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Der jüngste Einbruch an den Aktienmärkten

Artikel-Nr.: DE20180214-Art.03-2018

Der jüngste Einbruch an den Aktienmärkten

Korrektur oder Spitze des Eisbergs?

Vorab im Web - Die jüngsten Unruhen an den globalen Aktienmärkten haben Befürchtungen ausgelöst, dass die relativ guten wirtschaftlichen Zeiten der letzten Jahre dem Ende entgegen gehen. Noch ist es zu früh, die Hintergründe voll zu verstehen oder vorherzusagen, was als nächstes kommt. Weite Übereinstimmung herrscht jedoch darüber, dass der US-Aktienmarkt eine „Korrektur“ erfuhr. Ob dies nur ein Blinken war oder in einen Crash münden wird, muss man abwarten, schreibt Martin Khor.

Einige Analysten sagen, dass kein Grund zur Angst besteht, da solche Korrekturen normal sind, während andere pessimistischer sind; einige sagen sogar den Beginn des schlimmsten Bärenmarktes aller Zeiten voraus. Entscheidend wird sein, was nach der Korrektur passiert.

● Unscheinbare Auslöser

Die Vorrangstellung der Wall Street als globaler Trendsetter wurde wieder einmal bestätigt. Die europäischen Aktienmärkte vollzogen die US-Korrektur nach, gefolgt von den Märkten in Asien mit großen Einbrüchen fast täglich. Der unmittelbare Auslöser waren positive Nachrichten vom US-Arbeitsmarkt, die zu Angst vor Lohnsteigerungen und Inflation führten, was wiederum die Notenbank FED zu einer schnelleren Anhebung des Zinssatzes drängen könnte.

Höhere Zinssätze haben einen negativen Effekt auf den Aktienmarkt, da sie Investoren einen Anreiz geben, ihr Geld in Alternativen umzuschichten, insbesondere in Anleihen bzw. Bonds. Doch der wichtigere Grund ist, dass die Aktienpreise auf Rekordniveau geschnellt waren, und zwar aus spekulativen Gründen, nicht aufgrund von Fundamentaldaten und angetrieben durch die Politik des lockeren Geldes, die die US-Regierung in der Hoffnung auf die Stimulierung des Wachstums betrieb. Einige der Billionen von Dollars, die durch das „quantitative easing“ in das Bankensystem gepumpt wurden, trugen so zu der Aktienmarktblase bei. Selbst als das „quantitative easing“ beendet und zurückgefahren wurde, stiegen die Aktienpreise im Januar weiter. Bis zu einem Abschwung war es nur eine Frage der Zeit.

Wenn er anhält, kann dieser Ausverkauf an den Börsen auch starke Rückwirkungen auf Entwicklungsländer wie Malaysia haben. Es gibt den einheimischen Effekt. Wenn die Investoren den Eindruck haben, weniger finanzstark zu sein, werden sie ihre Ausgaben zurückfahren, was zu einer Reduktion des Bruttoinlandsprodukts (BIP) führt. Diejenigen, die sich zu Spekulationszwecken an der Börse verschuldet haben, könnten Rückzahlungsprobleme bekommen. Unternehmen könnten einen Rückgang ihrer Marktkapitalisierung und ihrer Anlagewerte erleben, wenn ihre Aktienpreise nach unten gehen. Wenn der Ausverkauf noch länger anhält, könnte dies bei den Banken die Angst vor notleidenden Krediten befeuern.

● Vom Börsencrash zur erneuten Schuldenkrise?

Dann ist da die komplexe Frage der Interaktion mit den globalen Finanzmärkten. Die Aktienmarktturbulenzen könnten das Vertrauen der globalen Investoren in die Schwellenökonomien beeinträchtigen, die als risikoreicher angesehen werden als die Vereinigten Staaten. In guten Zeiten floss eine Menge spekulativer Mittel auf der Suche nach hohen Erträgen aus dem Westen in die Entwicklungsländer. Doch angesichts der globalen Unsicherheit können die Fonds schnell in die entgegengesetzte Richtung fließen und dabei bedeutenden Schaden anrichten.

Dieser Boom-Bust-Zyklus der Kapitalbewegungen hat sich in den letzten Jahren mehrfach abgespielt. Der boomende Kapitalfluss in den 1970er Jahren endete 1982 mit der lateinamerikanischen Schuldenkrise. Der Boom der frühen 1990er Jahre endete in den Krisen in Ostasien, Brasilien, Russland und Argentinien. Der Boom Anfang der 2000er Jahre stoppte mit der globalen Finanzkrise 2008, doch er lebte wieder auf und geht bis heute weiter, wobei 2015 starke Abflüsse und 2016 und letztes Jahr erneut eine Rückkehr zu Zuflüssen verzeichneten.

Wir wissen noch nicht, welchen Effekt die gegenwärtige Unruhe an den Aktienmärkten auf die Kapitalflüsse haben wird. Eine recht ausgewogene Sicht hat das in Tokio ansässige Mitsubishi UFJ Kokusai Asset Management, das 119 Mrd. US-Dollar an Anlagen verwaltet. „Wir sehen jene Euphorie, die wir in den Schwellenmärkte sahen, nicht mehr“, sagte sein Chef-Fondsmanager Hideo Shimomura in einem Bloomberg-Interview. „Wir sind in einer Phase, in der die Investoren einen Reality-Check nach einem großen Ansturm vornehmen. Das heißt aber nicht, dass sich Zuflüsse auf die Schwellenmärkte komplett umkehren.“

In den letzten Jahren haben sich die Entwicklungsländer zunehmend gegenüber externen Kapitalflüssen geöffnet. Dies hat neue Verwundbarkeit zur Folge gehabt und ihre Anfälligkeit für externe finanzielle Schocks erhöht, wie in Untersuchungen des South Centres hervorgehoben wird (s. Hinweis). Seit der Krise von 2008 gab es einen massiven Schuldenaufbau seitens ihrer Nicht-Finanzkonzerne, der 25 Billionen US-Dollar oder 95% ihres BIP erreichte. Die dollardenominierten Schuldverschreibungen der Schwellenökonomien wuchsen laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich von 500 Mrd. US-Dollar in 2008 auf 1,25 Billionen US-Dollar in 2016 an.

Darüber hinaus hat die ausländische Präsenz auf den lokalen Finanzmärkten ungesehene Höhen erreicht, was ihre Empfindlichkeit gegenüber internationalen Boom-und-Bust-Zyklen erhöht hat. Ausländer besitzen nun in vielen Entwicklungsländern einen viel höheren Anteil an Regierungsanleihen und Aktien an den Börsen. In Malaysia entfällt auf Ausländer ein Viertel bis ein Drittel der Regierungsanleihen und rund ein Viertel des Aktienwertes an der Börse.

● Die Verwundbarkeit des Südens wächst

Sollte es einen Nettoabfluss von Kapital aus Entwicklungsländern geben, dürften deren Währungen abwerten. Und wie in einem Teufelskreis wird dies zu weiterem Kapitalabfluss führen. Es wird ebenfalls den Schuldendienst verteuern und den Inflationsdruck erhöhen. Während ihre Verwundbarkeit zugenommen hat, hat die Widerstandsfähigkeit dieser Länder zur Vorbeugung oder Verhinderung einer Krise abgenommen. Die Zahlungsbilanzgleichgewichte und die ausländischen Nettoanlagepositionen vieler Entwicklungsländer haben sich im letzten Jahrzehnt verschlechtert. In den meisten Ländern kamen die aufgebauten internationalen Reserven in den letzten Jahren aus Kapitalzuflüssen und nicht aus laufenden Überschüssen.

Die Reserven könnten abschmelzen, wenn die Ausländer entscheiden, ihre Fonds zurückzuholen, und die restlichen Reserven könnten nicht ausreichen, um einem großen und anhaltenden Kapitalabfluss zu begegnen. Somit könnte die aktuelle Aktienmarktturbulenz nur die Spitze eines Eisbergs einer finanziellen Instabilität und Verwundbarkeit sein. Ironischerweise ist diese Instabilität in den letzten Jahren gewachsen, und zwar dank der Anstrengungen zur Bekämpfung der Krise von 2008. Diese Initiativen könnten die unbeabsichtigte Konsequenz des Aufbaus einer neuen Krise gehabt haben.

Hinweis:
* Andrew Cornford: Playing with Financial Fire: A South Perspective on the International Financial System, 28 pp, South Centre: Geneva, Feb 2018. Bezug: über southcentre.int

Martin Khor ist Exekutivdirektor des South Centre und schreibt regelmäßig an dieser Stelle aus der „Sicht des Südens“. Die Kommentare geben seine persönliche Meinung wider.

Posted: 14.2.2018

Empfohlene Zitierweise:
Martin Khor, Der jüngste Einbruch an den Aktienmärkten. Korrektur oder Spitze des Eisbergs, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 14. Februar 2018 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

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