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Post-2015: So viel Partnerschaft war noch nie!

Artikel-Nr.: DE20140413-Art.15-2014

Post-2015: So viel Partnerschaft war noch nie!

Wer kontrolliert welche SDGs?

Vorab im Web - So viel Partnerschaft war noch nie. Noch sind die neuen globalen Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs), die nach 2015 auf die MDGs folgen sollen, nicht im Kasten. Doch schon hat das Ringen darüber begonnen, wer ihre Umsetzung kontrollieren und wo ihr Monitoring angesiedelt werden soll. Dabei führen ausgerechnet diejenigen den Begriff der Partnerschaft am lautesten im Mund, die dieses Prädikat am wenigsten verdienen, hat Rainer Falk beobachtet.

Die Debatte über den Zielekanon für die Zeit nach 2015, wenn die Millennium-Entwicklungsziele auslaufen, ist in vollem Gange. Fast wöchentlich werden neue Ziele vorgeschlagen. So forderte die UN-Frauenrechtekommission auf ihrem letzten Treffen im März 2014, dass Geschlechtergleichheit, Frauenrechte und –Empowerment als eigenständiges Ziel in die Post-2015-Entwicklungsagenda aufgenommen und darüber hinaus als Querschnittsthema in alle anderen Ziele, Vorgaben und Indikatoren integriert werden sollten.

● Positionierung für Post-2015

Nicht weniger legitim ist die Forderung der beiden Wissenschaftler von der Columbia-Universität, Joseph Stiglitz und Michael Doyle, die Beseitigung extremer Ungleichheit in den Rang eines Nachhaltigen Entwicklungsziels zu erheben. Sie wollen konkrete Kriterien festlegen, mit Hilfe derer die Reduktion der Einkommensungleichheit und anderer sozialer Disparitäten innerhalb der einzelnen Länder gemessen werden kann.

Einigkeit über die Frage, was alles zu den Post-2015-Zielen gehören sollte, herrscht allerdings bislang keineswegs. Allenfalls könnte als Konsens angesehen werden, dass „der Entwurf einer einheitlichen und universal gültigen Post-2015-Entwicklungsagenda sich am untrennbaren Zusammenhang zwischen Armutsbekämpfung und nachhaltiger Entwicklung orientieren muss“. So etwa drückte es der UN-Untergeneralsekretär für Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten, Wu Hongbo, auf einem Hochrangigen Symposium des Development Cooperation Forum (DCF) der Vereinten Nationen aus, das Ende März unter dem Thema „Verantwortliche und wirksame Entwicklungskooperation in einer Post-2015-Ära“ in Berlin stattfand.

Wie immer diese Post-2015-Entwicklungsagenda letztlich aussehen wird – schon im Vorfeld positionieren sich institutionelle Akteure und Zusammenhänge, um frühzeitig die Dominanz über ihre Umsetzung und Kontrolle zu sichern. Die beiden wichtigsten Zusammenhänge in diesem Zusammenhang sind das in der Tradition des Monterrey-Prozesses („Finanzierung für Entwicklung“) stehende und nach dem MDG-Gipfel von 2005 gegründete UN-Development Cooperation Forum (DCF) und die 2011 in Busan (Korea) aus der Taufe gehobene Global Partnership for Effective Development Cooperation (GPEDC), die aus der sog. Wirksamkeitsagenda der OECD („Paris Declaration“) hervorgegangen ist. Neben accaountability („Verantwortlichkeit bzw. Rechenschaft“) und effectiveness („Wirksamkeit“) spielt in beiden Foren vor allem das Schlagwort „Partnerschaft“ eine zentrale Rolle.

● Gegensätzliche Partnerschaftskonzepte

Partnerschaft wird allerdings jeweils unterschiedlich, teils sogar gegensätzlich gesehen und interpretiert. Dem DCF geht es – in Anknüpfung an MDG 8, das die Verpflichtungen der Industrieländer für die Verwirklichung der MDGs (wenn auch nur diffus) festlegte – vor allem um eine erneuerte „globale Partnerschaft für Entwicklung“. Diese soll, wie es in den Unterlagen für das erwähnte Berliner Symposium hieß, als Katalysator langfristiger Finanzmittel wirken und ein effektives Monitoring verschiedener Akteure organisieren sowie diese für die Einhaltung ihrer Versprechen und Zusagen verantwortlich halten. Das Berliner Symposium verstand sich als letzte Vorbereitungsstation auf das nächste Hochrangige Treffen des DCF, das am 10./11. Juli in New York stattfindet.

Das GPEDC, dessen erstes Treffen Mitte April in Mexiko stattfand, hat nicht nur eine andere, viel stärker auf die Entwicklungszusammenarbeit im engeren Sinne zugeschnittene Agenda, sondern ist mit dem Geburtsfehler, ein Kind der OECD zu sein, behaftet, dem sich „neue Geber“ wie China, Indien und Brasilien nur zögerlich und halbherzig angeschlossen haben. Dass das neue Forum den Begriff der Globalen Partnerschaft, der bislang ein Markenzeichen der UNO war, übernommen (manche sagen auch: gekapert) hat, ist nicht nur ein (durchsichtiger) Schachzug, der den neuen Gebern im Süden die Mitarbeit erleichtern soll, sondern meint auch noch etwas anderes.

Neben der Verbesserung der sog. Wirksamkeit und Qualität der traditionellen EZ geht es dem GPEDC vor allem um eine Vielfalt von Partnerschaften zwischen den unterschiedlichsten Akteuren, von den Staaten über die Zivilgesellschaft bis hin (vor allem) zum Privatsektor. Das ist gemeint, wenn so oft (im Plural) von global partnerships die Rede ist. In Mexiko standen beispielsweise neben dem „Fortschritt seit Busan“ Fragen wie das „Partnering“ für effektive Besteuerung und die heimische Roussourcenmobilisierung, Süd-Süd- und Dreieckskooperation und nicht zuletzt die Rolle der privaten Wirtschaft im Entwicklungsprozess ganz obenan. Bei einer solchen Themenwahl lässt sich nur schwer verbergen, dass es oft um die Entlastung der Staaten von ihrer Verantwortung in Entwicklungsfragen geht und ansonsten auch die neue Konstruktion Züge einer ungleichen Partnerschaft beibehält.

● Systemische Fragen unterbelichtet

Auf dem Berliner Symposium wurde nicht nur über den Mangel an accountability auf internationaler Ebene geklagt, etwa in einem zentralen Papier von José Antonio Ocampo. Der wichtigste internationale Rechenschaftsmechanismus für die EZ im engeren Sinne, der Busan-Prozess, sei nach wie vor schwach, sowohl in Bezug auf die sog. ownership der Partnerländer, als auch was die Symmetrie zwischen den Beteiligten betrifft. Ocampo forderte deshalb einen einzigen globalen Rechenschaftsbericht für diese Fragen, der institutionell beim DCF angesiedelt sein sollte.

Nicht einfacher wird die Debatte dadurch, dass sie im Kontext eines globalpolitischen Umbruchs stattfindet, der auch das Verständnis der traditionellen EZ tangiert. Wichtige Stichworte hierfür sind das Aufkommen der „neuen Geber“, die wachsende Bedeutung nichtstaatlicher Akteure, der Zusammenhang von Umwelt und Entwicklung (der sich auch als Konkurrenz darstellen kann!) oder die Rolle der EZ in Bezug auf die Bereitstellung globaler öffentlicher Güter. Diese Probleme sind zweifellos von zentraler Bedeutung für die Zukunft der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Die Frage ist nur, ob man ihrer Bedeutung mit prozeduralen bzw. institutionellen Vorschlägen gerecht werden kann, etwa der Idee, DCF und GPEDC in einem Gremium zu fusionieren, das dann auch die komparativen Vorteile beider vereinigen würde. Damit wäre beispielsweise immer noch nicht geklärt, wer denn in der neuen Konstruktion die hegemoniale Rolle spielte.

Wichtiger für eine wirklich erneuerte Globale Partnerschaft wäre, endlich einmal Ernst zu machen mit einer Reihe „alter Fragen“, die bislang in der Debatte über Rechenschaft und Wirksamkeit so gut wie gar nicht vorkommen: „Es gibt andere Dimensionen der Globalen Partnerschaft“, so schreibt Ocampo in seinem Papier, „die sich auf die Regeln und die Governance des globalen Handels und von Handel und Finanzen beziehen, aber auch auf Fragen der Technologieentwicklung und des Technologietransfers, der Migration, der Investitionen, der Besteuerung und andere Bereiche.“

Auch für diese „systemischen“ Fragen der EZ (im Sinne von Monterrey) müssen Rechenschaftsmechanismen im Rahmen der Post-2015-Entwicklungsagenda entwickelt werden. In dieser Hinsicht steht der Prozess aber noch ganz am Anfang. Doch so sicher es ist, dass sich der Süden (und vor allem auch die vom Westen wieder einmal viel gescholtene Gruppe der 77) die neue Entwicklungsagenda nur dann zueigen machen wird, wenn sie diese systemischen Fragen angemessen reflektiert, so offenkundig ist es auch, dass das DCF der Vereinten Nationen – schon aus thematischen Gründen – das geeignetere Forum für ihre Erörterung ist.

Empfohlene Zitierweise:
Rainer Falk, So viel Partnerschaft war noch nie! Wer kontrolliert welche SDGs, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 13. April 2014 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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