Der Fachinformationsdienst für Globalisierung, Nord-Süd-Politik und internationale Ökologie
en

Was suchen Sie?

Griechenland als Reformchance für den IWF

Artikel-Nr.: DE20150531-Art.13-2015

Griechenland als Reformchance für den IWF

Warum der Default Sinn macht

Vorab im Web - Die Gläubigergemeinde traf Ende Mai ein weiterer Schock, da mehr und mehr einflussreiche Akteure argumentieren, Griechenland solle die Rückzahlung der IWF-Kredite stoppen und die knappen öffentlichen Ressourcen lieber zur Bearbeitung seiner wirtschaftlichen und humanitären Krise nutzen. Premierminister Tsipras beruhigt zwar noch die Gläubiger. Doch die Idee lässt sich nicht mehr aus der Welt schaffen, und das ist gut so, schreibt Bodo Ellmers*).

Griechenland sollte seine Kreditrückzahlungen nicht nur einfach strecken, sondern sich für zahlungsunfähig erklären, also die Zahlungen an den IWF stoppen – gleichsam für einen guten Zweck. Dies wäre letztlich auch ein Beitrag, um den IWF zu reformieren und ihn aus einer politischen Marionette, die er im Moment ist, in ein effektives Krisenbekämpfungsinstrument zu verwandeln.

● Von risikoloser zu verantwortungsloser Kreditvergabe

Wer auch immer in einer Schuldenkrise verliert – und normalerweise sind es viele – der IWF ist stets aus dem Schneider. Es ist allgemein üblich, dass die Schuldner dem IWF einen bevorzugten Gläubigerstatus einräumen und die IWF-Kredite voll und rechtzeitig zurückzahlen. Während im internationalen Recht nirgendwo etwas von einem solchen bevorzugten Gläubigerstatus geschrieben steht – nicht einmal in den eigenen Statuten des IWF, halten sich traditionell alle Länder an diese Praxis. Das gilt sogar für Länder wie Argentinien, die von US-Richtern als widerspenstige Schuldner gebrandmarkt werden und auch selbst auf keine guten Beziehungen zum IWF Wert legen.

Die Rückzahlung an den IWF geht oft mit hohen Kosten für die Entwicklung der Schuldnerländer und für andere Gläubiger einher, die keinem Schuldenschnitt zugestimmt haben oder an deren Schuldenumstrukturierung der IWF nicht teilgenommen hat. Der Umstand, dass alle die IWF-Schulden bedienen, bedeutet im Grunde, dass für ihn die Kreditvergabe ohne Risiko ist. Und wie immer, wenn diese risikolos ist, wird der Geber zu verantwortungslosem und unsinnigem Handeln ermutigt.

● Desaströse Bilanz des IWF

Nur ein Beispiel ist die Teilnahme des IWF an der Troika ab 2010, durch deren Handeln die privaten Gläubiger Griechenlands begünstigt wurden. Von Anfang an war klar, dass Griechenland insolvent war, dass die Bail-out-Kredite das Land nicht zurück zur Schuldentragfähigkeit, sondern lediglich zur Refinanzierung der Schuldenzahlungen an private Gläubiger führen würden, die das Land längst verlassen hatten. Klar war auch, dass Griechenland niemals dazu in der Lage sein würde, die Bail-out-Kredite zurückzuzahlen, da diese Maßnahmen nicht einmal ansatzweise das Insolvenzproblem angingen, sondern einfach die Gläubigerstruktur ändern und an die Stelle der Anleihehalter die Troika setzen würden. 90% der Kredite gingen direkt an Gläubiger. Dabei verbieten die eigenen Regeln des IWF solchen Unsinn. Danach müsste ein Land mit einer nicht-tragfähigen Schuldenlast diese restrukturieren und zuerst die private Schuldenlast reduzieren, bevor es Zugang zu IWF-Krediten erhält.

Dennoch waren einige der wichtigsten Anteilseigner des Fonds daran interessiert, ihre eigenen Banken und Investoren „rauszuhauen“, die waghalsig Geld verliehen und nun in Griechenland zu hohe Außenstände hatten. Im Ergebnis verabschiedete der IWF-Vorstand schnell eine „systemische Ausnahmeklausel“, die die Bail-out-Kredite für Griechenland legalisierte, trotz der Tatsache, dass diese die IWF-Regeln verletzten.

Die Unterstützung des IWF-Managements war nicht schwer zu bekommen, da der damalige Geschäftsführende Direktor Dominique Strauss-Kahn erwog, französischer Präsidentschaftskandidat zu werden und französische Banken die stärksten Profiteure des Bail-outs waren. Da deutsche und britische Banken am zweit- und drittstärksten engagiert waren, war die Koalition der Hauptanteilseigner schnell stark genug, um den Widerstand der vorsichtigeren Stimmen zu überwinden.

● Politische Instrumentalisierung

Diese griechische Tragödie ist nur einer von vielen Fällen verantwortungsloser Kreditvergabe des IWF, die dem politischen Druck der Hauptanteilseigner geschuldet sind, die dazu neigen, diese internationale Institution mit seiner nahezu universellen Mitgliedschaft (188 Länder) für ihre eigennützigen und geostrategischen Interessen in Geiselhaft zu nehmen. Zu älteren Beispielen gehört die IWF-Unterstützung für prowestliche Militärdiktaturen auf der ganzen Welt. Ein aktuelleres Beispiel ist die großzügige IWF-Unterstützung für die bellizistische Ukraine, die ebenfalls jenseits jeglicher Schuldentragfähigkeit gewährt wird.

Oft sind es die kleineren IWF-Mitglieder, die versuchen, den IWF von unverantwortlichen Kreditoperationen abzuhalten. Paulo Batista beispielsweise, der Brasilien und andere lateinamerikanische Länder im Fonds vertritt, argumentierte, dass der Fonds „Geld vergab, um deutsche und französische Banken, nicht aber Griechenland zu retten… (und) Griechenland zu viel Lasten auferlegte und zu wenig seinen Gläubigern“. Ihre Position ist jedoch schwach – einerseits wegen der Stimmverteilung nach dem Prinzip „Ein Dollar – eine Stimme“, andererseits weil der IWF unter dem gegenwärtigen System immer sein Geld zurück bekommt. Egal wie unverantwortlich die ursprüngliche Kreditvergabe war, dritte zahlen stets den Preis. So ist es allzu leicht, den IWF-Vorstand dazu zu bringen, politisch motivierte Kredite zu bewilligen, die aus wirtschaftlicher Sicht sinnlos sind.

Von der politischen Marionette zum Kriseninstrument?

Der effektivste Weg, um verantwortungslose Kreditvergabe zu verhindern, besteht darin, den Gebern klar zu machen, dass sie ihr Geld nicht wiedersehen, wenn sie es verantwortungslos verleihen. Deshalb sollte Griechenland seine Zahlungsunfähigkeit in Bezug auf die IWF-Kredite erklären und den IWF zwingen, diese abzuschreiben. Dies würde die vorsichtigeren Stimmen im Entscheidungsprozess des IWF substanziell stärken.

Nur die Einführung eines Default-Risikos kann den IWF in eine verantwortliche Geberinstitution verwandeln. Nur die Einbeziehung des IWF in die Umstrukturierung öffentlicher Verschuldung („bail-in“) kann sicherstellen, dass künftig IWF-Ressourcen nicht zur Rettung privater Gläubiger missbraucht werden. Griechenland hat nun die Chance, einen überfälligen Reformprozess bzw. mehr Verantwortlichkeit beim IWF auszulösen: Diese Reform würde darin bestehen, den IWF auf sein Kerngeschäft zu konzentrieren, von politischer Kreditvergabe im Auftrag der Hauptanteilseigner Abstand zu nehmen und Notfallkredite nach klaren und gerechten Regeln an Länder Liquiditätsklemmen zu vergeben.

Natürlich werden Großmächte weiterhin Kredite nach politischen und geostrategischen Interessen vergeben, selbst wenn sie den IWF dafür nicht mehr instrumentalisieren können. Und in jedem Fall wird irgendjemand die Verluste des IWF infolge unverantwortlicher Kreditvergabe ausgleichen müssen. Gleichwohl könnte man in Paraphrasierung von Yanis Varoufakis sagen: Die breitere IWF-Mitgliedschaft sollte auf die Hauptanteilseigner zeigen und sagen: Jetzt löst diese Probleme mal schön selbst!

Bodo Ellmers ist Policy and Advocacy Manager beim Europäischen Netzwerk Schulden und Entwicklung (eurodad). Dort erschien die englische Version des Beitrags (www.eurodad.org).

Posted: 31.5.2015

Empfohlene Zitierweise:
Bodo Ellmers, Griechenland als Reformchance für den IWF. Warum der Default Sinn macht, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 31. Mai 2015 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

© Dieser Beitrag ist urheberrechtlich geschützt. Die Vervielfältigung von Informationen oder Daten, insbesondere die Verwendung von Texten, Textteilen oder Bildmaterial bedarf der vorherigen Zustimmung der W&E-Redaktion.