Der Fachinformationsdienst für Globalisierung, Nord-Süd-Politik und internationale Ökologie
en

Was suchen Sie?

Multilaterale Hilfe: Mehr Weltbank, weniger UNO

Artikel-Nr.: DE20100911-Art.47-2010

Multilaterale Hilfe: Mehr Weltbank, weniger UNO

Neuer DAC/OECD-Report

Nur im Web - Ein neuer Bericht des Entwicklungshilfeausschusses (DAC) der OECD beschreibt die jüngsten Trends der multilateralen Entwicklungshilfe: Er betont, dass zwar der Anteil multilateraler Institutionen an der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) stabil geblieben ist, die Gewichte sich jedoch weiter von der UNO zu den multilateralen Entwicklungsbanken verschoben haben. Die Kreditvergabe an arme Länder ist dramatisch gestiegen, während Zuschüsse gesunken sind. Von Bodo Ellmers.

Dem Bericht zufolge (s. Hinweis) stiegt die multilaterale ODA stieg von 23 Mrd. US-Dollar in 1989 auf 35 Mrd. US-Dollar in 2008. Als Anteil der gesamten ODA blieb sie über die letzten 20 Jahre relativ stabil, betrug zwischen 27% und 33%. Der Anteil regionaler Institutionen (besonders der Europäischen Union) und vertikaler Fonds (besonders des Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria) ist gestiegen, der Anteil der UNO ist jedoch von 15 auf 10% gesunken.

* Geber mit Lieblingsinstitutionen

Der Großteil der Gelder multilateraler Institutionen stammt aus den Entwicklungshilfebudgets der DAC-Mitgliedsstaaten. Die Beiträge der verschiedenen Geber zu verschiedenen Institutionen variieren erheblich. Luxemburg z.B. stellt 13% seines multilateralen Portfolios (ohne Beiträge zur EU) für die Internationale Entwicklungsassoziation (IDA), die Soft-loan-Filiale der Weltbank, zur Verfügung, bei Deutschland sind es 53%. Der Anteil für UN-Fonds und -Programme beträgt bei Frankreich nur 5%, während es bei Norwegen 45% sind. Ganz offensichtlich haben die kleineren Länder eine Präferenz für die UN mit ihrem Abstimmungsprinzip „Ein Staat - eine Stimme“, während die größeren die Weltbank bevorzugen, deren Abstimmungsprinzip ökonomisch mächtigeren Ländern mehr Gewicht einräumt.

* Verzerrte ODA-Allokation

Der Anteil der multilateralen ODA, die an die Länder mit niedrigem Einkommen (LICs) geht, ist größer als bei der bilateralen ODA (55% gegenüber 33%). Der Bericht erklärt das diplomatisch damit, dass multilaterale Organisationen zumeist regelbasierte Allokationsverfahren haben.

Man sollte auch ansprechen, dass die Allokation bilateraler ODA stark von wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen der Geberländer verzerrt ist. Multilaterale EZ ist theoretische frei von solchen nationalen Eigeninteressen. Der OECD Bericht deutet jedoch auch an, dass selbst multilaterale EZ nicht immer nach Bedürfnissen verteilt wird. Das dürfte z.T. an den ungleichen Stimmrechten liegen, besonders bei den internationalen Finanzinstitutionen, in denen die G7-Staaten ein erhebliches Gewicht haben. Damit reagieren selbst multilaterale Institutionen auf die unilateralen Interessen ihrer mächtigsten Mitgliedsstaaten, anstatt Gelder nach klaren Kriterien der Bedürfnisse und Effektivität einzusetzen.

* Die globale Krise: Gelddruckmaschine für die IFIs, Verschuldungsfalle für arme Länder

Einige reiche Länder haben mit der Kürzung von Entwicklungshilfegeldern auf die finanziellen Folgen der Finanzkrise reagiert oder zumindest die zugesagte Erhöhung der ODA gestoppt. Statt die Zuschüsse zu erhöhen, haben die mächtigsten Wirtschaftsnationen – vereinigt unter dem Dach der G20 – die multilateralen Entwicklungsbanken mandatiert, ihre Kreditvergabe zu steigern. Das hat geringere direkte Implikationen für die Budgets reicher Länder als die Steigerung der Entwicklungshilfe. Folgerichtig kamen die meisten Finanzmittel, die armen Ländern helfen sollten, die Folgen der Finanzkrise zu bewältigen, in Form von Krediten. Damit sind etliche arme Länder in eine drastische Kreditabhängigkeit gerutscht, während die multilateralen Entwicklungsbanken von der Krise profitiert haben, in dem sie ihre Kreditvergabe massiv steigern konnten.

Die Weltbankgruppe ist ein gutes Beispiel für diesen Trend. Die Kreditvergabe der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD), das eigentliche Herzstück der Gruppe, hat sich in 2009 fast verdreifacht. Die Auszahlungen der IDA haben eine Rekordhöhe von 14 Mrd. US-Dollar erreicht, ein Anstieg von 25% im Vergleich zum Vorjahr. Die IFIs, einige davon wurden für nahezu irrelevant gehalten, bevor die Krise ausbrach, haben die Krise auch als window of opportunity genutzt, um unter ihren Mitgliedsstaaten erfolgreich für Kapitalerhöhungen und Wiederauffüllungen zu lobbyieren.

* Zweckbindung untergräbt Wirksamkeit der EZ

Der Trend zur Zweckbindung multilateraler EZ ist besorgniserregend. Besonders das UN-System leidet darunter, dass die Geber ihre Beiträge für spezielle Zwecke, Sektoren oder Bestimmungsländer zweckbinden. Zweckbindung erhöht die Transaktionskosten, da beide Parteien, internationale Organisationen und ihre Mitgliedsstaaten, viel Zeit und Energie für die Verhandlung individueller Finanzierungen einsetzen müssen. Hinzu kommen aufwändige Berichterstattungspflichten, die das Personal der internationalen Organisationen binden.

Beim UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) sind drei Viertel des Einkommens zweckgebunden. Andere Institutionen sind besser dran. Die EU hat bis vor kurzem überhaupt keine Zweckbindung innerhalb ihrer Entwicklungsfonds akzeptiert. Die Weltbank verwaltet mittlerweile zwar einen gewaltigen Anteil von Treuhand-Fonds für spezielle Zwecke, diese machen jedoch weiterhin nur ein Viertel ihrer Auszahlungen aus.

Zweckbindung unterwandert auch das Kernprinzip des derzeitigen Regimes zur Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit, wie es vor allem in der Pariser Erklärung festgelegt ist: die Ownership der Entwicklungsländer. Durch Zweckbindung wird die Allokation der Entwicklungshilfe von Gebern vorherbestimmt, womit die Nehmer entmachtet werden, Gelder für selbstbestimmte Prioritäten zu verwenden,

Der Anteil zweckgebundener Mittel (non-core funding) ist besonders hoch bei Organisationen der humanitären Hilfe wie dem Welternährungsprogramm. Die Nachfrage nach humanitärer Hilfe ist zwangsläufig unberechenbar, was es für Geber schwierig macht, angemessene Beiträge vorab zu berechnen. Trotzdem sind stark verzögerte Reaktionen auf Naturkatastrophen wie jüngst die Überschwemmungen in Pakistan ein gutes Beispiel dafür, wie die Zweckbindung den Handlungsspielraum internationaler Organisationen einschränkt.

Selbst wenn im UN-System genügend Gelder vorhanden wären, um lebensrettende Soforthilfe zu leisten, können diese nicht einfach umgeleitet werden, wenn durch eine Naturkatastrophe unerwarteter Bedarf entsteht.
Nur wenige Geber haben bislang auf solche Herausforderungen reagiert. Ein positives Beispiel, das im OECD-Report hervorgehoben wird, ist Belgien. Die belgische Regierung hat jüngst beschlossen, innerhalb der nächsten Jahre den Großteil ihrer Beiträge an multilaterale Organisationen zur Kernbudgetfinanzierung umzuschichten.

* Klimafinanzierung: Noch nicht zusätzlich

Auf der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 haben reiche Länder sich verpflichtet, armen Ländern für die Jahre 2010-2012 30 Mrd. US-Dollar für Anpassung und Minderung des Klimawandels zur Verfügung zu stellen. Tatsächliche Auszahlungen sind jedoch weit davon entfernt. Die OECD berichtet, dass die kumulativen Auszahlungen von Klimafonds innerhalb und außerhalb der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) seit ihrem Bestehen lediglich 2,9 Mrd. Dollar betrugen, nur 246 Mio. jährlich. Nach Weltbankangaben, die in dem Bericht zitiert werden, stehen derzeit 9-10 Mrd. Dollar jährlich für Klimafinanzierung zur Verfügung, der Großteil davon für Minderung (8-9 Mrd. Dollar), lediglich eine Milliarde für Anpassung.

Es ist jedoch offensichtlich, dass dieser Betrag einen großen Anteil doppelt angerechneter Entwicklungshilfe beinhaltet. Zivilgesellschaftliche Organisationen haben stets betont, dass Klimafinanzierung zusätzlich zur Entwicklungshilfe geleistet werden muss, doch um Zusätzlichkeit ist es bislang nicht gut bestellt. Stattdessen werden Mittel häufig von den Kernaufgaben der Entwicklung und Armutsbekämpfung abgezogen.

Nicht zuletzt kritisiert der OECD Report auch den derzeitigen Trend, neue Parallelfonds für Klimafinanzierung aufzusetzen anstatt die Mittel durch bestehende Kanäle zu leiten. Er betont, dass es wichtig ist, von den Erfahrungen zu lernen, die im vergangenen Jahrzehnt mit Gesundheitsfonds gemacht wurden. Aus einer Aid-Effectiveness-Perspektive waren das nicht immer gute Erfahrungen. Der Report betont, dass Anpassung an und Minderung des Klimawandels ein Prozess sein muss, der von den armen Ländern selbst gesteuert werden muss, statt von Gebern getrieben zu werden: „Das ideale Klimafonds-Modell wird flexible externe bereitstellen, um wirklich integrierte Interventionen zu unterstützen, die in der Klimastrategie oder der nationalen Entwicklungsstrategie verankert sind, sagt selbst die OECD.

Hinweis:
* DAC/OECD: 2010 DAC Report on Multilateral Aid, 143 pp, OECD: Paris 2010. Bezug: über www.oecd.org

Bodo Ellmers ist Mitarbeiter des European Network on Debt and Development (Eurodad) in Brüssel.

Veröffentlicht: 11.9.2010

Empfohlene Zitierweise: Bodo Ellmers, Multilaterale Hilfe: Mehr Weltbank, weniger UNO, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 11. September 2010 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

Spenden Sie für die Flutopfer in Pakistan über: