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Der steinige Weg nach Paris

Artikel-Nr.: DE20150610-Art.14-2015

Der steinige Weg nach Paris

Knackpunkte in den Klimaverhandlungen

Vorab im Web - Eines der größten globalen Ereignisse in diesem Jahr ist die Klimakonferenz der Vereinten Nationen im Dezember in Paris. Ein neues Abkommen zum Klimawandel wird erwartet, doch zuerst sind noch viele Hürden zu überwinden. Alte ungelöste Probleme erscheinen erneut an der Oberfläche, mit scharfen Gegensätzen zwischen Nord und Süd. Wie schwer ein fairer Deal werden wird und wie hart die Verhandlungen sind, berichtet Martin Khor aus Bonn*).

Es ist schwer erkennbar, wie in den drei verbleibenden Treffen, einschließlich der Pariser Konferenz selbst, diese Differenzen überwunden werden können. Doch ein Deal in Paris ist eine politische Notwendigkeit, so dass die Gegensätze irgendwie überbrückt oder überspielt werden müssen. Es gibt Voraussetzungen für einen guten Klimadeal. Er muss umweltpolitisch ehrgeizig sein und zugleich fair und gerecht.

● Das Ziel: ehrgeizig, fair und gerecht

Ersteres bedeutet, dass er die Welt zu einer Emissionsreduktion anhält, damit die globale Temperatur nicht mehr als 2° C (oder laut anderer 1,5° C) gegenüber der vorindustriellen Periode steigt. Bis heute ist die Temperatur im Durchschnitt schon über 0,8° C gestiegen. Angesichts globaler Emissionen, die jährlich um rund 50 Mrd. t wachsen, wird der verbleibende „Raum“ in der Atmosphäre zur Absorption weiterer Emissionen (bevor die 2°-C-Grenze erreicht ist) in etwa drei Jahrzehnten erschöpft sein.

Fair und gerecht heißt: Der Norden, der hauptverantwortlich für die historischen Emissionen war und ökonomisch weiter fortgeschritten ist, muss die Führung sowohl bei der Kürzung der Emissionen übernehmen als auch beim Transfer von Finanzen und Technologie in den Süden, um diesem zum Wechsel auf nachhaltige Entwicklungspfade mit niedrigem CO2-Ausstoß zu verhelfen. Dieses Gerechtigkeitsprinzip („equity“) ist in der Tat in der UN-Klimakonvention enthalten, unter der das neue Pariser Abkommen angesiedelt sein wird und das derzeit ausgehandelt wird.

Der Süden insistiert darauf, dass dieses Prinzip im Zentrum eines neuen Abkommens stehen soll, und dies ist auch zwingend, wenn das Abkommen unter der Konvention angesiedelt wird. Doch die nördlichen Länder sind da sehr zurückhaltend. Sie behaupten, dass sich die Welt geändert hat und alle Länder (außer den am wenigsten entwickelten) gleich behandelt werden sollten. Damit meinen sie, dass ein neues Klimaregime geschaffen werden sollte, in dem alle Länder dieselben Reduktionsverpflichtungen – jetzt oder in naher Zukunft – übernehmen sollten. In der Zwischenzeit sollten alle Länder auf unterschiedliche Weise zur Kürzung ihrer aktuellen und künftigen Emissionen beitragen, und dies auch dann, wenn sie die geforderten Finanzen und Technologien nicht bekommen.

● Befürchtungen des Südens

Die Entwicklungsländer argumentieren, dass diese Art der Einstellung gleichbedeutend mit dem Versuch des Nordens ist, seinen rechtlichen Verpflichtungen unter der derzeitigen Konvention zu entgehen und effektiv auf die Unterminierung der Prinzipien und Bestimmungen der Konvention und die Umformulierung der Regeln hinausläuft. Sie sind besorgt, dass dies darauf zielt, die Lasten des Wandels vom Norden auf den Süden zu verschieben. Denn der Weg von der derzeitigen, auf billiges Öl gestützten Energiewirtschaft zu einer, die auf Erneuerbaren Energien beruht, sowie andere Transformationen erfordern eine soziale, ökonomische und technologische Revolution, die teuer ist.

Wie wird das die Entwicklungsziele beeinflussen? Wer wird für diese Kosten aufkommen? Wie soll man die Technologien günstig genug bekommen? Welche Verpflichtungen sollte der Süden im Pariser Abkommen übernehmen, wenn der Norden seine Verpflichtung zur Unterstützung nicht übernimmt.

● Die entscheidenden Dissense

Die gegenwärtigen Verhandlungen in Bonn ringen um einen Entwurf, der verschiedene Sichtweisen enthält. Unter den Kernpunkten sind:

* Gleiche oder unterschiedliche Behandlung: Sollten die Länder die gleichen Verpflichtungen in Bezug auf die Emissionen und die Bereitstellung von Finanzmitteln haben (eine Position, die der Nordern favorisiert) oder sollte es unterschiedliche Verpflichtungen geben, entsprechend der historischen Verantwortung und der gegenwärtigen Entwicklungsniveaus (die Sicht des Südens)?

* Balance zwischen Minderung (des Klimawandels), Anpassung (an den Klimawandel), Verluste und Schäden (aus bereits stattgefundenem Klimawandel): Generell ist der Norden stärker daran interessiert, das Abkommen auf Minderung (Emissionsreduzierung) zu fokussieren, während der Süden gleichermaßen oder sogar mehr an Aktionen zu Anpassung sowie Verluste und Schäden interessiert ist. Der Norden leistet vor allem gegen Leistungen zum Ausgleich der Verluste und Schäden aus dem Klimawandel, wie Sürme, Starkregen, Flutkatastrophen, Dürren usw., Widerstand.

* Finanzen: Der Norden hat zugesagt, bis 2020 100 Mrd. Dollar pro Jahr für Klimaschutzmaßnahmen im Süden zu mobilisieren, doch nur ein kleiner Bruchteil wurde bis heute zur Verfügung gestellt. Der Süden will eine verbindliche Finanzierungsverpflichtung im Pariser Abkommen und einen Plan, wie das Geld bis 2020 auf 100 Mrd. Dollar gesteigert wird, aber der Norden leistet dagegen Widerstand.

* Technologietransfer: Der Süden will konkrete Verpflichtungen vom Norden zum Transfer von Technologien, die für Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen gebraucht werden, einschließlich der Beseitigung von Hindernissen wie dem Mangel an Finanzmitteln und Know-how sowie intellektuelles Eigentum (Lizenzen), was die Kosten erhöhen könnte. Der Norden will, dass der Süden Technologie zu kommerziellen Bedingungen bekommt und die Lizenz- und Know-how-Frage im Abkommen überhaupt nicht erwähnt wird.

* Die „Beiträge“ der Länder: Die Länder sollen die „Beiträge“, die sie zur globalen Klimapolitik leisten, selbst festlegen. Der Norden will, dass die Entwicklungsländer Zahlen zu ihren maximalen Emissionsreduktionen nennen. Die Entwicklungsländer sind jedoch empört, dass sich der Norden weigert, jegliche Zahlen zur Finanzierung zu nennen, und viele wollen, dass auch ihre Anpassungsaktionen eingerechnet werden, um das Ausmaß ihres Beitrags zum globalen Handeln zu zeigen. Unterdessen zeigen die von mehreren Entwicklungsländern eingereichten Reduktionsverpflichtungen ein niedriges Ambitionsniveau.

* Rechtlich bindend? Das Pariser Ergebnis könnte ein Protokoll oder ein anderes rechtlich bindendes Abkommen oder ein Ergebnis mit Rechtskraft sein. Wie verbindlich es für die Länder sein wird und was passiert, wenn sie sich nicht daran halten, wird eine der letztlich auch noch zu lösenden Fragen sein.

Es gibt auch verschiedene Schattierungen in den Sichtweisen der Entwicklungs- und Industrieländer. Doch dies sind die Schlüsselfragen, in denen große Differenzen entlang von Nord-Süd-Linien existieren. Ob sie vor Paris überbrückt werden können, bleibt abzuwarten. Aber das Schicksal unseres Klimas und die Zukunft der Menschheit hängen stark davon ab.

Martin Khor ist Exekutivdirektor des South Centre, eines Forschungszentrums von 51 Entwicklungsländern mit Sitz in Genf. Er schreibt regelmäßig an dieser Stelle.

Posted: 9.6.2015

Empfohlene Zitierweise:
Martin Khor, Der steinige Weg nach Paris. Knackpunkte der Klimaverhandlungen, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 9. Juni 2015 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

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