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Vitaminspritzen für die Süd-Süd-Kooperation

Artikel-Nr.: DE20151112-Art.30-2015

Vitaminspritzen für die Süd-Süd-Kooperation

China: Neue Fonds für Klima und Entwicklung

Mit zwei neuen chinesischen Fonds für Klima und Entwicklung in Höhe von insgesamt 5,1 Mrd. Dollar gibt China der Süd-Süd-Zusammenarbeit einen Mega-Schub. Angekündigt wurden die beiden Finanzierungsfonds schon im September während des Aufenthaltes von Präsident Xi Jinping in den USA. Sie haben das Zeug, die Spielregeln der internationalen Beziehungen gründlich zu verändern, schreibt Martin Khor.

Erstens kündigte Xi Jinping – nicht zufällig bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit US-Präsident Barrack Obama im Weißen Haus – die Errichtung eines Chinesischen Süd-Süd-Fonds der Klimazusammenarbeit an, der 3,1 Mrd. Dollar bereitstellen soll, um den Entwicklungsländern bei der Bewältigung des Klimawandels zu helfen. Auf dem SDG-Gipfel der Vereinten Nationen sagte Xi sodann, China würde einen weiteren Fonds der Süd-Süd-Kooperation mit einem anfänglichen Umfang von 2 Mrd. Dollar ins Leben rufen, um die Entwicklungsländer bei der Umsetzung der Post-2015-Entwicklungsagenda zu unterstützen.

● Süd-Süd- versus Nord-Süd-Kooperation?

Der schiere Umfang der Zusagen gibt dem chinesischen Beitrag ein großes politisches Gewicht und lässt Xis Initiativen wie einen „game changer“ der internationalen Beziehungen erscheinen. Es ist bezeichnend, dass Xi den Rahmen der Süd-Süd-Kooperation als Basis für die beiden Fonds nutzt.

Das internationale System kennt bislang zwei Typen der Entwicklungskooperation: die Nord-Süd- und die Süd-Süd-Zusammenarbeit. Die Nord-Süd-Zusammenarbeit basiert auf der Verpflichtung der Industrieländer zur Unterstützung der Entwicklungsländer, weil erstere über mehr Ressourcen verfügten und unter dem Kolonialismus von der Ausbeutung der früheren Kolonien profitierten. Tatsächlich haben sich die Industrieländer verpflichtet, 0,7% ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) als Entwicklungshilfe bereit zu stellen, ein Ziel, das leider nur von einer Handvoll von Ländern erfüllt wurde.

Die Süd-Süd-Zusammenarbeit auf der anderen Seite basiert auf Solidarität und gegenseitigem Vorteil zwischen Entwicklungsländern als gleichen und findet wegen der fehlenden Kolonialgeschichte zwischen ihnen freiwillig statt. Dies ist jedenfalls die Position der Entwicklungsländer und ihrer Dachorganisation, der Gruppe der 77 und China.

Xi selbst, der einen Süd-Süd-Roundtable auf dem UN-Gipfel leitete, beschrieb die Süd-Süd-Kooperation als „eine große Pionierleistung, die die Entwicklungsländer zur Selbsthilfe zusammenbringt und die gekennzeichnet ist durch Gleichheit, gegenseitiges Vertrauen, gegenseitigen Vorteil, Win-Win-Ergebnisse, Solidarität und wechselseitige Hilfe und die den Entwicklungsländern helfen kann, einen neuen Weg zu Entwicklung und Wohlergehen zu bahnen. In dem Maße wie die Position der Entwicklungsländer an Stärke gewinnt, wird die Süd-Süd-Kooperation eine wachsende Rolle für ihren kollektiven Aufstieg spielen.“

Eigenständige Klimafinanzierung des Südens

In den letzten Jahren haben die westlichen Länder ihre Entwicklungshilfe-Verpflichtungen zurück gefahren und versucht, den beschriebenen Unterschied zu verwässern. Sie haben große Entwicklungsländer wie China und Indien gedrängt, wie sie Entwicklungshilfe im Rahmen der OECD, dem Klub der Reichen, zur Verfügung zu stellen. Doch die Entwicklungsländer hielten an ihrer politischen Position fest: Die Industrieländer tragen die Verantwortung für adäquate Hilfe an arme Länder und sollten diese nicht auf andere Entwicklungsländer abschieben. Die Entwicklungsländer werden sich indessen selbst gegenseitig durch das Instrument der Süd-Süd-Kooperation unterstützen.

Das hat einige Industrieländer zunehmend dazu gebracht, vage mit der Reduzierung ihrer Hilfeverpflichtungen zu drohen, wenn einige Entwicklungsländer nicht ebenfalls ihren Anteil aufbringen. Die Süd-Süd-Kooperation ist ihnen in diesem Zusammenhang schlicht zu vage und zu gering. Eben dieser Eindruck wird durch die beiden chinesischen Zusagen, die beide auch für sich genommen interessant sind, korrigiert.

Vielen Beobachtern fällt auf, der die chinesische Klimahilfe in Höhe von 3,1 Mrd. Dollar die von den USA zugesagten (aber noch nicht eingelösten) Beiträge von 3 Mrd. Dollar für den Grünen Klimafonds (GCF) unter der UN-Klimakonvention übertrifft. Viele große Entwicklungsländer wurden unter Druck gesetzt, Beiträge zum GCF zu leisten, haben jedoch korrekterweise argumentiert, dass der GCF dafür da ist, dass die Industrieländer ihrer historischen Verantwortung zur Unterstützung der Entwicklungsländer nachkommen können.

Den Entwicklungsländern steht es hingegen offen, sich gegenseitig über das Instrument der Süd-Süd-Kooperation zu helfen. Genau diesen Weg hat China jetzt mit der Ankündigung seines eigenen Süd-Süd-Klimafonds eingeschlagen, der unerwarteter weise 3,1 Mrd. Dollar stark ist. Das ist mehr als irgendein Industrieland für den GCF zugesagt hat. Letztes Jahr hatte China noch einen ähnlichen Fonds angekündigt mit nur 20 Mio. Dollar. Mit dem jetzigen Umfang hat der Chinesische Klimafonds das Potential, viele wichtige Programme zur Minderung, Anpassung und Institutionenbildung im Klimabereich zu fördern.

● Selbsthilfe zur Umsetzung der SDGs

Auch der andere von Xi angekündigte Fonds mit anfänglich 2 Mrd. Dollar nutzt das Instrument der Süd-Süd-Kooperation, und zwar zur Umsetzung der gerade verabschiedeten UN-Entwicklungsagenda. Das Kernstück der Agenda sind die Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs). Xi erwähnte Armutsreduzierung, Landwirtschaft, Gesundheit und Bildung als Bereiche, die der Fonds abdecken könnte.

Der neue Fonds hat das Potential, Entwicklungsländern bei der Nutzung von entwicklungspolitischen Erfahrungen und Praktiken anderer Länder des Südens zu helfen und so den eigenen Fortschritt zu beschleunigen. Xi erwähnte auch eine Akademie für Süd-Süd-Kooperation und Entwicklung, die errichtet werden soll, um entwicklungspolitische Studien und Austausch in Theorie und Praxis mit Blick auf die jeweiligen nationalen Bedingungen zu fördern.

Die nächsten Schritte zur Umsetzung dieser Zusagen dürften darin bestehen, eine institutionelle Basis für die Fonds zu schaffen und einen Rahmen, Ziele und Funktionen für sie zu entwerfen. Es ist eine große Chance zu zeigen, ob Süd-Süd-Kooperation einen vergleichbar positiven Beitrag wie die Nord-Süd-Hilfe leistet. Schließlich soll die Süd-Süd-Kooperation die Nord-Süd-Kooperation ergänzen und nicht ersetzen.

● Multidimensionale Süd-Süd-Kooperation

Natürlich ist die Hilfe nicht die einzige Dimension der Süd-Süd-Kooperation. Sie hat auch eine herausragende Bedeutung in den Bereichen Handel, Investitionen und Finanzierung sowie im sozialen Sektor. Die regionalen Handelsabkommen wie ASEAN, wie in Ostasien und in Subregionen Afrikas und Lateinamerikas, wie auch die Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen den drei Kontinenten des Südens sind in den letzten Jahrzehnten stark expandiert. In letzter Zeit kamen die BRICS-Bank, die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) und das chinesische Seidenstraßen-Projekt („One Belt One Road“) hinzu.

Gleichwohl ist die Süd-Süd-Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Hilfe symbolisch und praktisch von großer Bedeutung, da es dabei um die Unterstützung der verwundbaren, armen Völker und Länder sowie um die zerbrechliche Umwelt geht, nicht zuletzt die Krise der Biodiversität und des Klimas. Es ist zu hoffen, dass die beiden neuen Fonds der Süd-Süd-Kooperation und der Solidarität den erforderlichen Schub geben.

Martin Khor ist Exekutivdirektor des South Centre in Genf. Er schreibt regelmäßig an dieser Stelle „aus der Sicht des Südens“ (director@southcentre.org). Die hier vertretene Position ist ausschließlich die des Autors.

Posted: 11.11.2015

Empfohlene Zitierweise:
Martin Khor, Vitaminspritzen für die Süd-Süd-Kooperation. China: Fonds für Umwelt und Entwicklung, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 11. November 2015 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

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