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USA-China: Am Rande eines Handelskriegs?

Artikel-Nr.: DE20101004-Art.52-2010

USA-China: Am Rande eines Handelskriegs?

Neu-alte Obsession der US-Politik

Ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einem neuen Handelsprotektionismus fand jetzt in den Vereinigten Staaten statt. Das Repräsentantenhaus verabschiedete ein Gesetz, das der Regierung die Anhebung von Zöllen auf Produkte aus Ländern gestattet, denen unterstellt wird, ihre Währungen „grundlegend manipuliert“ zu haben. Den Trend zu einem neuen Handelskrieg kommentiert Martin Khor.

Das Gesetz zielt eindeutig auf China, von dem viele in Kongress und Administration glauben, dass es den Wert seiner Währung bewusst niedrig hält, um seine Exporte zu steigern. Allerdings wird China in dem Gesetz nicht ausdrücklich aufgeführt, so dass es auch gegen andere Länder verwendet werden könnte.

* Gesetz gegen „Währungsmanipulation“

Das Gesetz passierte das Repräsentantenhaus am 29. September mit 348 zu 79 Stimmen, kann aber nicht ohne die Verabschiedung im Senat und die Unterzeichnung durch Präsident Barack Obama in Kraft treten. Es gibt Spekulationen darüber, dass diese beiden Schritte nicht so wahrscheinlich sind und dass das Gesetz des Repräsentantenhauses eher eine Drohung ist, die den Druck auf China steigern soll, damit es den Yuan viel stärker aufwertet als bislang.

Viele amerikanische Politiker machen den angeblich grob unterbewerteten Yuan für das US-Handelsdefizit verantwortlich. Der Ökonom Paul Krugman hat eine Sondersteuer von 25% auf chinesische Produkte gefordert. Angesichts der kommenden Kongresswahlen am 2. November haben viele Politiker beider Parteien ihr China-Bashing verstärkt, und auch Obama hat die chinesische Währung zur obersten Priorität erklärt, als er vor zwei Wochen mit dem chinesischen Premierminister Wen Jeibao in New York zusammentraf.

Das Währungsthema ist das jüngste Argument in einer Serie neuer Gründe, die zur Blockierung von Importen angeführt werden. Im letzten Monat hat die Stahlarbeiter-Gewerkschaft die US-Administration in einer Petition gebeten, ein WTO-Verfahren gegen China anzustrengen, weil dieses Exportsubventionen für lokale Hersteller von Produkten der Solar- und Windenergie vergibt. Im letzten Jahr hat das Repräsentantenhaus ein Gesetz zum Klimaschutz verabschiedet, das einen Abschnitt enthält, der den Präsidenten anhält, sog. Grenzanpassungsmaßnahmen (eine finanzielle Gebühr oder Abgabe) auf ausgewählte Produkte aus Ländern zu erheben, die sich nicht an die US-Standards zur Emissionsminderung halten.

* Scharfe Reaktionen aus China

China hat das Währungsgesetz scharf zurück gewiesen. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte, man sei gegen das Gesetz und warnte davor, dass die Nutzung des Yuan-Wechselkurses zum Handelsprotektionismus den chinesisch-amerikanischen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen und der Weltwirtschaft nur schaden könne. Und ein Sprecher des Handelsministeriums sagte, dass „Antisubventionsmaßnahmen auf währungspolitischer Grundlage gegen die WTO-Regeln verstoßen“. Ein Ökonom von der Chinesischen Akademie für Gesellschaftswissenschaften, Zhang Xiaojing, kommentierte: „Es handelt sich um einen förmlichen Schritt zum Handelskrieg.“

Während einige US-Ökonomen der chinesischen Währung die Schuld geben, weisen andere darauf hin, dass die ökonomischen Probleme der USA andere, wichtigere Gründe haben und dass selbst eine starke Aufwertung des Yuan gegenüber dem Dollar die US-Probleme nicht lösen würde. Zum Beispiel war ein kürzliches Papier des South Centres über die globalen Wirtschaftsperspektiven skeptisch, dass eine Dollarabwertung gegenüber China die tieferen Ursachen der Überkonsumption in den USA beseitigen würde. (In eine ähnliche Richtung argumentiert der neue Trade and Development Report der UNCTAD; d. Red.)

Es ist unwahrscheinlich, dass es zu einem merklich stärkeren Wachstum der Exporte nach China kommt. Selbst wenn es zu einer Reduktion der chinesischen Exporte in die USA käme, würden diese durch Importe aus anderen Entwicklungsländern ersetzt werden, solange die US-Konsumenten über ihre Verhältnisse leben.

Das South-Centre-Papier hebt hervor, dass die USA in den letzten vier Jahrzehnten immer Leistungsbilanzdefizite hatten, ungeachtet der Stärke des Dollar gegenüber den Währungen ihrer Haupthandelspartner. In den 1970er Jahren gaben sie Deutschland die Schuld, in den 1980ern Japan und jetzt China.

* Wann ist eine Währung „grundlegend unterbewertet“?

Das neue Gesetz weist das US-Handelsministerium an, „grundlegend unterbewertete“ Währungen als eine Exportsubvention zu betrachten, so dass gegen Produkte aus dem betreffenden Land entsprechend gehandelt werden kann. Das widerspricht der bisherigen Praxis des Ministeriums, solche Untersuchungen im Falle Chinas zurückzuweisen, und zwar mit der Begründung, dass die Exporteure nicht die einzigen Profiteure solcher „Subventionen“ seien (weil beispielsweise auch lokale Produzenten von einer überbewerteten Währung profitieren).

Das Gesetz beseitigt somit eine Barriere und wird – wenn es in Kraft tritt – die Chancen der Beschwerde führenden US-Konzerne erhöhen, Strafzölle gegen chinesische Produkte durchzusetzen. Diese Konzerne müssten dann nachweisen, dass sie durch Importe aus den beschuldigten Ländern ernsthaft geschädigt worden sind oder ihnen solcher Schaden droht.

Das Gesetz definiert eine Währung als „grundlegend unterbewertet“, wenn die Regierung anhaltend und groß angelegt über 18 Monate hinweg in einen ausländischen Währungsmarkt interveniert hat, wenn der reale effektive Wechselkurs in diesem Zeitraum um mindestens 5% unterbewertet war, wenn das Land in diesem Zeitraum deutliche und anhaltende Leistungsbilanzüberschüsse hatte und wenn die ausländischen Währungsreserven der Regierung den Betrag übersteigen, der notwendig ist, um die Schuldendienstverpflichtungen der nächsten 12 Monate zu bedienen, höher als 20% der Geldmenge des Landes sind und den Wert der Importe des Landes in den vorhergehenden vier Monaten übersteigen.

Wenn dieses Gesetz zur Anwendung kommt, wäre eine Schlüsselfrage, ob es mit den WTO-Gesetzen vereinbar wäre. Seine Befürworter behaupten das, doch China ist anderer Meinung. Was immer ein WTO-Panel in einem solchen Fall künftig entscheiden mag, dies wäre ein schwerer Schaden für die chinesisch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen. Premierminister Wen verteidigte die Währungspolitik seines Landes kürzlich mit dem Hinweis, dass der Yuan zwischen Januar 1994 und Juli 2010 um massive 55,2% aufgewertet worden sei. Er fügte hinzu, dass der Yuan seit Juni, als China den Wechselkursmechanismus des Yuan reformiert hat, zusehends flexibilisiert worden sei, China aber immer noch mit großen Schwierigkeiten zu tun habe, so dass es keinen Grund für eine drastische Aufwertung gäbe.

Die obsessive Überzeugung von US-Politikern, dass die ökonomischen Probleme ihres Landes durch China und speziell durch seine Währung verursacht seien, und die ernsthaften Probleme, die eine Aufwertung des Yuans innerhalb Chinas verursachen würden, sind zwei Faktoren, die eine erfolgreiche Auflösung des Gegensatzes zwischen den USA und China so schwierig machen. Das erklärt die Gefahren eines neuen und wachsenden Protektionismus in den USA und die verärgerten Reaktionen in China. Hoffentlich wird das Gesetz des Repräsentantenhauses nicht in Kraft treten und zur Anwendung kommen. Doch dies ist durchaus möglich, und so sollten wir uns auf harte Zeiten vorbereiten.

Martin Khor ist Direktor des South Centres in Genf.

Veröffentlicht: 4.10.2010

Empfohlene Zitierweise: Martin Khor, USA-China: Am Rande eines Handelskriegs?, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 4.10.2010 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).