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Jeffrey Sachs als Weltbank-Präsident?

Artikel-Nr.: DE20120311-Art.13-2012

Jeffrey Sachs als Weltbank-Präsident?

Ein Reform-Kandidat

Nur im Web – Die Weltbank erlebt die erste Kampfkandidatur um den Präsidentenposten seit ihrer Gründung vor 68 Jahren. Der Wirtschaftswissenschaftler Jeffrey Sachs hat seinen Hut in den Ring geworfen und ist inzwischen offizieller Kandidat der Regierungen von Kenia, Malaysia, Jordanien, Ost-Timor, Namibia und Bhutan. Gut für die Weltbank – und gut für die Welt, meint Mark Weisbrot.

Die Weltbank, die in den Entwicklungsländern, insbesondere den ärmeren, eine wesentliche Rolle spielt, hat immer noch akuten Reformbedarf. Sachs steht ein harter Kampf bevor: Es ist Wahljahr in den USA, und einige der Konzerne, die an der Weltbank Millionen verdienen, sind wichtige Geldgeber im Wahlkampf. Präsident Obama wird aus persönlichem und aus politischem Interesse wohl genau das tun, was seine Vorgänger auch getan haben: Einen Getreuen zu ernennen, der dafür sorgt, dass die richtigen und wichtigen Leute zufrieden sind. Der derzeitige Präsident, der sein Amt aufgibt, Robert Zoellick, war früher US-Handelsvertreter und arbeitete auch – genau – für Goldman Sachs.

* Die fehlgeschlagenen Bank-Strategien
Die Weltbank hat über die Jahre gezeigt, was man alles anrichten kann und welche fatalen Folgen fehlgeleiteten Strategien haben. Nur ein Beispiel: Etwa 15 Jahre lang vergab die Weltbank Kredite an arme Länder nur unter der Bedingung, dass die Regierungen von ihren Bürgern eine „Nutzungsgebühr“ für die medizinische Primärversorgung und für Schulbildung verlangt. Es überrascht kaum, dass aufgrund dieser Maßnahme medizinische Versorgung und Schulbildung für viele arme Menschen unerschwinglich wurden, wobei insbesondere Kinder im Grundschulalter in Afrika die Leidtragenden waren.

Im Jahr 2000 gelang es einer Allianz aus etwa 120 Organisationen, den US-Kongress zu überzeugen, ein Gesetz zu verabschieden, das die Vertreter der USA bei der Weltbank und anderen internationalen Finanzinstitutionen zwingt, gegen solche Bedingungen zu stimmen. Das Gesetz wurde verabschiedet, seine Einhaltung jedoch musste kontinuierlich überwacht werden. So verstieß die US-Regierung dagegen, als sie die verbotenen Auflagen in einer Kreditvereinbarung mit Tansania unterstützte. Das Protokoll der Board-Sitzung der Weltbank gelangte an die Öffentlichkeit, was zu einer Anhörung im Kongress führte und schließlich dieser Praxis ein Ende bereitete.

Einem Bericht der New York Times aus dem Jahr 2004 zufolge konnten dank dieser Änderung der Vertragsbedingungen Millionen von Kindern in Afrika die Grundschule besuchen. Mein Kollege Robert Naiman, damals beim Center for Economic and Policy Research, war intensiv an dieser Kampagne beteiligt, und wir sind stolz darauf, dass unsere Arbeit vielen Menschen ganz konkret genutzt hat. Dennoch: Zu diesem Kampf hätte es nie kommen dürfen. Und wenn die Weltbank besser geführt und transparenter wäre, hätte es auch nicht dazu kommen müssen.

* Interessengeleitete Forschungspraxis

Darüber hinaus hat die Weltbank echte Probleme mit ihrer Forschungspolitik. Ein Panel [PDF] aus Wirtschaftswissenschaftlern, das von der Weltbank selbst eingerichtet wurde, um die Forschung der Jahre1998-2005 zu analysieren, „kritisierte recht scharf die Art und Weise, dass die Forschungsergebnisse genutzt wurden, um im Sinne der Bankpolitik zu missionieren, wobei die Daten häufig sehr unausgewogen dargestellt wurden und es an der angemessenen Skepsis mangelte.“ Aber sogar diese Überprüfung der Forschungspolitik war bemüht, keinen übermäßigen Staub aufzuwirbeln und ignorierte einige der schlimmsten Mängel in der Forschungspraxis der Weltbank.

So veröffentlichte die Weltbank im Jahr 2003 einen Bericht zu einem Zeitpunkt, der enorme Medienaufmerksamkeit garantierte: Kurz vor einer wichtigen Abstimmung des US-Kongresses über das Zentralamerikanische Freihandelsabkommen (Central America Free Trade Agreement – CAFTA) und zum zehnten Jahrestag des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA – North American Free Trade Agreement). Der Bericht belegte angeblich, dass sich das NAFTA positiv auf die mexikanische Wachstumsrate ausgewirkt habe (die kläglich war und seit der Verabschiedung des Abkommens auch nicht besser geworden ist). Es zeigte sich jedoch, dass das Ergebnis der Weltbank aufgrund eines Datenfehlers zustande gekommen war. Die Weltbank weigerte sich, den Fehler zu korrigieren, ja, ihn auch nur anzusprechen, sogar nachdem der Fehler wiederholt und unwiderlegbar nachgewiesen worden war. Für mich ist das ein schwerwiegender Verstoß gegen die Ethik der wissenschaftlichen Arbeitsweise.

Großen Schaden richtet die Weltbank auch durch ihre Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) an, wenn es darum geht, die Bedingungen des Fonds in Bezug auf öffentliche Ausgaben und Makroökonomie durchzusetzen. Auch wenn das „Kartell der Gläubiger“ in vielen Ländern mit mittlerem Einkommen, die sich in den vergangenen 15 Jahren geschworen haben, nie mehr Geld vom IWF zu leihen, in sich zusammengestürzt ist, treibt es in vielen armen Ländern nach wie vor sein Unwesen.

Eine neue Führung der Weltbank könnte dafür sorgen, dass sich die Institution nicht länger an der Durchsetzung schädlicher Bedingungen beteiligt. Sie könnte auch die immer stärker werdende Rolle der Weltbank in der Klimapolitik neu ausrichten. Im vergangenen Jahr veröffentlichte eine Koalition aus Umweltgruppen, einschließlich des US-Sierra Club und Friends of the Earth, einen Bericht, demzufolge „in den letzten vier Jahren fast die Hälfte der Kreditvergabe [der Weltbank] im Energiesektor– mehr als 15 Mrd. US-Dollar – in fossile Energieträger [floss]“. Die Prioritäten der Weltbank sollten eindeutig in den Bereichen Erneuerbare Energie, wie Wind und Sonne, und Energieeffizienz liegen.

* Interesse für Gesundheit, Bildung und nachhaltige Landwirtschaft

Die Weltbank könnte auch einen positiven Beitrag zu dem dringenden Entwicklungsbedarf, insbesondere in den Sektoren Gesundheit, Bildung und nachhaltige Landwirtschaft, leisten. Genau dort hat sich Sachs im Laufe des letzten Jahrzehnts erfolgreich engagiert. So unterstützte er maßgeblich den Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis, and Malaria, mit dessen Hilfe in armen Ländern Millionen von Leben gerettet werden konnten. Auch sein Millennium Villages Projekt zeigt exemplarisch, wie Gelder der Entwicklungszusammenarbeit eingesetzt werden können, um die landwirtschaftliche Produktivität zu steigern und die öffentliche Gesundheit zu verbessern. Dieses Projekt widerlegt die weitverbreitete zynische Ansicht, Entwicklungshilfe sei aus dem Fenster geworfenes Geld – eine Ansicht, die am Ende nur dazu dient, reale und positive Entwicklungshilfe zu beschneiden.

Sachs hat sich auch dezidiert für einen Schuldenerlass für arme Länder ausgesprochen. Sein 2008 erschienenes Buch Common Wealth bietet einen hervorragenden Überblick über die miteinander verbundenen Probleme Klimawandel, Entwicklung, Armut, Bevölkerung und Gesundheit – und konkrete Vorschläge, wie diese Probleme angegangen werden können. Sachs bringt eindeutig das Wissen, die Ideen und die Erfahrung mit, um die Weltbank in eine andere Richtung zu lenken.

* Sachs wäre ein Kurswechsel

Vorletzte Woche merkte Sachs an, dass „die US-Regierung die Weltbank traditionell als eine Verlängerung der US-Außenpolitik und der US-amerikanischen Wirtschaftsinteressen sieht... Viele Projekte förderten die US-Unternehmensinteressen, nicht die nachhaltige Entwicklung.”

In den vergangenen vier Jahrzehnten ist es lediglich drei kleinen Ländern (Botswana, den Malediven und den Kapverdischen Inseln) gelungen, aus der UN-Kategorie der am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) aufzusteigen. Ein Grund für dieses Armutszeugnis ist die Tatsache, dass die internationale Wirtschaftsordnung immer noch von den reichen Ländern beherrscht wird, die die Regeln bestimmen. Das macht es den Entwicklungsländern auf allen Stufen – insbesondere jedoch den armen – unendlich schwer, Entwicklungsstrategien zu verfolgen, die ihnen helfen, auf der Einkommensleiter nach oben zu klettern.

Eine Veränderung an der Führungsspitze der Weltbank allein wird an diesen strukturellen Hindernissen nichts ändern. Sie könnte aber dafür sorgen, dass die Weltbank nicht länger ein Teil des Problems ist, sondern zu einem Teil der Lösung wird.

Mark Weisbrot ist Ko-Direktor des Centre für Economic Policy Research (CEPR) im Washington DC. Sein Kommentar erschien zuerst im Guardian.

Veröffentlicht: 11.3.2012

Empfohlene Zitierweise: Mark Weisbrot, Jeffrey Sachs als Weltbank-Präsident? Ein Reform-Kandidat, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 11. März 2012 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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