Der Fachinformationsdienst für Globalisierung, Nord-Süd-Politik und internationale Ökologie
en

Was suchen Sie?

Subsahara-Afrika im Sog der globalen Finanzkrise

Artikel-Nr.: DE20090105-Art.02-2009

Subsahara-Afrika im Sog der globalen Finanzkrise

Lebensbedrohende Fernwirkungen

Vorab im Web – Industrie- und Schwellenländer stehen im Fokus der Aufmerksamkeit, wenn Auswirkungen der globalen Finanzmarktkrise und mögliche Gegenstrategien analysiert werden. Über Afrika scheint man sich in diesem Zusammenhang kaum Sorgen zu machen – schließlich ist bekannt, dass die meisten afrikanischen Länder nur über rudimentäre Finanzmärkte verfügen. Und doch bedroht die Krise den afrikanischen Kontinent tiefgreifender und nachhaltiger als die übrigen Weltregionen, meint Jörg Goldberg.

Das subsaharische Afrika blickt auf fünf Jahre eines vergleichsweise hohen Wirtschaftswachstums zurück. Die seit Anfang der 2000er Jahre steigenden Preise für Rohstoffe haben in vielen der weltwirtschaftlich von Rohstoffexporten abhängigen Länder zu Wachstumsraten von 6% und mehr geführt. Erstmals seit den 1970er Jahren ist es wieder über mehrere Jahre hinweg zu einem deutlichen Anstieg der Pro-Kopf-Einkommen gekommen. Nun scheint es, als sei diese Periode schon wieder vorbei: Dem jüngsten UN-Wirtschaftsausblick 2009 zufolge hat das afrikanische Wachstum schon 2008 nur noch 5,1% erreicht und wird sich 2009 weiter auf 4,1% abschwächen. Nur noch 16 von 51 afrikanischen Ländern wird ein Zuwachs im Pro-Kopf-Einkommen von mehr als 3% zugetraut.

* Übertragungswege der Krise

Unbestritten ist, dass die Krise im Norden ihren Ausgangspunkt nahm, befördert durch eine Wirtschaftspolitik, die blind auf Selbstregulierungsfähigkeit der Märkte setzte. Die Entwicklungsländer, insbesondere die ärmsten unter ihnen, zahlen nun die Zeche: Diese sind am wenigsten krisenresistent, wirtschaftliche Schwankungen schlagen dort unmittelbar auf die Bevölkerung durch, die auch in guten Jahren in der Nähe des Existenzminimums lebt. Soziale Netze, welche die Auswirkungen abfedern könnten, sind unbekannt.

In diesem Sinne sind die armen Entwicklungsländer stärker betroffen als die Industrieländer und – eingeschränkt – die Schwellenländer, obwohl der Übertragungsweg der Finanzmärkte in Afrika kaum eine Rolle spielt. Zwar sind auch an den – mit Ausnahme Südafrikas – schwach entwickelten Finanzmärkten Afrikas Krisenerscheinungen zu registrieren: Die nigerianische Börse brach um 30% ein, viele Länder mussten Zinsen erhöhen, um Kapitalabflüsse zu stoppen. Da afrikanische Unternehmen aber ohnehin kaum Kredite erhalten, werden sie von Kreditverknappung kaum berührt.

Die wichtigsten direkten Übertragungswege der Krise sind:
* der Rückzug internationalen Kapitals und die Verteuerung des Zugangs zu Auslandskapital;
* der Rückgang der Überweisungen von Migranten;
* der Rückgang der Rohstoffpreise und die erhöhte Volatilität der Exporteinnahmen.

* Fragile Fortschritte bedroht

Auch wenn dies zunächst nur den modernen, weltmarktintegrierten Sektor betrifft, der in Afrika eher ein Inseldasein führt und mit der Gesamtwirtschaft wenig verflochten ist, so sind die Fernwirkungen doch für viele Afrikaner lebensbedrohend. Kapitalabflüsse führen zur Abwertung der Währungen, was Importe verteuert. Obwohl der Anstieg der Nahrungsmittelpreise, der 2008 in vielen Ländern zu Mangelerscheinungen geführt hatte, sich inzwischen umgekehrt hat, kommt das u.a. wegen der Abwertungen bei den Konsumenten nicht an. Der erneute Fall der Preise für metallische Rohstoffe und Mineralöl führt zum Rückgang öffentlicher Einnahmen und bedroht so dringend notwendige Investitionen in Gesundheit, Bildung und Infrastruktur. Fortschritte beim Abbau von Haushalts- und Leistungsbilanzdefiziten sind in Frage gestellt. In diesem Zusammenhang ist die vergrößerte Abhängigkeit von Auslandshilfe, insbesondere von Krediten des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, problematisch. So stellt die Krise die fragilen Fortschritte der letzten Jahre wieder in Frage.

* Der Fall Südafrika

Während die meisten subsaharischen Länder kaum in die internationalen Finanzmärkte integriert sind, gilt dies nicht für Südafrika, das für 40% des subsaharischen Sozialprodukts steht und das gesamte Südliche Afrika beeinflusst. Zwar ist der südafrikanische Bankensektor stark reguliert, was ihn vor dem Crash der globalen Finanzmärkte geschützt hat. Trotzdem sieht sich Südafrika einem Börseneinbruch, der Abwertung des Rand, einem hohen Leistungsbilanzdefizit und steigenden Kreditkosten ausgesetzt. Dies führt zu wachsendem Inflationsdruck, was die Zentralbank dazu veranlasst, die Zinsen hoch zu halten. Das Wirtschaftswachstum, das auch in der Vergangenheit nicht ausreichte, um den auf die Arbeitsmärkte drängenden Jugendlichen auskömmliche Verdienstmöglichkeiten zu sichern, wird voraussichtlich auf nur noch 2% sinken. Das bedeutet einen Abbau von Arbeitsplätzen. In der Folge ist zu befürchten, dass sich Konflikte mit Migranten weiter zuspitzen. Zugleich belastet deren Rückkehr die Wirtschaft der Nachbarländer.

So bringt die Krise für Südafrika nicht nur neue Probleme mit sich, sondern verstärkt die bestehenden: Arbeitslosigkeit, Ungleichverteilung, Gewaltbereitschaft. Ein weiteres Problem ist die Finanzierung des für afrikanische Verhältnisse gut ausgebauten Systems der Sozialen Sicherheit. Fast ein Drittel der Bevölkerung lebt ganz oder teilweise von staatlichen Transfers. Hinzu kommen die Kosten ehrgeiziger Infrastrukturprogramme, u.a. im Zusammenhang der Fußball-WM 2010. Überfällig sind Investitionen im Energiesektor, um Stromabschaltungen zu verhindern. Bislang ist es gelungen, die sozialen Gegensätze durch einen handlungsfähigen öffentlichen Sektor abzufedern. Ob dies auch noch funktioniert, wenn die Krise, fallende Exporteinnahmen und steigende Importkosten den Spielraum der öffentlichen Hand begrenzen, ist durchaus ungewiss.

* Krise und Überlebensökonomie

Neben diesen ‚harten’ ökonomischen Faktoren, die mehr oder weniger auch für andere arme Entwicklungsländer zutreffen, muss für Afrika noch ein spezifischer Aspekt einbezogen werden, der mit der Struktur der afrikanische Ökonomie zusammenhängt. Diese ist bis heute wesentlich informell, d.h. die große Mehrheit der Bevölkerung überlebt nur, weil sie Strategien der Risikominimierung verfolgt, eine spezielle Ökonomie des Überlebens entwickelt hat. Die Funktionsfähigkeit dieser Überlebensstrukturen ist vom modernen Sektor der Bergbau- und Exportwirtschaft und des Staates zwar nicht völlig unabhängig, ist mit diesem aber nur schwach verbunden.

Wenn – wie in Sambia – die Kupferpreise und die entsprechenden Exporteinnahmen innerhalb weniger Monate um die Hälfte zurückgehen, geplante Bergbauinvestitionen zurückgestellt, Minenarbeiter arbeitslos werden und die Steuereinahmen einbrechen, dann gibt es immer noch die traditionelle Subsistenzwirtschaft, die erweiterte Familie und andere personelle Netzwerke, die jenseits von Staat und Markt das Schlimmste verhindern. Allerdings erlahmt die Kraft der Netzwerke unter dem Druck von Krankheiten, der rasch wachsenden Bevölkerung und einer sich erschöpfenden Bodenfruchtbarkeit. Sie sichern immer noch das nackte Überleben, aber eben nicht mehr.

Entwicklung, Investitionen, höhere Produktivität, Schaffung von Arbeitsplätzen – alles dies erfordert verlässliche ökonomische Rahmenbedingungen und handlungsfähige öffentliche Verwaltungen. Die Krise aber bestätigt erneut die Erfahrung der afrikanischen Wirtschaftsakteure, insbesondere der zahlenmäßig überwiegenden Kleinbauern, dass die moderne Ökonomie, die Markt- und Exportwirtschaft, der Staat keine Sicherheit bieten. Wie kann vom afrikanischen Bauer oder Kleinstunternehmer erwartet werden, dass er investiert, Kredit aufnimmt, neue Produkte und Anbaumethoden ausprobiert, wenn seine Absatzpreise innerhalb weniger Monate um das Vielfache schwanken? Wenn er immer wieder befürchten muss, dass die Markteinnahmen nicht ausreichen, um eine Familie zu ernähren, geschweige denn um Kredite zurückzuzahlen? So ist es rational, wenn er es angesichts der mit Marktproduktion verbundenen Risiken vorzieht, bei der Subsistenzwirtschaft zu bleiben und sich auf traditionelle Netzwerke zu verlassen.

Neben den anderen Faktoren ist es die Erfahrung der Krisenhaftigkeit der Marktwirtschaft, der Unzuverlässigkeit der modernen Rahmenbedingungen, der Fragilität der staatlichen Institutionen und ihrer Unfähigkeit, das Überleben zu sichern, welche die Zukunftsfähigkeit der afrikanischen Ökonomie über die Periode der akuten Krise hinaus gefährdet. Auch wenn die Krise vorbeigeht, so bleibt die Erfahrung, dass die Integration in die moderne Ökonomie nichts als Unsicherheit produziert.

Dr. Jörg Goldberg beriet als Ökonom jahrelang afrikanische Regierungen. Sein jüngstes Buch: Überleben im Goldland. Afrika im globalen Kapitalismus erschien bei PapyRossa, Köln.

Veröffentlicht: 5.1.2009

Empfohlene Zitierweise: Jörg Goldberg, Subsahara-Afrika im Sog der globalen Finanzkrise, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, Nr. 01/2009 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)