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UN-Panel: Zeit für ein neues Bretton Woods

Artikel-Nr.: DE20081103-Art.40-2008

UN-Panel: Zeit für ein neues Bretton Woods

Die UNO positioniert sich zur globalen Finanzkrise

Nur im Web - Die US-Regierung und die Bretton-Woods-Institutionen IWF und Weltbank haben bislang keine adäquate Antwort auf die internationale Finanzkrise gegeben. Der einzige realistische Ausweg aus der Krise wäre ein demokratischer, inklusiver Prozess, wie er nur im Rahmen der Vereinten Nationen vorstellbar ist. Das schlussfolgerte ein Panel am 30. Oktober 2008 im UN-Hauptquartier in New York. Schnellschüsse und Halbheiten hinter verschlossenen Türen seien abzulehnen. Eine W&E-Zusammenfassung der Veranstaltung mit Joseph Stiglitz*) und anderen.

Das Panel hatte Miguel d’Escoto Brockman, der derzeitige Präsident der UN-Generalversammlung, einberufen. D’Escoto glaubt fest daran, dass die derzeitige Finanzmarktkrise auch Chancen für Veränderungen beinhaltet. Deshalb verspricht er sich viel von der geplanten Hochrangigen UN-Task Force, die das globale Finanzsystem überprüfen soll. Die Zusammensetzung dieses Gremiums soll schon bald bekanntgegeben werden; am Arbeitsprogramm für die Kommission werde bereits gefeilt, so d’Escoto in New York nach dem Treffen des Panels.

* Die Weltwirtschaft darf nicht länger durch das Prisma exklusiver Klubs betrachtet werden

Mit auf dem Panel saßen: Joseph Stiglitz, Nobelpreisträger für Ökonomie 2001, ehemaliger Chefökonom der Weltbank und heute Professor an der Columbia University; Prabhat Patnaik, Professor am Centre for Economic Studies and Planning der Jawaharlal Nehru University/Indien; Sakiko Fukuda-Parr aus Japan, Professorin für Internationale Angelegenheiten; Pedro Paez, Wirtschaftsminister in Ekuador and Koordinator der Bank of the South (Banco de Sur); Calestous Juma of Kenya, Professor für Internationale Entwicklung an der Kennedy School of Government in Harvard; sowie François Houtart aus Belgien, Chefredakteur der internationalen Religionszeitschrift “Social Compass”.

Als Präsident der Generalversammlung legt d’Escoto Wert darauf, alle Mitgliedsländer der Vereinten Nationen in die Debatte um eine Neue Internationale Finanzarchitektur einzubeziehen. Auf die Frage, ob eine solche „G192“-Lösung realistisch sei, entgegnet er, es sei an der Zeit, mit der Sichtweise Schluss zu machen, die die Weltwirtschaft als den Privatbesitz solch exklusiver Klubs wie G8 oder G15 sehen. G15 sind die G8 zuzüglich der Schwellenländer Basilien, Südafrika, China, Indien und Mexiko. Ob er auch den G20-Rahmen für zu eng für ein neues Bretton Woods hält – dazu sagte d’Escoto explizit nichts. Schließlich wird Ban Ki-moon als UN-Generalsekretär an dem für den 15. November geplanten Weltfinanzgipfel teilnehmen und dort auch den Armen eine Stimme geben.

Joseph Stiglitz stimmte ausdrücklich zu. Eine breite Teilnahme an den Diskussionen sei unabdingbar, um zu einem Konsensus zu kommen. Stiglitz wies darauf hin, dass der Mangel an Glaubwürdigkeit und Legitimität zu den Hauptproblemen der internationalen Finanzinstitutionen gehöre. Die Tatsache, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) von der „G1“, also den USA, dominiert werde, mache es für diesen gegenwärtig so schwierig, die Ursachen der aktuellen Probleme zu behandeln, wozu der Mangel an Regulierung in den Vereinigten Staaten gehöre. Wenn der IWF wieder effektiver werden wolle, müsse er reformiert werden. Der Wandel könne nicht über Nacht kommen, doch ein gewisses Maß an Aufsicht müsse gerade von denen wahrgenommen werden, die am meisten betroffen seien, wenn es politische Fehlschläge gibt. Prabhat Patnaik fügte hinzu, dass das Stimmrechtssystem im IWF nicht das einzige Problem sei. Ebenso wichtig sei es, sich mit der Problematik der Konditionalität zu beschäftigen.

Pressekonferenz mit Joseph Stiglitz





Ein Punkt, der während des Panels immer wieder betont wurde: Gerade auf die Entwicklungsländer hätte der Mangel an Einbeziehung besonders negative Effekte. Erwähnt wurde außerdem die Tatsache, dass der Kontrast zwischen der antizyklischen Politik in den USA und der prozyklischen Politik, die andernorts aufgedrängt wird, die Instabilität der Entwicklungsländer erhöht und damit die Ungleichheit vermehrt und die globale Stabilität tangiert.

* Kein Mangel an Ideen

Während es keinen Mangel an Ideen, wie man der Krise begegnen soll, gebe, sei es nach Stiglitz wichtig sicherzustellen, dass diese Ideen auch auf die international Agenda gelangen. Das Panel diskutierte eine ganze Reihe von Vorschlägen, darunter eine ganze Liste an regulatorischen und institutionellen Reformen, aber auch Anreize und Kontrollen für das Finanzsystem. Die Vorschläge betrafen auch die Reform des globalen Reserve- bzw. Zentralbanksystems oder die Wiederbelebung der von den USA vor Jahren auf Eis gelegten Idee eines Restrukturierungsmechanismus für souveräne Schuldner. Stiglitz meinte, ein Grund dafür, weshalb die Politik der Bush-Administration so erfolglos gewesen sei, liege darin, dass es kaum einen öffentlichen Diskurs in dieser Zeit gegeben habe. Zum Beispiel habe es über den ersten Bailout-Plan für den Bankensektor vorab überhaupt keine öffentliche Debatte gegeben, weshalb er sich schon bald als gescheitert herausgestellt habe.

Als mögliche Krisenlösung erwähnte Padro Paez regionale Währungsabkommen, die Teil eines internationalen Unterstützungsmechanismus zur Stabilisierung der internationalen Kapital- und Währungsmärkte werden könnten. Auch Calestous Juma sprach sich für regionale Lösungen aus und unterstrich die Bedeutung der Krisenbewältigungserfahrungen in der Vergangenheit. Die Reform des IWF sei kurzfristig ein „sehr hartes Geschäft“ und könne gut zehn Jahre dauern. Die Ideen dazu würden aber nicht aus Washington DC kommen können, sondern nur von außerhalb.

Auf die Frage, wie man sich eine führende Rolle der Generalversammlung beim Monitoring der internationalen Finanzinstitutionen vorzustellen habe, sagte Stiglitz, der Multilateralismus werde mehr und mehr anerkannt. Aufsicht bedeute zwar nicht, dass alle Entscheidungen von der Generalversammlung gefällt würden; die Grenzen der Governance-Strukturen von IWF und Weltbank lägen jedoch klar auf der Hand und unterminierten die Effektivität und Effizienz dieser Institutionen. Es sei notwendig, die dort behandelten Fragen in neuen Foren zu diskutieren.

Zur Bankenaufsicht in den USA sagte Stiglitz, dass bereits vor der Krise bestimmte Beschränkungen hätten in Kraft gesetzt werden müssen. Und selbst jetzt teile er die Befürchtungen, die in einem Editorial der New York Times geäußert wurden, dass die Bailout-Mittel nicht in Übereinstimmung mit den Intentionen des Kongresses verwendet würden. Es sei eine Sache, einer Familienbank am Rande des Zusammenbruchs zu helfen, und eine andere, das Geld zu nehmen, um den Marktanteil einer an sich gesunden Bank zu erhöhen. Er hoffe, der Finanzminister werde das abstellen.

* Notwendig ist nicht nur mehr Regulierung, sondern eine Transformation des Systems

François Hourtart wies darauf hin, dass es nicht einfach um mehr Regulierungen gehe, sondern auch um die Transformation des Gesamtsystems, da die Welt nicht nur mit einer Finanzkrise, sondern auch mit einer Nahrungsmittel-, Gesellschafts- und Energiekrise konfrontiert sei. Alle diese Krisen seien auf dieselben Ursachen zurückzuführen, nämlich die Logik der Kapitalakkumulation. Auch sei es notwendig, die Art der menschlichen Beziehung zur Natur zu verändern. Die Welt müsse neue Werte finden, Demokratie fördern und Multilateralismus und Zusammenarbeit akzeptieren.

Diskutiert wurde auch über die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Umsetzung der Millennium-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. Dies, so Stiglitz, hinge ganz davon ab, wie die Gegenmaßnahmen aussehen. Bislang sei die Krise noch in einer relativ frühen Phase. Doch die bisherigen Antworten seien in jedem Falle unzureichend. Die Rückwirkungen würden möglicherweise in den Entwicklungsländern viel stärker spürbar als in den Industrieländern.

*) In W&E 11/2008 erscheint Stiglitz' Panel-Beitrag "Elemente für einen neuen globalen Wirtschaftsvertrag".

Veröffentlicht: 1.11.2008

Empfohlene Zitierweise: W&E-Zusammenfassung, UN-Panel: Zeit für ein neues Bretton Woods, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 1.11. 2008 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)