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Finanzkrise durchkreuzt globale Bildungsziele

Artikel-Nr.: DE20100118-Art.03-2010

Finanzkrise durchkreuzt globale Bildungsziele

Global Monitoring Report 2010

Vorab m Web – Die Nachwirkungen der globalen Finanzkrise bedrohen die Bildungschancen von Millionen Kindern in den ärmsten Ländern der Welt. Das geht aus dem neuen Monitoring-Bericht der UN-Bildungskampagne hervor. Der Bericht mit dem Titel „Die Marginalisierten erreichen“ argumentiert, dass eine Kombination aus gebremstem Wachstum, steigender Armut und haushaltspolitischen Zwängen die Erfolge der letzten Dekade zu Nichte machen könnte. Eine W&E-Zusammenfassung.

Der Global Monitoring Report wird jährlich von einem unabhängigen Autorenteam erstellt und von der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) erstellt und bewertet den Stand der Umsetzung der sechs Ziele der Kampagne “Bildung für alle”, zu denen sich im Jahre 2000 über 160 Länder bekannt haben. Die neueste Ausgabe (s. Hinweis) benennt einige spektakuläre Fortschritte, die die zurückliegende Dekade deutlich vom „verlorenen Jahrzehnt“ der 1990er Jahre abheben.

* Erfolge im ersten Jahrzehnt …

Seit 1999 ist die Zahl der Kinder, die keine Schule besuchen, um 33 Millionen gefallen, während die Zahl der Primarschulabschlüsse gestiegen ist. In Subsahara-Afrika lag die Einschulungsrate fünfmal höher als in den 1990ern. In Süd- und Westasien konnte die Zahl der vom Schulbesuch ausgeschlossenen Kinder mehr als halbiert werden, teilweise durch die gezielte Förderung des Schulbesuchs von Mädchen. In Indien etwa fiel die der vom Schulbesuch ausgeschlossenen Kinder in nur zwei Jahren (2001-2003) um fast 15 Millionen.

Solche Zahlen widerlegen den Mythos, dass arme Länder nicht imstande sind, schnelle Fortschritte bei der Bildung zu realisieren. Doch der Bericht warnt, dass viele Länder wahrscheinlich hinter den 2000 beschlossenen Bildungszielen zurückbleiben werden, weil die Regierungen die Ungleichheit nicht angemessen bekämpfen und die Geber ihre Zusagen nicht einhalten.


Am dringendsten sei der Handlungsbedarf in Subsahara-Afrika. Angesichts steigender Haushaltsdefizite könnten die Bildungsausgaben dort als erstes unter die Räder geraten. Den Bildungssystemen in der Region könnten so als direktes Ergebnis der Krise 2009 und 2010 rund 4,6 Mrd. Dollar verloren gehen. An die Geber und die Mitgliedsländer der G20 appellieren die Autoren daher, die Entwicklungshilfe so aufzustocken, dass Haushaltskürzungen zu Lasten der Bildung vermieden werden. Insgesamt schätzt der Bericht, dass die Geber eine Finanzierungslücke von 16 Mrd. Dollar pro Jahr überbrücken müssen, um das Ziel Grundbildung für alle bis 2015 zu erreichen.

* … doch Verfehlung der Ziele

Fünf Jahre vor dem Zieldatum 2015 befürchtet der Global Monitoring Report, dass es immer schwieriger wird, die Bildungsziele doch noch zu erreichen. Anlass zur Sorge geben vor allem folgende Indikatoren:
* Bei Fortsetzung der laufenden Trends werden im Jahr 2015 immer noch 56 Millionen Kinder im Grundschulalter keine Grundschule besuchen.
* Zusätzlich sind 71 Millionen Jugendliche derzeit vom Schulbesuch ausgeschlossen.
* Die Geschlechterungerechtigkeit bleibt hoch. In 28 Entwicklungsländern besuchen pro zehn Jungen nur acht oder weniger Mädchen die Grundschule
* Noch immer sind 54% der vom Schulbesuch Ausgeschlossenen Mädchen, und dass Mädchen ohne Grundschulabschluss jemals eine Schule besuchen, ist weit weniger wahrscheinlich als bei Jungen.
* Weltweit werden 10,3 Millionen Lehrer zusätzlich gebraucht, um das Ziel Grundschulbesuch für alle bis 2015 zu erreichen.
* Wenig Fortschritte sind bei dem Ziel zu verzeichnen, das Erwachsenen-Analphabetentum zu halbieren. Das betrifft 759 Millionen Menschen, darunter zwei Drittel Frauen.
* Mangelernährung von Kindern bleibt ein Haupthindernis von Bildungsfortschritten. Davon sind 178 Millionen Kinder zwischen null und fünf Jahren betroffen – mit zunehmender Tendenz.
* Bei weitem zu viele junge Leute verlassen die Grundschule ohne genügende Lese- und Schreibkenntnisse.

* Kollektives Versagen der Entwicklungshilfe

Wie der Bericht konstatiert, hat die Gebergemeinschaft kollektiv dabei versagt, das im Jahr 2000 gegebene Versprechen zu erfüllen, dass „kein Land, dass ernsthaft zu den Ziel Bildung für alle steht, bei der Umsetzung dieses Ziels durch einen Mangel an Ressourcen behindert werden soll“. Tatsache ist vielmehr, dass die Hilfe für Grundbildung seit 2004 stagniert und in 2007 sogar um ein Fünftel gefallen ist. Die Entwicklungshilfebudgets spiegeln bei drei Gebern – Frankreich, Deutschland und Japan – eine relative Vernachlässigung der Grundbildung wider, da sie mehr als die Hälfte ihrer Bildungshilfe für höhere Bildungsstufen ausgeben. Auf der anderen Seite hat Spanien mit der Steigerung seiner Hilfe für Grundbildung seit 1999 um 78% eine führende Rolle gespielt.

Der Bericht schätzt, dass Länder mit niedrigem Einkommen zusätzlich 7 Mrd. Dollar pro Jahr (oder 0,7% ihres BIP) aus heimischen Mitteln oder durch Umverteilung für Bildungszwecke aufbringen könnten. Gleichwohl bleibt für 46 arme Länder eine Finanzierungslücke von 16 Mrd. Dollar jährlich. Frühere Schätzungen haben die Kosten zur Erreichung der Bildungsziele überschätzt, teilweise weil sie die zusätzlichen Ausgaben nicht berücksichtigt haben, die notwendig sind, um verarmte Zielgruppen zu erreichen.

Der Bericht erkennt an, dass die Erhöhung der Entwicklungshilfe für die Geber angesichts der akuten Haushaltsengpässe eine Herausforderung darstellt. Dennoch muss die Hilfe massiv ansteigen, wenn die Finanzierungslücke von 16 Mrd. Dollar geschlossen werden soll. Schließlich beläuft sich die Hilfe für Grundbildung derzeit gerade mal auf 2,7 Mrd. Dollar. Nicht zuletzt deshalb wird der UN-Generalsekretär dazu aufgerufen, für 2010 eine hochrangige Geberkonferenz für Bildungshilfe einzuberufen.

* Bekämpfung der Ungleichheit zentral

Darüber hinaus verlangen die Autoren eine grundlegende Reform der multilateralen Bildungshilfe, insbesondere ihres Kernstücks, der sog. Fast Track Initiative. Deren Auszahlungsraten seien sehr niedrig, die Entwicklungsländer hätten wenig mitzubestimmen in der Governance-Struktur, die Rolle des Privatsektors sei minimal, und die von Krisen betroffenen Länder würden kaum berücksichtigt.

Zentral für Fortschritt im Bildungssektor ist dem Bericht zufolge aber der Kampf gegen die sog. Bildungsarmut. Extreme und anhaltende Ungleichheit verhindert bildungspolitische Fortschritte, diese wiederum behindern wirtschaftliches Wachstum ebenso wie die Reduzierung der Armut und die Verbesserung der Gesundheitssituation. Der Bericht benennt einige Politiken, die der Bildungsungleichheit erfolgreich begegnen könnten. Dazu gehören die Verbesserung des Zugangs zum Bildungswesen und die Verringerung der damit verbundenen Kosten für die Nutznießer, die Verbesserung des Lernumfeld für marginalisierte Gruppen und die Ausweitung der Ansprüche auf Bildungsleistungen und der Bildungschancen generell.

Hinweis:
* Education for All Global Monitoring Report 2010: Reaching the marginalized, UNESCO Publishing: Paris 2010. Bezug: über www.unesco.org

Veröffentlicht: 19.1.2010

Empfohlene Zitierweise: W&E-ZUsammenfassung, Finanzkrise durchkreuzt globale Bildungsziele. Global Monitoring Report 2010, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), W&E 01/2010 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).