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Green Finance und der Globale Süden

Artikel-Nr.: DE20210519-Art.12.05-2021

Green Finance und der Globale Süden

Ein Trojanisches Pferd?

Green Finance ist Dank Werbekampagnen und Public Relations-Strategien von Banken und Investmentfonds sowie der Unterstützung von internationalen Finanzinstitutionen und damit verbundenen AkteurInnen in aller Munde. Green Finance soll nicht nur Umweltprobleme lösen, sondern auch die Finanzstandorte, darunter Deutschland, stärken. Eine Analyse von Johannes Jäger.

So verkündet Karsten Löffler, Vorsitzender des Sustainable-Finance-Beirats der Deutschen Bundesregierung, auf der Webseite des Beirats: „Mit der Etablierung des Sustainable-Finance-Beirats setzt die Bundesregierung die Finanzierung der Klima- und Nachhaltigkeitsziele auf die Agenda. Sie stellt so deren Bedeutung für die gesamte Volkswirtschaft und damit für die Zukunfts- und internationale Wettbewerbsfähigkeit des Finanzstandorts Deutschland heraus.“ Auch die Weltbankstrategie „Maximizing Finance for Development“ stößt ins selbe Horn und sieht private Green Finance als wichtigen Hoffnungsträger, der dazu beiträgt, Umwelt- und Entwicklungsziele im globalen Süden zu erreichen. Aber kann Green Finance in der vorherrschenden Form die Versprechungen halten? Die Antwort ist Nein. Doch warum ist das so?

● Freiwilligkeit ist keine umweltpolitische Strategie

Eine zentrale Problematik der gängigen Formen von Green Finance liegt in der zugrundeliegenden Vorstellung, dass umweltorientiertes Investitionsverhalten Umweltprobleme lösen könne. Das beruht auf der radikalen neoliberalen Annahme, dass Freiwilligkeit (wie Corporate Social Responsibility – CSR, und Enviromental and Social Governnace – ESG Kriterien) eine effektive umweltpolitische Strategie sei. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr werden Umweltaspekte von Unternehmen und damit auch im Finanzsektor in der Regel nur dann berücksichtigt, wenn sie sich positiv auf den Gewinn und/oder die Reputation auswirken, wobei Letzteres wieder positiv auf den Gewinn wirken soll.

Die Vorstellung, dass Freiwilligkeit eine Lösung sei, widerspricht auch der gängigen und sonst so gerne vom Finanzsektor angeführten Annahme von effizienten Märkten. Die Möglichkeiten von Anleger*innen sind bestenfalls marginal, da sich der Wert von Finanzanlagen aus den zukünftigen Gewinnerwartungen ergibt. Mehr Nachfrage nach „grünen“ Finanzanlagen mag zwar kurzfristig zu Preisübertreibungen führen. À la longue hängen die Preise allerdings von den Erträgen – und damit von realwirtschaftlichen Bedingungen – ab. Es sind diese Bedingungen, die den Wert von Finanzanlagen bestimmen und nicht umgekehrt.

Überdies bleibt das Problem bestehen, dass „braune“ bzw. umweltschädliche Investments, solange sie rentabel sind, nach wie vor unverändert getätigt werden – oft auch innerhalb desselben Unternehmens. Ein klarer Fall von sogenanntem „Green Washing“. Es reicht daher nicht, auf Strategien von FinanzanlegerInnen zu setzen, sondern einzig klare Umweltregeln, die für alle gelten, können die notwendigen Veränderungen für eine ökologische Neuausrichtung des Wirtschaftssystems bewirken.

● Profitabilität auf Kosten der Allgemeinheit

Auch für den globalen Süden stellt sich diese neoliberale Form von Green Finance als Trojanisches Pferd heraus. Neben der Freiwilligkeit werden mittlerweile zudem Steuererleichterungen und Subventionen für „grüne“ Investments gefordert und zum Teil auch gewährt. Dies ist beispielsweise unter dem Begriff von De-Risking in der Entwicklungsfinanzierung mittlerweile populär geworden. Damit wird zwar die Profitabilität für privates Kapital im globalen Süden verbessert, dies jedoch auf Kosten der Allgemeinheit.

Überdies führen sogenannte „grüne“ Investments im globalen Süden dazu, dass altbekannte Muster der finanziellen Abhängigkeit verstärkt werden. Nachdem sich Finanzinvestor*innen eine positive Rentabilität erwarten, bedeutet das, dass es in Summe zu mehr finanziellen Abflüssen aus als Zuflüssen in den globalen Süden kommt. Oftmals werden damit auch zusätzliche Naturressourcen aus dem globalen Süden mobilisiert und in den globalen Norden transferiert. Etwa dann, wenn neue Exportkapazitäten für (vermeintlich) „ökologische“ Produkte, wie z.B. Energy Cash Crops, geschaffen werden. Die pro Kopf ungleich höhere Nutzung von Naturressourcen im globalen Norden und die damit verbundenen Umweltprobleme werden dadurch verstärkt.

Vor diesem Hintergrund sind die schon 2019 von der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) im Trade & Development Report vorgebrachten Vorschläge sehr positiv zu sehen. In diesem wird nämlich deutlich vor den problematischen Implikationen globaler Finanzflüsse gewarnt und die Notwendigkeit von Kapitalverkehrskontrollen betont. Gleichzeitig wird die Bedeutung der Mobilisierung von öffentlichen finanziellen Mitteln in den Staaten des globalen Südens selbst hervorgehoben, insbesondere im Hinblick auf die Mobilisierung von Ressourcen für eine ökologische Transformation.

Europäische Regierungen und auch die EU-Kommission forcieren hingegen im Rahmen des Green Deal-Vorschlags sowie der in Ausarbeitung befindlichen Taxonomie-Verordnung zu Green Finance eine neoliberale Sichtweise. Diese stellt unregulierte internationale Kapitalflüsse nicht in Frage, sondern macht private Green Finance zu einem Angelpunkt für Veränderung.

Der Zugang spiegelt sich auch im entwicklungspolitischen Diskurs wider. Durch die Förderung von privaten Investitionen können zwar teils direkt staatlich subventioniert Finanzprofite im Norden erzielt werden. Globale Asymmetrien werden dadurch jedoch tendenziell vertieft und die global ungleiche Übernutzung von Ressourcen verstärkt. So soll auch der Zugriff der EU auf „kritische Rohstoffe“ gesichert bleiben, was ja auch explizites Ziel dieser Strategie ist.

● Was sind die Alternativen?

Anstatt auf unregulierte „grüne“ internationale Finanzströme aus dem Norden zu setzen oder diese gar durch Subventionen noch zu befeuern, bedarf es der Mobilisierung lokaler Ressourcen im Süden durch effektive Steuersysteme. Das heißt insbesondere, dass es wirksame Kapitalverkehrskontrollen sowie einer tiefgreifenden Entschuldung bedarf, die den Nettoressourcenabfluss aus dem globalen Süden reduziert und die eigenständige Politiken ermöglicht. Dies bedeutet auch eine zentrale Rolle für die Staaten im globalen Süden bei der Setzung von Umweltregeln.

In diesem reformistischen Ansatz zu Green Finance geht es weniger um eine Ausdehnung und Vertiefung kapitalistischer Marktlogik, sondern vielmehr um Strategien der Dekommodifzierung. Anstatt Naturressourcen noch stärker zur Ware zu machen und damit der internationalen Finanzlogik zu unterwerfen, sollen kollektive und staatliche Formen der Bereitstellung und der Durchführung von Umweltinvestitionen angestrebt werden.

Perspektivisch können im Zuge einer noch weitergehenden Form von progressiver Green Finance Schritte gesetzt werden, die globale Umweltfragen vor dem Hintergrund von individuellen Ressourcennutzungsrechten bzw. Ansprüchen, aber auch von Obergrenzen des Verbrauchs thematisieren. Damit könnte ein internationales Regelwerk geschaffen werden, das Umweltrechte (inklusive dem Recht auf Nahrung) für alle garantiert und die Übernutzung von Umweltressourcen durch einige wenige (insbesondere im globalen Norden) reduziert.

Überdies gilt es zu überlegen, wie Finanzanleger*innen hierzulande für die negativen Auswirkungen von Investitionen sowohl auf Makroebene als auch auf Mikroebene im globalen Süden – ähnlich dem Lieferkettengesetz – haftbar gemacht werden können. Jedenfalls ist es nötig, in einem ersten konkreten Schritt zu verhindern, dass öffentliche Gelder der Entwicklungszusammenarbeit dafür genützt werden, um neoliberale Formen von Green Finance – mit all ihren problematischen Auswirkungen für den globalen Süden und die Umwelt – sogar noch zu subventionieren und damit zu verstärken.

Dr. Johannes Jäger lehrt an der Fachhochschule des BFI Wien / University of Applied Sciences BFI Vienna.

Hinweis:
* Schwerpunktausgabe des Journal für Entwicklungspolitik zum Thema The Global Political Economy of Green Finance & Socio-ecological Transformation. Online frei zugänglich unter: https://www.mattersburgerkreis.at/site/de/publikationen/jep/alleausgabenartikel/article/509.html

Empfohlene Zitierweise:
* Johannes Jäger: Green Finance und der Globale Süden: Ein Trojanisches Pferd?, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E 05/2021) und online unter: weltwirtschaft-und-entwicklung.org, Luxemburg, 19.5.2021