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CELAC als Zeichen einer neuen Realität

Artikel-Nr.: DE20111227-Art.69-2011

CELAC als Zeichen einer neuen Realität

Neue Gemeinschaft Lateinamerikas und der Karibik

Nur im Web – Obwohl kaum einer davon gehört hat, fand Anfang Dezember 2011 eine historische Veränderung in der westlichen Hemisphäre statt. In Caracas/Venezuela wurde eine neue Regionalorganisation aus der Taufe gehoben, und alle waren dazu eingeladen außer den USA und Kanada. Die neue Organisation heißt Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (CELAC). Von Mark Weisbrot.

Es gab einen Grund für den Ausschluss der beiden reichsten Länder, darunter das reichste Land der Welt. Nein, es gab viele Gründe, doch von dem Ereignis wurde in den wichtigsten Medien keine Notiz genommen. Die bestehende regionale Gruppierung, die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) steht viel zu stark unter der Kontrolle des US-Außenministeriums mit Kanada als seinem Juniorpartner.

* Misstrauen gegenüber der OAS

Seit 2009 gingen vielen Regierungen der Hemisphäre die Augen auf, vor allem jenen, die dachten, Präsident Obama würde mit der Tradition brechen und die Demokratie in der Region fördern. Im Juni jenes Jahres wurde die demokratische Regierung von Honduras durch einen Militärputsch gestürzt. Obwohl die Rolle der USA in diesem Putsch immer noch unklar ist, gibt es keinen Zweifel daran, dass Washington einiges getan hat, um der Putschregierung zu helfen, zu überleben und sich einzurichten. Und eine Aktion der Obama-Administration bestand darin, die OAS von effektiverem Handeln gegen die Putschregierung abzuhalten.

Die OAS wurde von Washington auch genutzt, um die Wahlergebnisse in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Haiti im letzten Jahr zu kippen. Eine „Expertenmission der OAS“ änderte die Ergebnisse sogar ohne eine Neuauszählung oder irgendeine statistische Grundlage, und die USA und ihre Verbündeten drohten der Regierung Haitis solange, bis sie das Ergebnis akzeptierte. Dies folgte auf die OAS-Rolle bei der Delegitimation der haitischen Wahlen von 2000, was eine zentrale Rolle für den von den USA organisierten Putsch im Jahr 2004 gegen die demokratische Regierung 2004 spielte.

* Ein lateinamerikanischer Frühling

Die OAS kann eindeutig nicht mit Aufgaben betraut werden, die Fragen der Demokratie oder der Wahlbeobachtung in der Region betreffen. Doch es gibt viele Gründe mehr, die dafür sprechen, eine neue Organisation in der Region zu gründen. Während der letzten 15 Jahre gab es einen „lateinamerikanischen Frühling“, in dem Mitte-Links- und demokratische Regierungen in solchen Ländern wie Brasilien, Argentinien, Bolivien, Ekuador, Venezuela, Paraguay und Uruguay gewählt wurden. Es ist kein Zufall, dass diese tektonische Verschiebung bei den Wahlen auch einen Schub beim Wirtschaftswachstum, eine historische Verringerung der Armut, wachsenden Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung sowie eine Reduzierung der Einkommensungleichheit gebracht hat.

Und es ist kein Zufall, dass die langanhaltendste Wachstumsschwäche in einem Jahrhundert – von 1980-2000 – in die Ära des „Washington Consensus“ fiel, als die Wirtschaftspolitik der Region stark durch solche von Washington beeinflussten Institutionen wie den Internationalen Währungsfonds (IWF) bestimmt wurde. In der Tat wurde der lateinamerikanische Frühling durch diese ökonomischen Fehlschläge und den Wunsch nach Alternativen beeinflusst.

Gründungsdokumente der CELAC

Die neue CELAC spiegelt diese neue Realität wider – Lateinamerika wurde politisch unabhängig von der Vereinigten Staaten, es gab im Ergebnis viele Veränderungen in der Wirtschaftspolitik, und diese Veränderungen wiederum brachten den Menschen einen höheren Lebensstandard. Die CELAC wird diesen positiven Wandel weiter befördern, einschließlich der regionalen Integration, der Koordinierung der Außenpolitik und der Lösung von Konflikten. Obwohl das Zeit braucht, wird die CELAC die OAS letztlich ersetzen, welche in wachsendem Maße irrelevant für Lateinamerika werden wird, gerade so wie der weitgehend von Washington kontrollierte IWF, der vor 15 Jahren noch enormen Einfluss in Lateinamerika hatte, jedoch heute weitgehend irrelevant für die Region ist.

Wir Amerikaner sollten diese Veränderungen begrüßen und die Tränen der Kritiker übersehen, die dieser Unabhängigkeitsbewegung „Anti-Amerikanismus“ vorwerfen. Wir sind 99% der Amerikaner, die von der jahrzehntelangen schädlichen Intervention Washingtons in der Region nicht profitiert haben. Doch wir haben alles zu gewinnen – und nichts zu verlieren - von einem unabhängigen und prosperierenden Lateinamerika.

Mark Weisbrot ist Ko-Direktor des Centre for Economic Policy Research (CEPR) in Washington DC.

Veröffentlicht: 27.12.2011

Empfohlene Zitierweise: Mark Weisbrot, CELAC als Zeichen einer neuen Realität, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 27. Dezember 2011 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)