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Warum Chinas Auslandshilfe von Nutzen ist

Artikel-Nr.: DE20211201-Art.12.11-2021

Warum Chinas Auslandshilfe von Nutzen ist

Argumente gegen das China-Bashing

Kritiker*innen haben China lange Zeit angeklagt, seine Auslandshilfe zur Förderung seiner geopolitischen Ziele zu nutzen, statt den Armen der Welt zu helfen. Doch jüngste Studien lassen die Schlussfolgerung zu, dass chinesische Entwicklungshilfe eines der seltenen Beispiele für Hilfe ist, die systematisch und substantiell den Empfängerländern zugutekommt, schreibt Nancy Qian.

Seit dem Jahr 2000 hat China 843 Mrd. US-Dollar für bilaterale Hilfe ausgegeben. Das sind pro Jahr etwa 39,5 Mrd. Dollar, und diese Summe entspricht ungefähr den Mitteln, die das weltgrößte Geberland, die Vereinigten Staaten, für  Auslandshilfe aufwenden. Auch wenn diese beiden Länder Auslandshilfe unterschiedlich definieren, so ist doch unbestritten, dass China – das in den letzten zwei Jahrzehnten 13.427 bilaterale Hilfsprojekte in 165 Ländern finanzierte – der größte neue Akteur in diesem Bereich ist. Überdies wird die oftmals negative Haltung mancher externer Beobachter gegenüber chinesischen Entwicklungsprogrammen für andere Länder in neueren Untersuchungen hinterfragt.

● Entwicklungshilfe als Geopolitik?

Kritiker werfen China vor, Auslandshilfe zur Durchsetzung geopolitischer Ziele zu benutzen, anstatt damit den Armen der Welt zu helfen, und sie verweisen auf den Schaden, den diese Hilfe in den Empfängerländern anrichten kann. Derartige Kritik wird an jeder Form der Auslandshilfe geübt. Doch auf den ersten Blick erscheint Chinas Spielart der Entwicklungszusammenarbeit – selbst nach den Maßstäben der Hilfeskeptiker – besonders unhaltbar.

Da die über 13.000 chinesischen Hilfsprojekte von mehr als 300 chinesischen Regierungsinstitutionen und staatseigenen Unternehmen ohne Beteiligung privater Unternehmen finanziert wurden, erhärtet sich der Verdacht, dass der chinesische Staat die Hilfe als politisches Instrument einsetzt. Und im Gegensatz zu anderen großen Geberländern macht China seine Auslandshilfe nicht von den Institutionen oder der Politik der Empfängerländer abhängig. Dadurch wächst auch die Sorge, dass die chinesische Hilfe fehlgeleitet sein könnte und ihren eigentlichen Zweck der Förderung eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums in armen Ländern nicht erfüllt.

Schulden zur Aneignung von Anlageobjekten?

Wenig überraschend zeigen sich die Empfängerländer aufgrund ihrer wachsenden Schulden gegenüber China besorgt. Dies geht bis zu Befürchtungen, dass China Entwicklungsländer in sog. Schuldenfallen gestoßen hat, die China dann Zugriff auf Anlagen geben könnte, wenn die Schulden nicht bezahlt werden.

Etliche Kritiker*innen argumentieren jedoch, dass die Sorgen stark aufgeblasen sind angesichts der breiteren Ängste über die Expansion chinesischer Interessen unter Xi im Ausland. Eine Studie der China-Afrika-Forschungsinitiative an der John Hopkins University von 2020 (s. Quelle) kam zu dem Ergebnis, dass China zwischen 2000 und 2019 afrikanische Schulden in Höhe von 3,4 Mrd. Dollar Schulden erlassen hat und weitere 1,5 Mrd. Dollar restrukturiert oder refinanziert wurden. Keine Anlageobjekte wurden in diesem Zusammenhang angeeignet.

Quelle: Acker, Kevin, Deborah Brautigam, and Yufan Huang. 2020. Debt Relief with Chinese Characteristics. Working Paper No. 2020/39. China Africa Research Initiative, School of Advanced International Studies, Johns Hopkins University, Washington, DC. Retrieved from http://www.sais-cari.org/publications.

Auch die Art und Weise der chinesischen Hilfeleistung präsentiert sich ungewöhnlich. In der Regel stellt China Entwicklungsfinanzierung in Form von Darlehen zu hoch subventionierten oder marktüblichen Zinssätzen für große Infrastrukturprojekte zur Verfügung. In den Verträgen ist üblicherweise festgelegt, dass das Empfängerland einen großen Teil der Gelder zu einem bestimmten chinesischen Unternehmen fließen lassen muss, das dann alle für die Durchführung des Projekts erforderlichen Materialien und Arbeitskräfte bereitstellt.

Und auch der Nutzen der chinesischen Hilfe sei unklar, wie Kritiker unterdessen einwenden. Der Import chinesischer Arbeitskräfte zur Durchführung von Projekten kann den Kapazitätsaufbau in den Empfängerländern einschränken und sogar Druck auf die Löhne einheimischer Arbeitnehmer ausüben.

Jüngst veröffentlichte Studien ergeben jedoch, dass an diesen Befürchtungen zwar etwas dran ist, der Schein aber trügen kann. Freilich liegen der chinesischen Auslandshilfe auch politische Motive zugrunde, doch geht es dabei eher um die Abmilderung von Problemen im Inland als darum, im Ausland die Vorherrschaft zu erlangen. Eine aktuelle Studie (China’s Foreign Aid: Political Determinants and Economic Effects. By Joris Mueller, Northwestern University, Department of Economics, 9 November 2021) belegt, dass ein großer Teil der chinesischen Auslandshilfe auf dem Wunsch der chinesischen Regierung beruht, politische Unruhen im eigenen Land zu vermeiden. Kommt es beispielsweise in einem Landesteil zu Protesten chinesischer Arbeitnehmer, vergibt die Zentralregierung häufig Aufträge für Auslandshilfen an große Staatsunternehmen, die in den entsprechenden Landesteilen ansässig sind. Diese Unternehmen stellen dann zusätzliche Mitarbeiter ein und schicken diese mitsamt der erforderlichen Materialien für mehrere Jahre in die Empfängerländer, um dort Straßen, Häfen oder Mobilfunkanlagen zu bauen.

● Win-Win-Situation

Politisch betrachtet ist Chinas Auslandshilfe für das Land selbst also eine Win-Win-Situation. Die Hilfsgelder tragen dazu bei, die Arbeitslosigkeit im eigenen Land zu verringern, wodurch wohl soziale Spannungen abgemildert werden. Und das Empfängerland ist dankbar für die finanzielle Unterstützung. Die Nahrungsmittelhilfe der Vereinigten Staaten funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip. Die US-Regierung kauft in guten Erntejahren Weizen auf, um der amerikanischen Landwirtschaft eine sichere Preisuntergrenze zu bieten, und schickt das überschüssige Getreide dann als bilaterale Hilfe an arme Länder.

Die wichtigste Erkenntnis der jüngsten ökonomischen Studien besteht jedoch darin, dass chinesische Hilfsleistungen in den Empfängerländern das BIP-Wachstum, den Verbrauch der Haushalte und die Beschäftigungszahlen ankurbeln. Entgegen der landläufigen Meinung kommen die Vorteile der chinesischen Auslandshilfe also auch einfachen Bürgern zugute.

So schwer es vielen auch fallen mag, diese Ergebnisse anzuerkennen, so wenig überraschend sind sie. Die meisten Ökonomen sowie auch offizielle Mitarbeiter in Institutionen wie der Weltbank sind sich einig, dass eine moderne Infrastruktur der Schlüssel zur Förderung des Wirtschaftswachstums in armen Ländern ist. Allerdings sind Länder, die eine solche Infrastruktur am dringendsten benötigen, häufig auch diejenigen mit den dysfunktionalsten Institutionen, und das ist oftmals der Grund, warum diese Länder arm sind und von vornherein nicht in der Lage waren, ihre eigene Infrastruktur aufzubauen.

In derartigen Fällen kann die chinesische Hilfe eine saubere Lösung bieten. Da chinesische Unternehmen ihre eigenen Arbeitskräfte und Materialien mitbringen und nicht auf lokale Lieferketten angewiesen sind, agieren sie weitgehend abgeschirmt von lokaler Bestechung und Korruption.

Darüber hinaus kann die von China errichtete Infrastruktur weitreichende Vorteile bieten, selbst wenn die Regierung des Empfängerlandes kein Interesse am Wohlergehen ihrer Bürger hat. Eine neue Straße, die ein Bergwerk mit einem Hafen verbindet, verschafft auch den entlang dieser Straße lebenden Menschen Zugang zu Transport und fördert so die Entwicklung in der betreffenden Region. Zu staatlichen Zwecken errichtete Mobilfunk-Basisstationen können den Informationsfluss und den Marktzugang für Landwirte verbessern. Stromleitungen entlang einer Straße oder einer Eisenbahnlinie können für elektrisches Licht sorgen, das Kindern vor Ort das Lesenlernen ermöglicht.

● Politische Motive nicht per se verwerflich

Die unbestreitbaren Schwachstellen der chinesischen Auslandshilfe werden in dem Maße deutlicher hervortreten, wie sich die Forscher mit dem Thema befassen. Allerdings sind Chinas politische Beweggründe nicht unbedingt verwerflich. Die Tatsache, dass Hilfe trotz eigennütziger Motive in manchen Fällen den Armen zugutekommen kann, ist für die Empfängerländer ein durchaus vielversprechender Aspekt. Schließlich verpflichtet sich kein Geberland aus rein uneigennützigen Gründen zu derart hoch dotierter Hilfe.   

Auf Grundlage bisheriger Untersuchungen scheint die chinesische Auslandshilfe ein seltenes Beispiel für Entwicklungszusammenarbeit zu sein, die den Empfängerländern systematisch in sinnvoller Weise zugutekommt. Für politische Entscheidungsträger in anderen Ländern, die an der Verbesserung der Wirksamkeit der Auslandshilfe interessiert sind, könnte sich eine nähere Betrachtung der Sachlage als durchaus nutzbringend erweisen.

Nancy Qian, Professorin für Managerial Economics and Decision Sciences an der Northwestern University’s Kellogg School of Management, ist Gründungsdirektorin von China Econ Lab and Northwestern’s China Lab (dt. Übersetzung und © Project Syndicate).