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Italien und die G20-Präsidentschaft (II)

Artikel-Nr.: DE20210509-Art.11.04-2021

Italien und die G20-Präsidentschaft (II)

Eine zweifelhafte Ehre

Nach diesem langen Ritt durch verschiedene Themenbereiche (s. W&E 02-03/2021) sollte der rote Faden deutlich geworden sein. Die Ära ist vorbei, als die Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg eine Generation von Politikern hervorbrachten, die Frieden und Entwicklung zur gemeinsamen Basis der internationalen Beziehungen machten – sogar während des gefährlichen Kalten Krieges, schreibt Roberto Savio.

Hätten sich Trump, Johnson und Putin anstelle von Roosevelt, Churchill und Stalin in Jalta getroffen, wäre das Ergebnis ein anderes gewesen. Höchstwahrscheinlich hätten wir keine Vereinten Nationen und keine internationalen Organisationen. Kaum zu glauben, aber die USA erklärten sich bei der Gründung der UNO bereit, 25% der Kosten zu tragen.

● Eine dritte Phase im Niedergang des Multilateralismus

Mit Reagan und Thatcher kamen tiefgreifende Änderungen. Die Interessen meines Landes sind wichtiger als internationale Zusammenarbeit, und je stärker ich bin, desto mehr gilt dies. Multilateralismus und Zusammenarbeit wurden angegriffen, genau wie die Rolle des Staates als Garant von sozialem Fortschritt, Gleichberechtigung und Teilhabe. Andere Organisationen entstanden und schwächten die UNO und die Instrumente sozialer Bündnisse, wie z.B. Gewerkschaften. Im Geist des Mauerfalls von 1989 begannen die Klubs der reichen Länder, wie G7, G8 und G20, die UNO zu ersetzen, und private Klubs wie das Weltwirtschaftsforum in Davos konnten mehr Führungspersönlichkeiten gewinnen als die Generalversammlung der UNO.

Wir befinden uns nun in einer dritten Phase. Ihre Symbole sind Nationalismus, Xenophobie und die Illusion, dass Souveränität wichtiger sei als Zusammenarbeit. Der Brexit ist ein bemerkenswertes Beispiel. Aber erst Trump hat einem Prinzip zur Legitimität verholfen, das bislang als Betrug an Demokratie und Anstand galt: Die Bruchstellen eines Landes hinsichtlich Ethnien, Kultur und Geschlecht auszunutzen und zu vertiefen, und ohne Rücksicht auf Regeln und Traditionen zu regieren.

Er wird begleitet von einer bunten Mischung aus autokratischen, populistischen und narzisstischen Politikern einer neuen Generation: Bolsonaro, Orbán, Kaczyński, Putin, Modi, Sisi, Netanjahu, Duterte, um nur einige der bekanntesten zu nennen. Andere, wie Salvini, sind kurz davor, die Macht zu übernehmen. Das Virus hat die Menschen weiter gespalten, statt sie zu vereinen. Eine Maske zu tragen oder sich Sorgen um den Klimawandel zu machen, ist heute ein linkes Bekenntnis, obwohl es eine Frage des Überlebens ist. Die weltweiten Militärausgaben steigen kontinuierlich. Im Jahr 2019 erreichten sie einen neuen Rekord von 1,9 Billionen Dollar. Das würde ausreichen, um alle Probleme der Ernährung, Gesundheit und Bildung weltweit zu lösen.

Die UNO ist immer noch als einzige Organisation in der Lage, Pläne von weltweiter Bedeutung zu erstellen. Ihre Agenda 2030 zeigt Lösungen für die wichtigsten Probleme auf. Sie würden nur einen Bruchteil der Militärausgaben kosten. Die G20 hat zur Agenda 2030 (sic) bislang nur ein Lippenbekenntnis abgeben.

Die neue Generation von Politikern wird von der Allgemeinheit misstrauisch beäugt, und das ist kein gutes Zeichen. Ich würde sagen, es ist repräsentativ für unsere Krise. Immer noch werden Bücher über weltweite Verschwörungen veröffentlicht – wie die, dass das Virus von Bill Gates benutzt werde, damit er über Nanopartikel im Impfstoff alle Menschen kontrollieren kann, oder Mythen wie der über die Bilderberg-Konferenz – einer der privaten Klubs – die der Ort sei, an dem eine kleine Elite darüber entscheidet, wie die Welt zu regieren sei. Immer mehr wird klar, dass das System die Orientierung verloren hat, und auch die Tragödie des Klimawandels und bald zwei Millionen Corona-Tote werden Zusammenarbeit und Multilateralismus nicht zurückbringen können. Die Zunahme von Verschwörungstheorien ist ein deutliches Zeichen für den Niedergang der Demokratie.

● Italien vor einem Härtetest

Italien beginnt nun also seine G20-Präsidentschaft. Es handelt sich um ein Amt ohne große Bedeutung. Die Aufgabe ist, einen Gipfel der Regierungschefs zu organisieren, von dem niemand viel erwartet. Wenn Trumps Wahlniederlage irgendeine Bedeutung hat, könnte sich die politische Situation bis November verbessern, aber wir werden dann ein Deutschland ohne Merkel haben, wahrscheinlich mit einer nationalistischeren Regierung, und das wundersame soziale Engagement der Europäischen Union könnte ein Ende haben. Italien besaß eine sehr instabile Regierung und die zweifelhafte Ehre, einen sehr jungen Außenminister zu haben, dessen einzige Berufserfahrung darin bestand, Ordner im Stadion von Neapel gewesen zu sein. Auf dem Gesundheitsgipfel machte er keinen besonders souveränen Eindruck.

Dies wird Italiens Härtetest sein. Im Mai wird klar sein, dass ohne weltweite Impfung auch die reichen Länder nicht außer Gefahr sind. Es sollte ein Leichtes sein, die 20 wichtigsten Länder, darunter Indien und Südafrika, für diese offensichtlich notwendige Aktion zu mobilisieren. Aber in diesen Zeiten, in denen Eigeninteressen und Egoismus eine Realität sind, ist es wohl legitim, Zweifel zu haben. Wenn 2021 nicht das Jahr der Wiederherstellung und Gestaltung wird, müssen wir einen steilen Abstieg fürchten – die Zeit wird knapp. - Momentan sieht es so aus, als wäre das System zur Lösung der Probleme nicht in der Lage.

Bionotiz zum Verfasser: W&E 02-03/2021 (deutschsprachige Erstveröffentlichung)

Empfohlene Zitierweise:
* Roberto Savio: Italien und die G20-Präsidentschaft (II): Eine zweifelhafte Ehre, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E 04/2021) und online unter weltwirtschaft-und-entwicklung.org, Luxemburg, 15.5.2021