt-Outputs wuchs ihr Marktwert und mit ihm der Reichtum ihrer Besitzer. In den USA z.B. erreichte der Reichtum der 400 reichsten Amerikaner im April 2021 18% des Bruttoinlandprodukts – das Doppelte des Wertes von 2010. Der Reichtum der Billionäre schnellte während der Pandemie global nach oben.

Eine Steuer auf den Marktwert gelisteter Unternehmen würde darüber hinaus zum Vorgehen gegen breitere Trends beitragen, die schon vor der Pandemie virulent waren. Große Multinationale Konzerne waren seit 1980 die größten Gewinner der Globalisierung. Doch statt mehr Steuern zu bezahlen, tendierten diese ökonomischen Akteure zum Gegenteil, vor allem weil sie die Zahlung von Unternehmenssteuern leicht vermeiden können, indem sie ihre Profite in Steuerparadiese verschieben.

Diese fiskalische Ungerechtigkeit untergräbt die Unterstützung für unsere moderne und offene Weltwirtschaft. Einfach ausgedrückt: Wenn Globalisierung immer weniger Steuern für ihre Hauptgewinner (Multinationale Konzerne und ihre Aktieneigner) und immer höhere Steuern für diejenigen bedeutet, die nicht von ihr profitieren oder manchmal sogar unter ihr leiden (Rentner, Kleinunternehmen, Niedriglöhner), dann ist sie wahrscheinlich wenig nachhaltig, weder politisch noch ökonomisch. Es ist dringend notwendig, Globalisierung mit Steuergerechtigkeit zu versöhnen und praktisch zu demonstrieren, dass wirtschaftliche Integration Hand in Hand mit einer höheren Besteuerung derjenigen gehen kann, die von diesem Prozess am meisten profitieren.

Während es Vorschläge für ein besseres Funktionieren des Unternehmenssteuersystems gibt, tendieren diese dazu, hoch technisch zu sein und eine komplexe Infrastruktur zu ihrer Durchsetzung zu erfordern. Auch sind sie kaum verständlich für die Öffentlichkeit und geben den Konzernlobbyisten eine Macht, die Wirksamkeit der Vorschläge zu entschärfen. Die hier vorgeschlagene Lösung ist einfacher und kann auf progressive Weise substantielles Einkommen bei gleichzeitig starker öffentlicher Unterstützung schaffen.

● Leichte Umsetzbarkeit der Steuer

Weil der Aktienbesitz unter den Reichen hoch konzentriert ist, wäre eine Steuer auf den Börsenwert gelisteter Unternehmen hochgradig progressiv. In den USA beispielsweise besitzen die 1% Reichsten rund 33% aller öffentlich gehandelten Unternehmensaktien (einschließlich indirekten Eigentums durch Pensions- und Versicherungsfonds). Da der Börsenwert der Unternehmen in der G20 bei rund 90 Billionen oder bei rund 90% des BIP der G20 liegt, würde die Steuer an die 180 Mrd. Dollar jährlich einbringen – nahezu 0,18% des BIP der G20.

Die Steuer ist ähnlich wie eine Reichtumssteuer auf den Unternehmenswert, so dass die erfolgreichsten Unternehmen am meisten zahlen würden. In unserer globalisierten und schnelllebigen Welt können Unternehmen enorm reich werden, wenn sie einmal eine weltweite Marktmacht erreicht haben und selbst davor beginnen sie, hohe Profite zu machen (z.B. Amazon oder jüngst Tesla). Diese Steuer würde sie früher zur Zahlung von Steuern veranlassen. Die Steuer wäre leicht durchzusetzen und schwierig zu umgehen, da öffentlich gehandelte Wertpapiere jetzt schon stark durch die Aufsichtsbehörden jedes Landes reguliert werden. Diese Behörden erheben bereits verschiedene (doch im Allgemeinen bescheidene) Gebühren auf die Ausgabe und den Handel mit Aktien.

Der Vorschlag funktioniert am besten, wenn die größten Volkswirtschaften bei seiner Einführung kooperieren. Konzerne mit Hauptquartier in den G20 repräsentieren über 90% des weltweiten Marktwerts an den Börsen. Die G20 wäre also die ideale Institution zur Aushandlung einer solchen Steuer und zur Entscheidung darüber, wie die Einnahmen aus einer solchen Steuer den Mitgliedsländern zugeteilt werden könnte. Sie könnte genutzt werden, um aktuelle internationale Prioritäten zu finanzieren oder möglicherweise einen globalen souveränen Fonds aufzubauen, um globale Herausforderungen wie den Klimawandel zu finanzieren.

Weil die Steuer niedrig ist (nur 0,2%) und die G20-Länder aufgrund des hohen Wachstums der öffentlichen Schulden in der Covid-Krise Steuereinnahmen brauchen, ist es vorstellbar, dass die meisten oder alle G20-Länder in der vorhersehbaren Zukunft sich auf eine solche Steuer einigen.

Hinweis:
* Emmanuel Saez/Gabriel Zucman (University of California, Berkely): A Wealth Tax on Corporations’ Stock, 18 pp, CEPR-cesifo-SciencesPo, 11 April 2021. Bezug: über press@cepr.org