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Absurdes Theater um Frauenrechte in New York

Artikel-Nr.: DE20100308-Art.10-2010

Absurdes Theater um Frauenrechte in New York

Bericht von der UN-Frauenrechtskommission

Vorab im Web – Vom 1.-12.März überprüft die UN-Frauenrechtskommission (CSW) 15 Jahre nach der 4.Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking, wie weit die Regierungen mit der Umsetzung von Frauenrechten gekommen sind. Doch ihre Debatten sind festgefahren, neuer Schwung für Gleichstellung zeichnet sich nicht ab, und die angereisten 8000 Vertreterinnen von Frauenorganisationen sind empört, dass sie auf einen Mangel an Zugängen, Partizipation und Transparenz treffen. Aus New York berichtet Christa Wichterich.

Mit dem Clou der Sitzung wartete die CSW gleich zu Beginn auf: Am zweiten Tag verabschiedete sie einmütig und ohne Diskussion die bereits zuvor beschlossene Abschlusserklärung. Diese bestätigt mit den identischen Worten der Abschlussdeklaration von 2005 die Aktionsplattform von Peking, die Regierungen gratulieren sich selbst zu den Fortschritten und fordern sich gegenseitig zu weiteren Bemühungen um Gleichstellung auf. Seit nunmehr zehn Jahren begründen sie diesen Stillstand damit, dass jede Öffnung des Peking-Dokuments aufgrund der reaktionären Positionen verschiedener konservativer und religiöser Kräfte lediglich Rückschritte bringen würde.

* Abwertung der Post-Peking-Bilanz

Im Jahr 2000 berichteten die Regierungen über nationale Aktionspläne zur Umsetzung und über neu eingerichtete Gleichstellungsstellen in der Verwaltung. 2005 lag das Schwergewicht auf Gesetzesänderungen, mit denen sie bürgerliche und politische Rechte von Frauen stärken und sie vor Gewalt schützen wollten. Die deutlichsten Fortschritte gab es bei der Bildung und im Beschäftigungssektor. Zwar nahmen immer mehr Regierungen in den vergangenen Jahren das Thema Gender als Versatzstück in ihre Rhetorik und Programmatik auf. Doch es klafft eine große Lücke zwischen Gesetzen, Aktionsplänen und politischen Willenserklärungen zu Frauenrechten und ihrer Umsetzung.

In vielen Delegationen sitzen junge BürokratInnen, die nichts von den politischen Kämpfen wissen, die hinter der Pekinger Aktionsplattform stecken. Für sie ist sie lediglich eines von vielen technischen Instrumenten. Gleichzeitig wurde die Post-Peking-Bilanz bei den UN in den vergangenen Jahren Schritt um Schritt abgewertet.

Sieben Resolutionen sollen verabschiedet werden. Ein Minimalkonsens ist immer dann schwer zu erreichen, wenn es um sexuelle und reproduktive Rechte von Frauen und Mädchen geht, z.B. bei den Resolutionen zu Müttersterblichkeit und HIV/AIDS. In der EU gibt es zu diesem Thema heftige Kontroversen: das kleine, konservative Malta blockiert jeden Fortschritt, häufig assistiert von Polen und Irland. Dem stehen die skandinavischen Länder mit fortschrittlichen Positionen auch zu LGBT-Rechten (Lesbian, Gay, Bisexuel, Transgender) als Gegenpol gegenüber. Während die dänische Delegation überlegt, wie der EU-Block in kleinere like-minded Gruppen aufgespalten werden könnte, und Eva-Britt Svensson, die schwedische Leiterin der Gleichstellungskommission des EU-Parlaments, von einem „Gipfel der Ernüchterung“ spricht, ist der deutsche Delegationsleiter, Staatssekretär Hermann Kues (CDU) aus dem Familienministerium, zufrieden mit den Fortschritten und den „immer aufgeschlosseneren Diskussionen“.

Weil Hilfsmaßnahmen in der Krise erneut an Bedingungen gebunden werden, sind viele Länder des Südens alarmiert und fürchten, dass Frauenrechte als neue Konditionalität eingeführt werden könnten. Dies ist – neben konservativ und religiös motivierten Widerständen – ein weiterer Grund für die Probleme bei der Konsensfindung.

* Unklarheit über neue UN-Gender-Einheit

Eine der Resolutionen bezieht sich auf die neue Gender-Einheit, in der die vier bisher recht unverbunden agierenden Frauenorganisationen und -stellen bei den UN zusammengelegt werden sollen. Während Hoffnung auf Synergien und eine hochrangige Stelle direkt unter dem Generalsekretär bestehen, müssen die Strukturen und die Finanzierung dieser Einheit noch ausgehandelt werden. Wann sie in Kraft tritt, ist unklar. Klar ist dagegen, dass sie allein nicht alle Probleme mit Frauenrechten und Geschlechtergleichheit bei den UN wird lösen können.

Aus den ernüchternden Bilanzberichten der UN (ausführlicher Bericht dazu: ???042ae69d280eebd0d???) geht hervor, dass die Strategien, Instrumente und Indikatoren zur Beseitigung von Frauenarmut, Gewalt und Diskriminierung völlig unzureichend sind. Der Skandal, dass die Müttersterblichkeit im globalen Süden seit der Peking-Konferenz nicht signifikant gesenkt werden konnte, steht symbolisch für das Versagen. Fehlt es den Regierungen an Instrumenten oder an politischem Willen, um das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen, die Marktsegmentierung und das Vereinbarkeitsproblem durch die Einbeziehung von Männern zu reduzieren? Die norwegische Regierung ist ein Ausnahmefall an Durchsetzungsfähigkeit: Mit Hilfe eines Gesetzes gelang es, in börsennotierten Unternehmen die Zahl weiblicher Vorstandsmitglieder auf über 40% zu erhöhen - zum Wohle der Wirtschaftsleistung, wie der Gleichstellungsminister Audun Lysbakken in New York betonte.

Die Methode des Gender Mainstreaming ist dagegen untauglich, um der Privatisierung des Gesundheitswesens, die für viele arme Frauen im globalen Süden medizinische Versorgung unerschwinglich macht, einen Riegel vorzuschieben. Erstaunlich ist auch, wie wenig das große Themenfeld Umwelt und Klimawandel „gegendert“ wurde.

* Neue Exklusion zivilgesellschaftlicher Organisationen

Die Regierungen und die UNO wissen sehr genau, dass die Bilanz ohne Frauenorganisationen, die sich vor Ort tatkräftig für Gleichstellung, Schutz vor Gewalt und Armutsbekämpfung engagieren, noch schlechter aussehen würde. Also loben sie ihr Engagement und laden sie zu interaktiven Gesprächen und Runden Tischen ein, damit sie Positionen und Innovationen präsentierten. Gesicherte Formen der Partizipation und Kanäle zur Einflussnahme auf Entscheidungen gibt es aber nicht. Im Gegenteil: in diesem Jahr in New York weniger als zuvor.

Siebenstündige Wartezeiten bei der Registrierung, Zugangsbeschränkungen zu Veranstaltungen und zu kleine Räumlichkeiten wegen UN-Renovierung vermittelten zusammen mit intransparenten Verhandlungen und der vorgefertigten Abschlusserklärung den Eindruck, als sollten die NGOs demotiviert werden. „Wir fühlen uns und unsere Anliegen missachtet“, schrieben Vertreterinnen internationaler Gewerkschaften in einem Protestbrief an den UN-Generalsekretär.

Warum kommen 15 Jahre nach der Peking-Konferenz überhaupt noch so viele – auch junge - Frauen nach New York? Frauenorganisationen waren seit Anfang der 1990er Jahre die treibenden Kräfte hinter der Frauenrechtsagenda und betrachten die Aktionsplattform von Peking als „unser“ Dokument, auf das sie sich vor allem in Ländern des Südens als Berufungsgrundlage und normative Richtlinie für Regierungsverantwortung beziehen. „Wir lassen uns den Peking-Prozess nicht aus der Hand nehmen“, heißt es in einem Statement internationaler Frauennetzwerke. Die Millennium-Entwicklungsziele hatten ihnen das Heft bereits aus der Hand genommen, weil die breite Frauenrechtsagenda auf einige wenige Ziele reduzieren. Deshalb fordern die NGO-Frauen, dass die gesamte Peking-Agenda systematisch mit der Armutsbekämpfung verknüpft werden muss.

* Ratlosigkeit bei Alternativen

Auch bei ihnen sind Konzepte und Instrumente umstritten. Durch die Krise ist der Ruf nach alternativen Wegen erneut erstarkt, während die „Business and Professionell Women“ den Fokus auf Führungspositionen legen. Zumindest für Afrika plädiert die Entwicklungsexpertin Achola Pala aus Kenya dafür, beim informellen Sektor von Kleinbäuerinnen und Straßenhändlerinnen anzusetzen, um ein alternatives Wirtschaftsmodell aufzubauen. Ein Manko ist allerdings, dass die Debatten häufig den beiden stereotypen Polen, Frauen als Opfer und Frauen als „die Besseren“ verhaftet bleiben.

Wenn Frauen von der Basis sich über Basisinitiativen und Kämpfe austauschen, hört sich das eher nach erneutem Aufbruch als nach Stillstand an. Doch diese Peking+15-Sitzung verhinderte einmal mehr, dass der Aktivismus auf der lokalen Ebene sich in Schlagkraft auf der internationalen Ebene übersetzen konnte. Es herrschte Ratlosigkeit, wie Frauenrechte auf der internationalen Ebene vorwärts gebracht werden können, zumal durch die Krise die Finanzierung von Frauenorganisationen weiter ausgetrocknet wird. Die UN haben jedenfalls aus frauenpolitischer Sicht weiter an Glaubwürdigkeit verloren.

Veröffentlicht: 8.3.2010

Empfohlene Zitierweise: Christa Wichterich, Absurdes Theater um Freuerechte in New York. Bericht von der Frauenrechtskommission, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, Luxemburg, W&E 03-04/2010 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).