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Klimapoker auf dem Rücken der Ärmsten

Artikel-Nr.: DE20131127-Art.43-2013

Klimapoker auf dem Rücken der Ärmsten

Weniger statt mehr Klimaschutz nach COP 19

Vorab im Web – Die Ergebnisse der regelmäßigen Weltklimakonferenzen machen selten Mut. Die gerade in Warschau zu Ende gegangene Runde (COP 19: Konferenz der Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention) allerdings war dazu noch von ganz besonderem Zynismus geprägt, und dies nicht nur, weil die Konferenz ausgerechnet in jenem Land stattfand, das seit Jahren den Klimaschutz in Europa noch mehr als die bisherige Bundesregierung blockiert. Eine auswertende Analyse von Jan Kowalzig.

Noch zur Eröffnung des Gipfels gab es von allen Seiten Anteilnahme und Solidaritätsbekundungen für die Opfer der Taifun-Katastrophe auf den Philippinen. Wie hohl diese Bekundungen in Wahrheit waren, wurde schon in den ersten Tagen des Warschauer Gipfels klar: Noch während der laufenden Verhandlungen erklärte Japan sein Klimaschutzziel für die Zeit bis 2020 für ungültig, kündigte Australien Gesetzesänderungen zur Demontierung der nationalen Klimaschutzpolitik an und erklärte Neuseeland, dass es in Warschau nicht über mehr Ehrgeiz bei der Reduktion von Treibhausgasen verhandeln werde.

● Emissionslücke größer denn je

Im Verhandlungsstrang um mehr Klimaschutz für den Zeitraum 2020 gab es also nicht nur keine Fortschritte. Die Lücke zwischen dem vereinbarten Ziel, die globale Erwärmung auf unter 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu halten, und den bestehenden Klimaschutzzusagen der Industrie- und Schwellenländer ist nach der Warschauer Konferenz sogar deutlich größer geworden. Fast 4 Grad Celsius gelten nun als wahrscheinlich.

Zwar wurde schon 2012 auf der Klimakonferenz in Doha vereinbart, dass Länder mit Verpflichtungen unter dem Kyoto-Protokoll ihre Ziele im Jahr 2014 überprüfen und nachbessern sollen und dieser Aufruf nun in Warschau auf sämtliche Industrieländer erweitert. Aber selbst in der Europäischen Union gibt es zurzeit keine Bereitschaft, das Reduktionziel für Treibhausgase bis 2020 zu verschärfen, obwohl die bestehenden, viel zu schwachen Vorgaben bereits 2012 erreicht wurden; bis 2020 sind nun in Europa keine weiteren Anstrengungen geplant.

● Neues Klima-Abkommen auf abschüssiger Bahn

Im zweiten Verhandlungsstrang über ein neues Abkommen für die Zeit nach 2020 ging es in Warschau im Wesentlichen um einen Zeitplan für die Verhandlungen der kommenden zwei Jahre. 2015 soll das Abkommen in Paris verabschiedet werden und insbesondere für alle Länder gelten, also einschließlich der Entwicklungsländer.

Schlüsselfrage in Warschau war der Zeitpunkt, zu dem die Länder ihre geplanten künftigen Verpflichtungen vorlegen sollen. Die Europäische Union, viele Entwicklungsländer und insbesondere die kleinen Inselstaaten hatten das Jahr 2014 dafür favorisiert, damit ausreichend Zeit bliebe, die Pläne gegenseitig zu bewerten und wenn nötig nachzubessern. Daraus ist nichts geworden. Die Länder der Umbrella Group, ein Zusammenschluss von USA, Japan und einigen anderen (nichteuropäischen) Industrieländern, die über diese Gruppe oft ihren Widerstand gegen international verbindlichen Klimaschutz organisieren, setzten gemeinsam mit China, Indien und weiteren großen Schwellenländern nicht nur eine Verschiebung dieses Zeitpunkts in das Jahr 2015 durch.

In den letzten Stunden gelang derselben unheiligen Allianz sicherzustellen, dass jedes Land seinen jeweiligen Beitrag zum globalen Klimaschutz im neuen Abkommen im Grunde genommen selbst festlegen soll (anstatt darüber zu verhandeln, etwa mit Blick auf Angemessenheit und Fairness), und insbesondere auch die Frage der Verbindlichkeit dieser Beiträge bis auf weiteres ungeklärt bleibt.

Das macht nicht gerade Mut, dass in diesem künftigen Abkommen ausreichend Klimaschutz „verankert“ werden wird – übrigens nicht nur wegen des Ergebnisses von Warschau; auch in Deutschland haben sich CDU und SPD gerade erst bei den Koalitionsverhandlungen darauf geeinigt, nächstes Jahr in Brüssel ein sehr bescheidenes Ziel von nur 40% Reduktionen bis 2030 (statt benötigter mindestens 55% Reduktionen) durchzusetzen, also für den Zeitraum, um den es in dem neuen Abkommen vermutlich gehen wird.

● Stillstand bei Klima-Hilfen

Auch bei den Finanzierungsfragen wurde in Warschau fast nichts erreicht und der Stillstand bei den Versprechen der Industrieländer zur Unterstützung der armen Länder im Kampf gegen den Klimawandel hinter Wortklauberei versteckt. Immerhin wurden in Warschau knapp über 100 Mio. € für den UN-Anpassungsfonds eingesammelt, der den armen Ländern bei der Anpassung an die klimatischen Veränderungen helfen soll. Außerdem wurde der bestehende Plan, dass die ersten Zusagen für den neuen Green Climate Fund bis spätestens Ende 2014 kommen werden, zumindest implizit (wenn auch unverbindlich) bestätigt.

Darüber hinaus aber verhinderten die Industrieländer erfolgreich, im nächsten Jahr wenigstens vage Pläne vorlegen zu müssen, wie sie bis 2020 die Klima-Hilfen wie versprochen auf jährlich 100 Mrd. US-Dollar anheben werden. Das hatten die Entwicklungsländer gefordert, um den Schutz ihrer Bevölkerung vor dem Klimawandel besser organisieren und solide Klimaschutzprogramme planen zu können. Auch wenn immerhin die Konferenz eine (recht vage) Formulierung beschloss, nach der die Industrieländer ihre Bemühungen fortsetzen sollen, die Mittel der Klimafinanzierung zu steigern, lassen die konkreten Ankündigungen der Minister in Warschau etwa für 2014 oder 2015 diesen Anstieg nicht erkennen; das Gegenteil dürfte in vielen Ländern der Fall sein.

Dass Umweltminister Peter Altmaier in Warschau verkünden konnte, die deutschen Mittel würden nächstes Jahr zumindest auf dem Niveau von 2013 bleiben, liegt an einer trickreichen Zählweise der Bundesregierung. In Wahrheit sind im Entwurf für den Bundeshaushalt 2014 bei den Neuzusagen für Klima-Projekte in armen Ländern Kürzungen von über 400 Mio. € vorgesehen. Ob die neue Bundesregierung hier noch eine Kehrtwende vollziehen wird oder sich sozusagen schon auf den Wortbruch vorbereitet, bleibt abzuwarten.

● Lichtblick bei Verlust und Schäden durch Klimawandel?

Einen bescheidenen Erfolg gab es beim Thema unvermeidbarer Schäden durch den Klimawandel – etwa der Verlust von Land durch den steigenden Meeresspiegel, die Versalzung von Grundwasserreservoirs oder Katastrophenschäden durch schwere Stürme. Seit 20 Jahren streiten insbesondere die kleinen Inselstaaten für einen angemessenen Umgang mit solchen Folgen des Klimawandels, die trotz Klimaschutz und trotz Anpassung an die klimatischen Veränderungen zu unvermeidbaren Schäden führen – bislang ohne Erfolg. Jetzt wurde in Warschau beschlossen, einen eigenen „Mechanismus“ einzurichten, der sich dieses Themas annimmt und später auch die Unterstützung beim Umgang mit Verlust und Schäden regeln könnte.

Die Industrieländer haben den letztlich gefassten Beschluss bis zuletzt immer weiter abgeschwächt, weil sie befürchten, dass solch ein Mechanismus später zu Kompensationszahlungen an die besonders betroffenen Länder führen könnte. Bis der Mechanismus konkrete Wirkung entfalten wird, dürften allerdings noch einige Jahre vergehen; ob er nun tatsächlich zu einer „dritten Säule“ der internationalen Klima-Architektur werden wird (neben Reduktion von Treibhausgasen und Anpassung an den Klimawandel), wird sich noch zeigen.

● Ausblick: wie geht es nun weiter?

Nach Warschau sind die kommenden zwei Jahre schwieriger geworden, nicht leichter. Dem globalen Klimaschutz haben einige Industrieländer herbe Rückschläge zugefügt. Wirkliche Fortschritte bei der Erfüllung gemachter Versprechen bei der finanziellen Unterstützung der armen Länder wollen die meisten Industrieländer nicht machen. Auch die Bereitschaft einiger großer Schwellenländer zu einem ambitionierten globalen Klimaschutzvertrag ist offenbar noch nicht da, auch wenn einige dieser Länder heute schon ehrgeizigeren Klimaschutz betreiben als viele Industrieländer.

Mit diesen in Warschau nun weiter verdüsterten Aussichten, wurde 2014 inzwischen als das „Jahr der Ambition“ ausgerufen, einschließlich eines Gipfels der Staats- und Regierungschefs auf Einladung von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon im Herbst 2014. Auch dieser Gipfel wird nur so viel erreichen können, wie die Regierungen bereit sind zu geben – die Herkulesaufgabe, den politischen Spielraum für mehr Klimaschutz zu erweitern, ist also in den Hauptstädten (und nicht auf Klimakonferenzen) zu bewältigen.

Veröffentlicht: 27.11.2013

Empfohlene Zitierweise:
Jan Kowalzig, Klimapoker auf dem Rücken der Ärmsten. Weniger statt mehr Klimaschutz nach COP 19, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 27. November 2013 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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