An den Grenzen des Global Compact
Artikel-Nr.: DE20110302-Art.12-2011
An den Grenzen des Global Compact
Unternehmen im Konflikt um globale Ressourcen
Vorab im Web – Das Jahrbuch des „Global Compact“ wird in Deutschland von der Mediengruppe Macondo publiziert. Ihren Namen hat sie wohl bei dem großen Gabriel Garcia Marques entliehen. Irgendwo am Südrand der Karibik lässt er die Heldinnen und Helden seines magisch-realistischen Romans „Hundert Jahre Einsamkeit“ über ein Jahrhundert hinweg den fiktiven Ort Macondo zunächst gründen und schließlich miterleben, wie er verfällt. Von Elmar Altvater.An der Nordküste der Karibik, vor der Mississippi-Mündung befindet sich das keineswegs fiktive und alles andere als magische Ölfeld, dem ebenfalls der Name Macondo gegeben worden ist. Das ist das Pseudonym für den vom „Bureau of Ocean Energy Management, Regulation and Enforcement“ eingeteilten Block 252, dessen Ausbeutung vor allem von BP übernommen wurde. Am 20. April 2010 kam es, wie wir uns alle erinnern, zu einem katastrophalen Blowout, dem 11 Menschen zum Opfer fielen. Die Ölplattform Deepwater Horizon vor der Küste Louisianas wurde völlig zerstört und bis zum provisorischen Abdichten des Bohrlochs am 15. Juli 2010 dürften an die 700 Millionen Liter Öl ins Meer geflossen sein. Die Auswirkungen auf die Umwelt sind heute in ihrem ganzen Ausmaß noch nicht abzuschätzen.
* Inwertsetzung vs. soziale und ökologische Werte
Wir sind vom fiktiven Macondo ausgehend in der realen Welt der Ressourcenkonflikte angekommen. Wenn wir denen genauer nachspüren, werden wir in fast jeder Weltregion fündig. Auseinandersetzungen um Blutdiamanten in Angola und Sierra Leone, um die Ausbeutung von Coltan im Osten des Kongo, um die großflächige Verseuchung des amazonischen Regenwaldes durch Chevron und andere Ölfirmen, Landkonflikte um den Anbau von Nahrungsmitteln für Menschen oder von Energiepflanzen für die Tanks von Autos kommen einem in den Sinn.
Protestaktionen der betroffenen Bevölkerung und Gerichtsverfahren um den Schadensersatz in Ecuador, oder der Kleinkrieg der Befreiungsbewegung für das Nigerdelta (MEND) gegen Shell und andere Ölmultis, weil bei der Ölförderung die Lebensbedingungen der Menschen zerstört werden, sind Beispiele für friedliche - und nicht-friedliche - Gegenwehr. Das sind nur wenige Fälle auf der langen Liste der sozialen und politischen Konflikte, die bei der ökonomischen Inwertsetzung von natürlichen Ressourcen auflodern.
Einige Konfliktfelder werden auch im Global Compact Report von 2010 geschildert. Die an der Natur, der Gesundheit von Menschen und an der Gesellschaft insgesamt angerichteten Schäden können nicht mit den Arbeitsplätzen, die zweifellos – mit welcher Qualität auch immer – geschaffen werden, gerechtfertigt werden. Allerdings sind die bei der Rohstoffausbeutung angerichteten Schäden unterschiedlich hoch. Gewässer werden mehr oder weniger verseucht, Landschaften mehr oder weniger vermüllt. Die Klimakatastrophe droht, aber sie könnte auch verhindert werden. Umweltkonflikte sind unvermeidlich, aber ihr Ausmaß und ihre Dynamik lassen sich gestalten.
Damit dies geschieht, muss sozialer und politischer Druck aufgebaut werden. Rohstoffunternehmen wollen Ressourcen der Natur entreißen und gegen Geld auf dem Weltmarkt verwerten. Das ökonomische Prinzip der Inwertsetzung steht gegen soziale oder ökologische Werte, das ist der Grund für Ressourcenkonflikte. Um den Konflikten die Schärfe zu nehmen, verpflichten sich Unternehmen, diese auf ein tolerables Maß zu reduzieren, auf Mindeststandards zu achten, wie sie mit dem Global Compact vereinbart worden sind.
* Planet, People, Profit
Der Global Compact ist 1999 als eine Selbstverpflichtung zur Einhaltung der Menschenrechte, der Arbeitsschutzbestimmungen, des Umweltschutzes und der Korruptionsbekämpfung auf Initiative von Kofi Annan entstanden. Dabei machen inzwischen mehr als 7000 Unternehmen aus mehr als 135 Ländern mit. Das wäre, so die Selbsteinschätzung, das „größte Netzwerk von Unternehmen“, die sich gemeinsamen sozialen, ökologischen, menschenrechtlichen Verpflichtungen unterworfen und die Korruptionsbekämpfung zum Ziel erkoren haben. Diese Verpflichtungen – insgesamt zehn Prinzipien – haben Empfehlungscharakter, ihre Verbindlichkeit ist beschränkt.
Im Rahmen dieses Netzwerkes fungieren soziale Bewegungen nicht mehr als „Bewegungsaktivisten“, sondern als „Stakeholders“, sozusagen als Geschäftspartner. Wer wird sich nicht für die Menschenrechte, für Arbeitswürde, für Umweltschutz und gegen die Korruption stark machen wollen?
Die zehn Prinzipien formulieren also einen Konsens, der von zwei Prämissen ausgeht: Die erste stellt Inwertsetzung und Kapitalverwertung ins Zentrum von Unternehmensstrategien und gerade nicht die sozialen, menschenrechtlichen und ökologischen Prinzipien des Global Compact. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sieht darin kein Problem, denn, so versichert er in seinem Geleitwort zum Global Compact Deutschland, die Prinzipien des „Global Compact“ und das Profitprinzip seien „zwei Seiten der gleichen Medaille“. Wachstum könne „nachhaltig“ sein und „Profit auch sozialen Fortschritt bringen“ (aus der Rede zur Eröffnung des Leaders Summit des UN Global Compact am 24. Juni 2010 in New York). Anders und mit der Unternehmensberatung Ernst & Young ausgedrückt, die in dem Report 2010 zitiert wird: Es geht um die „drei P“. Das sind „People, Planet und Profit“ (Jahresbericht 2010 des „Global Compact“, S. 66f).
An dieser Schnittstelle zwischen Hauptprinzip (Profit und Wachstum) und Nebenbedingungen (Prinzipien des Global Compact) des unternehmerischen Handelns setzt die expansive Disziplin der Wirtschafts- und Unternehmensethik an. Sie begründet den Kern der „Social Responsibility“ von Unternehmen, die, das ist die Unterstellung, mit dem Wachstums- und Profitprinzip kompatibel sei.
Die zweite Prämisse unterstellt, dass die Vielzahl von “Stakeholders“ zu Kompromissen finden könne, und zwar unter der „Leadership“ von Unternehmen, die sich ihrer „Social Responsibility“ bewusst sind. Auf die zehn Prinzipien können sich nämlich alle Beteiligten, also Umweltschützer, Verbraucher, Arbeitskräfte und ihre Gewerkschaften, Rohstoffe ausbeutende Firmen und lokale Bewohner einigen, da sie ja vernunftbegabt und zu Kompromissen befähigt seien.
In dieser Welt ist der Klassenkonflikt stillgestellt und Umweltschützer sind Partner im moderierten Stakeholder-Forum. Die „Leadership“ müsse bei der Interessenmoderation deshalb bei den Unternehmen liegen, weil gegenüber den Prinzipien des Global Compact das Profitprinzip die Stellung des „primus inter pares“ einnimmt. Umgekehrt gilt auch: Weil das Profitprinzip die entscheidende Handlungsmaxime der Unternehmen bleibt und es möglicherweise sogar in der sozioökonomischen Struktur verankerte Gesetzmäßigkeit ist, die mit Hilfe der zehn Prinzipien des Global Compact human, sozial und ökologisch gestaltet wird, müssen die Unternehmen die Leadership beanspruchen und niemand sonst.
* Beispiel ThyssenKrupp in Brasilien
Bei dem zu Beginn erwähnten GAU im Golf von Mexiko dürfte die „Leadership“ von BP oder Halliburton von den betroffenen Stakeholders kaum akzeptiert werden. Das ist auch in anderen Beispielen so, z. B. im Fall eines Stahlwerks von ThyssenKrupp in der Bucht von Sepetiba etwa 50 km südwestlich von Rio de Janeiro. Die ThyssenKrupp Companhia Siderúrgica do Atlantico (TK-CSA) gehört zu 26% dem brasilianischen Multi Vale do Rio Doce, zu 74% zum ThyssenKrupp-Konzern, der den Global Compact unterzeichnet hat und sich zu den zehn Prinzipien bekennt, wie man auf der Homepage des Konzerns unter der Überschrift „Responsibility and commitment“ oder im Sustainability-Report des Konzerns nachlesen kann. Dieses hochmoderne Stahlwerk, dessen erster Hochofen 2010 angeblasen worden ist, (ein zweiter wird folgen) soll 5 Millionen Tonnen Rohstahl produzieren, von denen 2 Millionen Tonnen zur Weiterverarbeitung nach Deutschland und 3 Millionen Tonnen in die USA transportiert werden. Denn es werden neue Rohstahlkapazitäten benötigt, um die „Wachstumspläne“ des Konzerns erfüllen zu können.
Warum ist Santa Cruz in der malerischen Bucht von Sepetiba als Standort gewählt worden? Im „Sustainability-Report“ von 2009 heißt es dazu: weil hier ein direkter Zugang zum Atlantik gegeben ist und eine Eisenbahnlinie die Erzlagerstätten in Minas Gerais und die Hochöfen von Sepetiba direkt verbindet. Der Konzern erwartet in Brasilien ein „optimum cost level“. Und diese „Vorteile bilden die Grundlage für unsere Wachstumsstrategien in Europa und im NAFTA-Raum“.
* Die Betroffenen setzen sich zur Wehr
Das „optimale Kostenniveau“ kommt jedoch, das wird in dem Konzernbericht verschwiegen, durch eine rücksichtslose Sozialisierung der privaten Kosten des Konzerns zustande, wie sie K. William Kapp in seinem Klassiker aus dem Jahre 1951 an anderen, fast harmlos erscheinenden Beispielen für die „social costs of private enterprise“ beschrieben hat. Menschenrechte werden verletzt, Umweltverbrechen („crimes socioambientais“) werden begangen und in einer von Tausenden unterschriebenen „Declaraçao de Santa Cruz“ – angeprangert. Die Betroffenen setzen sich zur Wehr, mit öffentlichen Protestaktionen und indem sie die Regierung des Bundesstaates Rio de Janeiro zur Unterstützung ihrer Anliegen rufen und Wissenschaftler von Universitäten einschalten, die stichhaltige Daten über die Umweltverschmutzung und Argumente dagegen sowie Vorschläge für Abwehrmaßnahmen liefern. Der Protest ist selbst in die Institutionen der EU, z.B. ins EU-Parlament getragen worden.
Verhandlungen mit Stakeholders, wie der Global Compact sie nahelegt, insbesondere mit Fischern aus der Region, hat es zwar gegeben. Doch eine Einigung konnte nicht zustande kommen, weil die trotz ökologischer Maßnahmen des Unternehmens unvermeidliche Wasserverschmutzung, die Verbauung der Bucht durch Hafenanlagen sowie der zunehmende Schiffsverkehr die Existenzbedingung der Fischer, nämlich den Fischbestand in den Fischgründen und die Mangrovenwälder in der Sepetiba-Bucht gefährdet. Staub und Abluft des Stahlwerks haben Atemwegerkrankungen und allergische Reaktionen zur Folge, gegen die die betroffenen Einwohner auf die Straße gehen, um von der Regierung des Bundesstaats Rio de Janeiro lautstark Einschreiten zu fordern, wie aus zahlreichen Berichten hervor geht. Auch die Einschaltung des Werkschutzes, also repressive Maßnahmen, konnte keine Einigung erzwingen, heißt es in einer Germanwatch-Studie.
Der Konflikt zwischen den Wachstumsstrategien des Konzerns und den Lebensbedingungen der Betroffenen kann in einem „Global Compact“ allenfalls kleingeredet, nicht aber bewältigt werden. Hier zeigen sich die Grenzen der Stakeholder-Moderation – die Interessen der Betroffenen sind nicht mit Hilfe der „Drei-P-Strategie“ versöhnbar. Wachstum erscheint den Menschen in den Industrieländern oder auch in den urbanen Zentren des Schwellenlandes Brasilien als Bedingung des guten Lebens, für die Fischer von Sepetiba ist das Wachstum des Konzerns das krasse Gegenteil, weil sie die Kosten des Wachstums zu ertragen haben. Gegen deren Abwälzung schützt der Global Compact nur wenig.
* Wer begrenzt die Ansprüche an die Ressourcen?
Die Kant’sche Erkenntnis erlangt also praktische Bedeutung, dass „die Kugelfläche“ des Planeten Erde begrenzt sei. Also sind auch dem Wachstum in der Zeit und der Ausdehnung im Raum planetarische Grenzen gesetzt, die auch die neoliberale ökonomische Theorie nicht aufheben, sondern nur ignorieren kann. Planet und Profit in der „Drei-P-Strategie“ sind also wohl kaum zu versöhnen, selbst wenn der UN-Generalsekretär dies dekretieren sollte. Nur zwei seriöse Fragen können angesichts dieser natürlichen Beschränktheit gestellt werden. Die eine ist die nach dem „wann“ und den Umständen, unter denen die Grenzen erreicht werden. Handelt es sich um eine sanfte Annäherung mit dem freundlichen Hinweis, dass es irgendwann einmal nicht weitergehe und man besser umkehren solle, oder folgt an den Grenzen der Absturz? Denn wenn sie überlastet sind, könnten die Ökosysteme der Erde an den tipping points „kippen“.
Die zweite Frage zielt auf den Umgang mit der Begrenztheit des Globus und der globalen Ressourcen. Diese in Rechnung stellend hat Immanuel Kant den „kategorischen Imperativ“ formuliert: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die Du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ (Grundlegung zur Metaphysik der Sitten: IV: 421) Die Beachtung dieses Imperativs hat zur harten Folge, dass auf der begrenzten Kugelfläche auch die Ansprüche an irdische Ressourcen begrenzt werden müssen.
Wie und durch wen? Der (neo-)liberale Mainstream wird im Chor antworten: natürlich durch interessegeleitete, frei agierende und verantwortliche Marktakteure, die durch die Wirkungsweise des neutralen Marktmechanismus koordiniert werden. So hat schon Adam Smith argumentiert, das wäre auch die Ausgangsbasis für den Global Compact: Die „Leadership“ liegt bei den „corporations“, und der Markt wird nicht in Frage gestellt, weil dessen Mechanismus für optimale Allokation und Distribution sorgt. Doch wissen wir auch, dass der Marktmechanismus (wir sehen von eklatantem Marktversagen der Finanzmärkte etc. ab) nur im Fall reproduzierbarer Güter funktionieren kann, nicht aber bei den von Natur aus begrenzt verfügbaren oder erschöpflichen Gütern. So lange aus „dem Vollen geschöpft“ werden kann, sind extrahierte Rohstoffe durchaus den reproduzierbaren Waren vergleichbar. Doch ab einem bestimmten Zeitpunkt kann das Angebot der der Natur entrissenen Güter nicht mehr mit der Nachfrage gesteigert werden, auch wenn der Preis nach oben schießen sollte. Preise drücken dann nicht mehr die Knappheit aus, sondern den Mangel: Mangel an Wasser, bebaubaren Böden, Rohstoffen, Öl oder Gas. Mangelpreise sind ihrem Wesen nach Monopolpreise, die auf jeden Fall zu Fehlallokationen führen.
* Politische Regulation ist gefordert
„Mangelwaren“ bedürfen unbedingt der politischen Regulation. Auch hier stellt sich die Frage nach dem „wie und durch wen?“ Die Politik muss nun die Arena betreten, Regierungspolitik, aber auch zivilgesellschaftlich bewegte Politik, und in Allokation und Distribution und in Eigentumsrechte wirkungsvoll eingreifen, wie die Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom mit moderner Begründung zeigt.
Ganz anders der BDI in seiner Rohstoffstrategie. Er setzt auf den Markt und nicht auf die Politik als Problemlösungsinstanz. Freihandel sei die beste Lösung und daher sollten „Beschränkungen des Rohstoffzugangs“ aufgehoben werden, auch in China. Ausfuhr- und Einfuhrzölle für Rohstoffe würden verzerrend wirken, und ökologische Schutzflächen führten nur zu einer „künstlichen Verknappung“ von Rohstoffen, weil Lagerstätten nicht mehr zugänglich seien.
Friedrich List hat schon in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts gegen Vorstellungen dieser Art angeschrieben. Die freihändlerische Theorie in Großbritannien argumentierte vom hohen Ross der überlegenen Wettbewerbsfähigkeit Englands aus. Im freien Wettbewerb hatte England kaum Konkurrenten zu fürchten, und wenn es sie doch gab, wandelte sich der liberale Adam Smith in einen glühenden Protektionisten. Er unterstützte die „Navigationsakte“, die Schiffe unter nicht-britischer Flagge vom Transport von Waren in britische Häfen ausschloss, und er rechtfertigte militärisches Vorgehen gegen „barbarische Völker“, wenn dies zum Schutz des „commerce“ britischer Kaufleute notwendig sein sollte.
An dieser Doppelmoral, das Wasser des Freihandels zu predigen und sich am Wein des Protektionismus zu betrinken, hat sich nichts geändert. In den Handelsabkommen der EU werden in erster Linie Vorkehrungen getroffen, um den Unternehmen, so wie es die Rohstoffstrategie des BDI von der Politik erwartet, den Zugang zu Rohstoffen zu sichern. So also manifestiert sich die „Leadership“ der Unternehmen, heraus kommt eine moderne Variante des staatsmonopolistischen Kapitalismus.
Deutschland gehörte zur Zeit Friedrich Lists zu den weniger entwickelten Nationen und musste die „produktiven Kräfte“ der Nation erst noch entwickeln, „die Pflanzung einer eigenen Manufakturkraft...” (List) noch vornehmen und sich keinesfalls darauf verlassen, dass sich der Reichtum an natürlichen Ressourcen von selbst in ökonomischen Wohlstand verwandeln würde. Entwicklung war für List und fast alle nachfolgenden Ökonomen gleichbedeutend mit industrieller Entwicklung. Doch die ist nur möglich, wenn agrarische, mineralische und vor allem energetische Rohstoffe ausreichend zur Verfügung stehen. Angesichts der „begrenzten Kugelfläche“ des Planeten Erde ist das aber keine Selbstverständlichkeit.
Konflikte um Rohstoffe sind unvermeidlich. Daher ist es dringlich, Prinzipien und Methoden der Konfliktvermeidung und –regulierung zu finden. Der Global Compact kann dabei nützlich sein, wenn erstens die Priorität von Wachstum und Profit zu Gunsten der zehn Prinzipien des Compact aufgegeben und wenn zweitens anerkannt wird, dass der Global Compact „hard law“ und zivilgesellschaftliche Regelungen in Menschenrechts-, und Umweltfragen und in sozialen Belangen und bei der Korruptionsbekämpfung nur ergänzt. Drittens verweisen die Rohstoffkonflikte in der globalisierten Welt darauf, dass soziale Bewegungen sich nicht mit der Rolle von Stakeholders unter der „Leadership“ von „corporations“, wie sie der Global Compact präferiert, zufrieden geben können, sondern autonom, fantasievoll und international vernetzt (beispielsweise auf den Weltsozialforen) politischen Druck zum Schutz der von Rohstoffkonflikten betroffenen Bevölkerung aufbauen und aufrechterhalten müssen. Viertens werden an den „Grenzen des planetaren Umweltraums“, wenn der Marktmechanismus nicht mehr oder nur sehr schlecht funktioniert, neue Regeln einer demokratisch legitimierten Verteilung von Ressourcen (und Schadstoffsenken) treten müssen, um Umweltkonflikte nicht ausufern zu lassen. Das ist nur für jene Realpolitiker nicht aktuell, die sich im fiktiven Macondo am Südrand der Karibik eingerichtet haben und nicht bereit sind, Konsequenzen aus dem zu ziehen, was im realen Macondo am Nordrand der Karibik geschehen ist.
Prof. Elmar Altvater ist Hochschullehrer (em.) an der FU Berlin und Mitherausgeber von W&E. Sein Text lag einem Vortrag zugrunde, den er bei der Vorstellung des jüngsten Global-Compact-Jahrbuchs am 1. März 2011 in Berlin gehalten hat.
Veröffentlicht: 2.3.2011
Empfohlene Zitierweise: Elmar Altvater, An den Grenzen des Global Compact: Unternehmen im Konflikt um globale Ressourcen, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, W&E 03-04/2011 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).